CA-World 2000: neue E-Business-Kleider des Software-Riesen

27.04.2000
Mit einer Springprozession von Produktvorstellungen und Darstellungen der Neuorganisation des Software-Riesen wurden rund 28.000 CA-World-Besucher eine Woche lang auf Trab gehalten. Ob sie allerdings der Company, die sich künftig als "E-Business-Solution"-Anbieter positioniert, in allem Glauben schenkten, muss bezweifelt werden.

Außerhalb der fensterlosen Rechenzentrumswelt ist Software-Riese CA eigenem Bekenntnis zufolge ein Niemand. Daran änderte auch das Engagement in Formel eins wenig - außer dass die "Kunden sehr positiv darauf reagieren, wie wir das enge Verhältnis von Erfolg und Technik demonstrieren", wog ein CA-Mitarbeiter in New Orleans ab.

Sich zum "Brand"-Unternehmen zu mausern, lautet aber die CA-Devise. Weshalb sich die Company in dieser Stadt auf der diesjährigen "CAWorld" mit rund 28.000 Besuchern die größte Anwenderkonferenz der Software-Zunft, endlich als neuer Fixstern im Internet-Himmel zu platzieren versuchte. Als wenig überraschende, jedoch gewiss Marketing-wirksame Zielkoordinate hatte sie "E-Business" gewählt. Dort, wo märchenhafte Gewinne auf Firmen warten, die den Handel von Firmen untereinander über elektronische Plattformen ermöglichen (Business-to-Business, B2B), wo das Geschäft mit Endverbrauchern (Business-to-Consumer, B2C) mittels sicherer Portal-Software für Ansehen und garantierte Kundennachfrage sorgen dürfte, rechnet sich CA sogar als E-Business-Sonne Chancen aus.

"Wir sind so weit, für alle E-Kommerz-Zwecke Lösungen anbieten zu können" - diese Formel begleitete folgerichtig jede der zahlreichen CA-Ankündigungen in diesen Tagen. CA-Gründer Charles Wang hatte ja bereits in seiner "Keynote", vor seltsamerweise in separaten Zuhörerblocks arrangierten Händlern, strategischen Partnern, Angestellten, Analysten/Journalisten und anderen Gruppen, ausgeführt, dass "CA alles bietet", was von einem E-Business-Komplettanbieter erwartet werden kann. Zwar kritisierte noch am selben Abend ein deutscher Partner, dass CA unmöglich diesem Anspruch gerecht werden könne, solange es ohne Hardware-Angebot agiere, weshalb er und andere "immer wieder bei Ausschreibungen ausgemistet werden" -, doch dies zu thematisieren, war kein CA-Oberer bereit. "Wir sind ein plattformneutraler Software-Anbieter", lautete stereotyp die diesbezügliche Aussage. Allerdings: Dass CA die Fühler nach Desktops ausstreckt, war im Ausstellerraum bei AMD zu sehen. Der Intel-Konkurrent zeigte eine Desktop-Version des CA-Flagschiffs "Unicenter" - ein "pädagogisches Werkzeug, um Anwendern zu zeigen, welche Prozesse sie fahren", kommentierte ein langjähriger Unicenter-Berater.

Im Zentrum steht die Datenbank Jasmine ii

Die schlechthin herausragende Rolle im Produktangebot wird die nach langen Entwicklungswehen auslieferungsfertige Datenbank Jasmine ii einnehmen. Benannt nach der jüngeren Tochter von Gründer Wang, soll sie als Komponenten-basiertes Entwicklungs- und Management-Werkzeug und Repository für E-Kommerz-Anwendungen eingesetzt werden. In der ii-Version stecken nun unter anderem Middleware wie ORB (Object Request Broker), ein Applikationsserver und Software, die XML unterstützt sowie COM- und Java-Objekte aus bestehenden Applikationen strickt. Den Beweis dafür tritt die "I-Application Suite" an, mit der ein Web-Laden eingerichtet werden kann. Schon im Sommer will CA erste Angebots-, Bestell- und Bezahlungsanwendungen auf Jasmine-Grundlage ausliefern. Weitere, wie zum Beispiel ein Abrechnungsmodul, sollen in kurzen Abständen folgen.

Jasmine, aber auch neue Visualisierungsmöglichkeiten und die hochgehandelten, in C++ geschriebenen neuronalen Agenten namens "Neugents" finden sich konsequenterweise in der Betaversion des mittlerweile rund 270 Module umfassenden System-Management-Kernprodukts "Unicenter TND" wieder. Auf der Grundlage von TND, so CA-CEO Sanjay Kumar, können Unternehmen eine komplette E-Commerce-Umgebung erstellen, sie administrieren und in bestehende Systeme integrieren. Unter Hinweis auf die Neugents-Fähigkeiten, nämlich Muster in Netzen bis zur Applikationsschicht zu erkennen, diese nach geraumer Lernzeit vorauszusagen und auch Handlungsvorschläge zu formulieren, und auf die eingebauten Sicherheitsmechanismen war er sich sicher, CA sei auf dem besten Weg zum "integrierten E-Business-Lösungsanbieter".

