BVB fordert einen IT-Kommissar im Kanzleramt

11.11.1999
MÜNCHEN: Kaum Grund zur Klage haben die 320 Mitglieder des BVB Bundesverband Informations- und Kommunikationssysteme, Bad Homburg. Die ITK-Branche befindet sich nach wie vor im Konjunkturhoch und sorgt für eine positive Geschäftsentwicklung. Wermutstropfen ist und bleibt indes der enorme Mangel an Fachkräften. Deshalb will der BVB im Dunstkreis von Bundeskanzler Gerhard Schröder einen IT-Kommissar etablieren.

Selten zuvor war es so erfreulich, als Unternehmen in der hiesigen ITK-Industrie tätig zu sein. Allein die jüngsten Zahlen des Fachverbands Informationstechnik im VDMA und ZVEI sprechen für sich: 1999 wird der deutsche ITK-Markt erstmals über die 200-Milliarden-Mark-Grenze springen, für das Jahr 2000 stehen die Prognosen derzeit auf 222 Milliarden Mark. So haben denn auch die Mitglieder des BVB kaum Grund zur Klage. Im Gegenteil: 70 Prozent der angeschlossenen Unternehmen bewerteten im Rahmen der Herbstumfrage der Bad Homburger die gegenwärtige Geschäftsentwicklung als gut. Immerhin 23 Prozent gaben gar "sehr gut" zu Protokoll.

Daß sich mit absolvierter Datumsumstellung zum Jahr 2000 in den Folgemonaten die Geschäfte verschlechtern, glauben die BVB-Mitglieder nicht. Vielmehr wird ein anhaltendes Wachstum in allen Marktsegmenten erwartet. Telekommunikation und Services liegen dabei an der Spitze. So gehen 94 Prozent der Befragten im Telekommunikationssegement und 92 Prozent bei Services von steigenden Umsätzen aus. Für zusätzliche Wachstumsimpulse, so die vorherrschende Meinung, werden vor allem E-Commerce und Internet-/Intranet-Technologien sorgen. In punc-to Profit indes sind die BVB-Mitglieder vorsichtig. Rund 75 Prozent haben aufgrund der fallenden Preise über alle Bereiche hinweg reduzierte Ertragserwartungen.

UNTERNEHMEN MÜSSEN SELBST AKTIV WERDEN

Wo Licht ist, ist aber meist auch Schatten. Als Wachstumsbremse, so erklärte BVB-Vorstandsvorsitzender Willi Berchtold, dürfte sich für die ITK-Industrie in Deutschland auch weiterhin der enorme Mangel an Fachkräften erweisen. Nach Erhebungen des Bad Homburger Verbands verzeichnet die ITK-Branche hierzulande derzeit rund 900.000 Beschäftigte. Angesichts des anhaltenden Marktwachstums könnte sich diese Zahl zur Jahrtausendwende auf eine Million erhöht haben, so Berchtold, gäbe es nur genug qualifizierte Leute. Derzeit aber fehlen in Deutschland 75.000 IT-Spezialisten. Dabei werden laut BVB vor allem Vertriebsexperten, Consultants und Programmierer sowie Entwickler händeringend gesucht.

Allen Klagen zum Trotz müssen die ITK-Unternehmen allerdings auch eine Teilschuld bei sich selbst suchen. "Wie können wir heute ausreichend Leute haben, wenn wir jahrelang in Sachen Nachwuchs nichts getan haben", gab sich der Unternehmenslenker eines Softwareherstellers selbstkritisch. Und nach wie vor scheinen die ITK-Unternehmen eher auf Hilfe von außen zu warten, als von sich aus aktiv zu werden. Bei 59 Prozent der BVB-Mitglieder stagniert das Ausbildungsangebot. Und so appellierte Berchtold denn auch an die Industrie, verstärkt den Nachwuchs auszubilden. "Nur so können wir mittelfristig dem Personalnotstand entgegentreten."

Der BVB ist gerade mit gutem Beispiel vorangegangen. Zusammen mit den Fachhochschulen Darmstadt und Dieburg sowie dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst startete man in Dieburg am 1. September mit rund 30 Studenten den neuen Studiengang "Kooperativer Bachelor Studiengang Informatik" - ein in Anlehnung an die Berufakademien therorie- wie praxisorientiertes Studium.

Aber auch die Bundesregierung will Berchtold stärker in die Pflicht nehmen. Der BVB stellte jetzt die Forderung, einen "Koordinator für die Informationsgesellschaft" ins Kanzler- amt zu berufen. Noch steht eine Reaktion aus Berlin zu diesem Vorstoß aus. Immerhin ist Bundeskanzler Gerhard Schröder Schirmherr der im Sommer von Branchenverbänden, Unternehmen und der Bundesregierung ins Leben gerufenen "Initiative D 21", die für eine stärkere Akzeptanz von Computern und Internet unter anderem in der Wirtschaft, der Verwaltung und in Schulen sorgen will. Somit dürfte die Forderung bei ihm nicht auf taube Ohren stoßen. Ob sich Schröder indes darauf einläßt, eine solche Stelle mit einem Praktiker aus der Industrie zu besetzen - denn nur dies würde wirklich Sinn machen -, darf man mit Spannung abwarten. Ex-Compunet-Geschäftsführer Jost Stollmann machte bekanntlich der SPD-Klüngel den Garaus. (bk)

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