Bundesrat: "Vorratsspeicherung" von Telefon- und Internetdaten

13.06.2002
Geht es nach der Mehrheit im Bundesrat, sollen in Zukunft Telefon- und Internetdaten aller Bürger gespeichert und automatisch an die Behörden weitergeleitet werden. Eine vehemente Verletzung des Datenschutzes, meinen die Spezialisten. Noch ist das Gesetz nicht beschlossen, doch die Verbände schlagen Alarm.

In seiner Sitzung vom 31. Mai 2002 hat sich der Bundesrat für eine "Vorratsspeicherung" ausgesprochen. Danach sollen Internetprovider und Telecomanbieter verpflichtet werden, alle Daten ihrer Kunden zu speichern. Wörtlich heißt es in der offiziellen Pressemitteilung des Bundesrates: "Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Telekommunikations-Über- wachungsverordnung durch Regelungen zu ergänzen, die (...) Internetprovider verpflichten, die dort anfallenden Verbindungs- und Kommunikationsdaten den zuständigen Behörden zeitgleich automatisch zu übermitteln."

Außerdem sollen die Netzbetreiber die Überwachung von Mobiltelefonen ermöglichen. Die anfallenden Einbuchungsdaten von Mobiltelefonen sollen von den Netzbetreibern in Echtzeit und im automatisierten Verfahren an die zuständigen Stellen übermittelt werden. Wie lange, ist noch nicht klar. Im Gespräch sind zwischen drei und zwölf Monate.

Bitkom warnt vor Kosten in Millionenhöhe

Der Branchenverband Bitkom sieht den Gesetzesentwurf mit gemischten Gefühlen. Bitkom-Sprecher Wolf Osthaus gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: "Es sollen Daten von unbescholtenen Bürgern gesammelt werden, nur auf den Verdacht hin, einer könnte eine strafbare Handlung begehen." Zudem würde ein derartiges Gesetz für die Internet- und Telekommunikationsbranche enorme Kosten bedeuten. Osthaus schätzt, dass die größeren Netzbetreiber jeweils mehrere Millionen Euro investieren müssen, um den Behörden diese Flut an anfallenden Daten zur Verfügung zu stellen.

Die Netzbetreiber allerdings scheinen noch nicht aufgewacht zu sein. Der Gesetzesentwurf sei ja erst vom Bundesrat beschlossen worden, bis zum endgültigen Gesetz werde es wohl noch einige Zeit dauern. Dennoch: "Wir sehen das schon mit Skepsis", erklärte Quam-Sprecher Matthias Andreesen Viegas gegenüber ComputerPartner. "Die Frage ist, ob bei dieser Regelung Aufwand, Kosten und Nutzen in einem vernünfti-gen Verhältnis zueinander stehen. Außerdem fragen wir uns, ob die Datenschutzbestimmungen in ausreichender Form berücksichtigt werden."

Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein sieht in dem Beschluss den Versuch, "den Datenschutz für Internet und Telekommunikation fast vollkommen auszuhebeln". Datenschutz bei Telekommunikation und Internet-Telediensten bedeutet bislang das gesetzlich verbriefte Recht für den Bürger, dass nur die für die Nutzung und Abrechnung erforderlichen Daten gespeichert werden dürfen. "Wenn dieses Gesetz in Kraft tritt, wäre das die Abschaffung des Datenschutzgesetzes. Das wäre ein GAU", befürchtet Jens Ohlig vom Chaos Computer Club.

"Die Verfechter des Gesetzesvorschlags scheuen sich nicht einmal, ihr Vorhaben ausdrücklich als Vorratsspeicherung zu bezeichnen." Mit diesen Worten kritisiert auch das Datenschutzzentrum in einer offiziellen Stellungnahme den Gesetzesentwurf. Dabei stehe dieser Begriff beim Bundesverfassungsgericht seit jeher als Synonym für eine "verfassungswidrige staatliche Sammelwut, bei der Daten gespeichert werden, die vielleicht irgendwann einmal für staatliche Zwecke nützlich sein könnten".

Die große Hoffnung der Datenschützer ist, dass bis zum endgültigen In-Kraft-Treten des Entwurfs noch einige Stationen zwischengeschaltet sind. Nachdem der Bundesrat nun diesem Gesetzesentwurf zugestimmt hat, wird dieser an die Bundesregierung zur Stellungnahme weitergeleitet. Die wiederum muss das Ganze innerhalb von sechs Wochen vor den Deutschen Bundestag bringen. Eine endgültige Entscheidung dürfte also in keinem Fall vor der Sommerpause zu erwarten sein. Bemerkenswert ist jedoch, dass das EU-Parlament durch die Verabschiedung einer entsprechenden Richtlinie seinen Mitgliedsstaaten den Weg geebnet hat - und das just zwei Tage vor der betreffenden Plenarsitzung des Bundesrates.

www.bundesrat.de

www.ccc.de

www.datenschutzzentrum.de

ComputerPartner-Meinung:

Es ist bedenklich, wie reibungslos der zeitliche Ablauf zwischen den verschiedenen Instanzen in dieser Sache funktioniert. Man kann nur hoffen, dass der Gesetzesentwurf im Bundestag abgeschmettert wird. Hier geht es im Endeffekt nicht um die Sicherheit der Bürger, sondern um deren Überwachung. (gn)

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