Die Kampfansage an Konkurrenten wie Oracle und IBM war deutlich und wurde auch von Partnern so verstanden: "Die Firma versucht, Produkte zu verdichten und als Suiten zusammenzustellen. Ihr Vorteil ist: Während andere immer weitere Schnittstellen ihrer Datenbank oder Software aufpfropfen, liegt den Suiten eine durchgängige, deshalb wirklich performante Architektur zugrunde", freut sich ein Consultant. Er verweist allerdings darauf, dass die eigentliche E-Kommerz-Aufgabe für die Amerikaner jetzt erst beginne. "Lösungen anzubieten, sagt sich leicht. In Wirklichkeit bietet CA immer komplexere Produkte an, die tief in Systeme eingreifen. Das klar und deutlich zu machen, ist die Aufgabe."

Neuorganisation ohne Geschäftsführer

Auch eines anderen Problems hat sich CA angenommen - indem es sich komplett neu organisierte. Drei Geschäftseinheiten gibt es jetzt und eine für alle Einheiten zuständige Customer-Relationsship-Management-Gruppe. Information-Management soll die E-Anwendungen verkaufen; Enterprise-Management steht für System-Software, Speicher- und Sicherheitssoftware. In der dritten Abteilung finden sich alle OS/390-Tools. Sie stehen für rund 43 Prozent des CA-Umsatzes.

Jeder eigenverantwortlich agierenden Abteilung sind Verkaufsservice und Finanzabteilungen zugeordnet; die jeweiligen Länderabteilungen sind direkt dem jeweiligen Business-Unit-Leiter gegenüber verantwortlich. Das hat zur unmittelbaren Folge, dass erstens die Funktion des Geschäftsführers entfällt und zweitens die rund 3.600 Mann starke Professional-Services-Gruppe in den drei Abteilungen untergebracht wurde. Die neu gebildete Customer-Relationsship-Management-Gruppe (CRM) aber soll "die erste Anlaufstelle für Kunden sein", wie die bisherige CA-Geschäftsführerin und jetzige CRM-Europaleiterin Elisabeth Dambock erklärt. In ihrer Abteilung finden sich auch die Themen "Qualitätsmanagement" und die Betreuung der "33 strategischen Kunden" (Dambock) wieder. "Der Rest wird von Partnern betreut", legt sich die Managerin fest.

Gemischte Reaktionen bei Partnern

Diese reagierten jedoch mit gemischten Gefühlen auf diese Umorganisation. "CA bündelt dadurch das Potential, das in den Produkten steckt. Für uns heißt das Spezialisierung und verstärkte Kompetenz", frohlockt der Leiter eines deutschen Systemhauses, der sich von den neuronalen Agenten und Jasmine "wirklich begeistert" zeigte. "Mal sehen, wann uns die Reorganisation erreicht", widerspricht ihm ein altgedienter CA-Händler. "Bisher war es so, dass Reorganisationen schon revidiert waren, bis sie uns erreichten. Wissen Sie übrigens, wofür CA steht? Für ,Change always’."

Ins selbe Horn bläst ein dritter Händler. Er erinnert daran, dass die Umstellung des Partnerprogramms im vergangenen Jahr "VAR" auf "VIP" für einen viermonatigen Kollaps der Partnerbetreuung gesorgt habe. "CA müsste die Software-Lizenzierung vereinfachen und via Internet ermöglichen", lautet sein konkreter Ratschlag. "Jetzt ist der dafür verwendete Konfigurator so kompliziert, dass ich ständig zwischen schnellem Fulfillment und der bürokratisch-pedantischen Zettelwirtschaft lavieren muss."

"Ich sehe die Entwicklung gelassen", erklärt dagegen Claus Michael Sattler. Der Vorsitzende der weltweit tätigen "Unicenter User Group" will nach "anfänglicher Wut und jetzt reiflicher Überlegung" vor allem das Positive der Reorganisation sehen: "CA zeigt Kunden und Partnern, dass sie entschlossen sind, in die richtige Richtung zu gehen." "Es war Zeit, dass CA die Motoren neu ölt", fasst ein Unicenter-Anwender nach seiner Präsentation zusammen. Auch wenn er bislang "bei CA eigentlich niemanden getroffen" habe, der "gesagt hätte, das finde ich gut". Denn nun sei "mal wieder monatelange Verunsicherung und Lähmung der Mitarbeiter" angesagt.

Das sieht CA selbstredend anders: "In der sich rasend schnell verändernden E-Business-Landschaft kommt es auf zweierlei an: Schnell und richtig handeln." Charles Wang erhielt für diesen Satz viel Beifall. Allerdings formulierte er ihn nur im Zusammenhang mit der E-Software. (wl)

www.cai.com

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