Camcorder speichert Filme "scheibchen"weise

16.08.2001
Von außen ist es ein typischer Camcorder. Im Inneren des "DZ-MV100" von Hitachi läuft jedoch statt eines Magnetbandes eine DVD-RAM-Silberscheibe mit acht Zentimetern Durchmesser. Bringt diese Videokamera tatsächlich den Durchbruch in der digitalen Aufzeichnung bewegter Bilder? ComputerPartner hat sie getestet.

Nach mehrjähriger Abstinenz kehrt Hitachi auf den Camcorder-Markt zurück. Und das mit Innovationen: Die digitale Videokamera DZ-MV100 soll die Zukunft des Camcorders markieren. Mit einem Einstandspreis von 5.000 Mark muss es Hitachis Kamera mit Digital-8- und Mini-DV-Camcordern aufnehmen, die derzeit 70 Prozent des deutschen Marktes besetzen. In der Tat liegt das handliche Gerät bei Größe und Farbgebung im Bereich der unter den DV-Modellen angesiedelten Digital-8-Camcordern. Betrachtet man die Mini-DV-Konkurrenz, fallen die fast 900 Gramm des DZ-MV100 dagegen schwer ins Gewicht. Trendige DV-Geräte bringen gerade die Hälfte auf die Waage.

Dennoch: Das Gerät liegt ausgewogen in der Hand, und ausgeschlafene Features unterstützen den Filmer im Alltag. Das Farbdisplay zeichnet mit 200.000 Pixeln ein scharfes Bild. Der Sucher, für Aufnahmen unter Sonnenlichteinstrahlung unverzichtbar, ist zwar auch scharf, aber leicht farbstichig. Die Knöpfe auf der Außenhaut findet die Führungshand intuitiv. Zooms lassen sich mit der kleinen Wippe weich anfahren und dosieren.

Weniger gelungen sind die manuellen Funktionen: Das Fokussierrad hat bis zum Schärfepunkt einen sehr langen Einstellweg. Schärfeverlagerungen bei eingeschalteter Kamera sind nicht ratsam. Die manuelle Blende arbeitet nur in Stufen und deckt einen geringen Bereich ab. Der Weißabgleich kann nicht manuell eingestellt, sondern lediglich auf einem bestehenden Wert eingefroren werden.

Qualität für Bild und Ton

Als Speichermedium dient eine DVD-RAM, die beidseitig bespielbar ist und pro Seite einen 30-minütigen Mpeg-2-Datenstrom in DVD-Heimkino-Qualität aufnimmt. Die Datenströme sind prinzipiell identisch mit denen käuflicher DVD-Spielfilme. Auch die Datentransferrate von 6 Mbit/s (Feinmodus) ähnelt der von DVD-Playern. Die Testaufnahmen zeigten jedoch, dass das Realtime-Encoding der Kamera, also die Datenwandlung in Echtzeit, qualitativ noch nicht an die von Homeplayern gewohnte Qualität heranreicht. Es waren stets sich bewegende Objekte, die ihre grundsätzlich als gut einzustufende Schärfe durch den Encoding-Prozess einbüßten. Die resultierende Qualität liegt zwischen VHS- und S-VHS-Niveau. Grundsätzlich ist die Qualität nicht schlecht, liegt insgesamt aber deutlich unter der von Mini-DVs.

Ruhige Motive hingegen stellt der DZ-MV100 kontrastreich und detailgetreu dar. Damit können sich die Standbilder, die mit einer Million Pixel auf die Scheibe gespeichert werden, durchaus mit denen von digitalen Fotoapparaten vergleichbarer Auflösung messen. Zum Knipsen steht ein eingebauter Blitz zur Verfügung. Auffällig ist auch, dass das Gerät zwar nur von durchschnittlicher Lichtstärke ist, bei einsetzender Dunkelheit aber weniger Rauschen als viele Konkurrenten zeigt. Die Befürchtung, Wackeln könnte den Aufzeichnungslaser aus der Spur bringen, erweist sich in der Praxis als unbegründet. Im Gegenteil: Die Laufwerksmechanik erscheint robust und arbeitete im Test sehr zuverlässig.

Die Sprachverständlichkeit des eingebauten Mikrofons ist außerordentlich gut. Auch der Stereoklangraum wird gut wiedergegeben. Schlecht: Das Starten des Laufwerks ist vor allem in geschlossenen Räumen deutlich zu hören. Der dicke 1600-mAh-Akku schafft es, die Scheibe voll zu spielen. 70 Minuten hielt er im Feinmodus durch - im Standardmodus wesentlich länger, da der stromfressende Laser dann nicht so viele Daten auf die Scheibe brennen muss.

Schnitt-Camcorder

Bandspulen ade - Hitachi zeigt erstmals, wie praktisch Filmen und vor allem das Arbeiten mit dem gefilmten Material sein kann. Ein Druck auf die beleuchtete Taste namens "Disc Navigation", und binnen vier Sekunden erscheint ein Storyboard aus kleinen Indexbildern auf dem 3,5 Zoll großen Display. Jedes Bild steht für eine Aufnahme. Per Rändelrad auf der Gehäuserückseite oder einem großen Cursor-Steuerknopf wählt der Anwender ein Bildchen - und auf Knopfdruck wird die entsprechende Szene abgespielt. Wer nicht mehr weiß, was sich hinter einem Index-Bildchen verbirgt, setzt die Scan-Funktion ein. Ein langer Druck auf die Skip-Taste genügt, und das Gerät gibt die Szenenanfänge automatisch hintereinander wieder.

Doch das ist nicht alles: Die Szenenreihenfolge kann sehr einfach geändert und als Abspielliste abgespeichert werden. In einer solchen Liste sammeln sich individuell ausgewählte Szenen. Leider ist das Einfügen ganzer Szenenblöcke nicht möglich. Dies hätte jedoch die Bearbeitung deutlich beschleunigt. Playlisten können zur besseren Unterscheidung neu betitelt werden. So entsteht in Rekordzeit ein auf den Zuschauer individuell zugeschnittenes Programm.

Bearbeiten am PC

Damit der Anwender auf die Daten der DVD-RAM-Scheibe zugreifen kann, muss er einen UDF-Treiber installieren. Wer kein DVD-RAM-Laufwerk sein Eigen nennt, kann für die Verständigung mit dem Computer auf ein USB-Kabel zurückgreifen. Dann meldet sich die Kamera wie ein CD-Laufwerk im Explorer. Sofort waren auch in einem der drei Verzeichnisse, die dieses Laufwerk enthielt, sämtliche Fotos zu finden. Doch die Videoszenen fehlten. Eine Datei namens "VR_movie.vro" ließ sich durch Anklicken nicht zum Abspielen bewegen - obwohl sie laut kurzer und schlechter Anleitung dafür vorgesehen war. Erst als sie in eine MPG-Datei umbenannt wurde, wendete sich das Blatt. Der Windows Media Player 7 spielte immerhin die ersten sechs Sekunden der ersten Szene ab.

Den Rest bekommt aber nur zu sehen, wer den mitgelieferten Software-DVD-Player namens "Power DVD" von Cyberlink installiert. Und jetzt die Überraschung: Dieser Player greift auch auf die VRO-Dateien direkt von der Kamera zu. Die staunenden Tester sahen erstmals direkt über USB gestreamtes Videomaterial Format füllend in hoher Qualität auf dem Rechner. Dass diese Art der Übertragung an die Leistungsgrenzen des Systems geht, war daran zu merken, dass die ers-te Sekunde Video zögerlich von der Mini-DVD kam und auch während des Abspielens des Öfteren Bildruckler auftraten. Spielte man dagegen die in den PC kopierte MPG-Datei ab, lief die immerhin 15 Minuten lange Testvorführung fehlerfrei ab. (jos)

<b>Kurzgefasst</b>

Preislich konkurrenzfähig zu bandgestützten Camcordern ist die auf DVD-RAM-Scheiben speichernde digitale Videokamera DZ-MV 100 von Hitachi noch nicht. Auch in der Bildqualität hält sie (noch) nicht ganz mit. Das Gerät ist aber ideal, wenn es auf schnelle Präsentation und nicht auf ausgefeilten Schnitt ankommt. Freude bereiten das anwenderfreundliche Bearbeiten des gefilmten Materials und die Mikrofonleistung. Dagegen sind die manuellen Einstellungen zu statisch, und auch das Handbuch lässt manche Wünsche offen. Aus diesen Gründen gibt es im ComputerPartner-Test die Note Drei.

Anbieter:

Hitachi Sales Europe GmbH

Am Seestern 18

40547 Düsseldorf

Tel.: 02 11/5 29 15-0

Fax: 02 11/5 29 15-90

www.hitachi-eu.com

Preis:

5.000 Mark

DVD-RAM-Medium: 70 Mark

(empfohlene Verkaufspreise)

Wertung:

Gerät: 2

Handbuch: 3-4

Lieferumfang: 3

Ease-of-Use: 2

Händler-Support: 2-3

CP-Tipp: 3

(Bewertung nach Schulnoten)

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