"CE hat nicht auf uns gewartet"

18.11.2004
Thomas C. Weissmann ist Chairman und CEO der Schweizer Also Holding AG. ComputerPartner- Redakteurin Beate Wöhe sprach mit dem Firmenchef über die Also-Gruppe, seine Gedanken zur IT/CE-Konvergenz und über die European Wholesale Group (EWG).

Also hat Ende vergangenen Jahres die SMB-Kampagne gestartet. Wie läuft es?

Weissmann Gut. Es war der richtige Schritt und wir sind überzeugt davon, dass wir auf diesem Weg weiter wachsen können. Es ist einfach zu wachsen, indem ich mir einen großen Corporate Reseller hole. Das ist oft eine reine Preisfrage, aber kein nachhaltiges Geschäft. Hingegen gibt es eine große Zahl von Händlern die froh sind, wenn jemand kommt, der etwas anbietet, das vielleicht nicht jeder kann.

Wie verteilen sich bei der Also derzeit die verschiedenen Kundengruppen?

Weissmann Wir sind eigentlich zurückhaltend mit Angaben über unsere Kundenstruktur. Ich kann aber sagen, dass wir in Deutschland unsere Umsätze hauptsächlich mit Systemhäusern, mit kleineren und mittleren Fachhändlern, einigen Corporate-Resellern und etwas Retail machen.

Warum hat sich die Also Deutschland aus dem Retail zurückgezogen?

Weissmann Wir haben uns nicht strategisch aus dem Retail zurückgezogen, sondern den Kundenmix verändert. Im Retail haben wir bewusst den Anteil zurückgefahren, weil wir dort Geschäft ausgesondert haben, das aus Profitabilitätsgründen oder von der Kapitalbindung her keinen Sinn gemacht hätte. Wir haben zwar die Zahlen nicht gesondert ausgewiesen, aber wir sind im ersten Halbjahr in der Distribution Schweiz und Deutschland zusammen etwa 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr gewachsen. Auch in Deutschland sind wir über zehn Prozent gewachsen. Dahinter verbirgt sich ein bewusstes Verändern der Kundenstrukturen. Das heißt, wir sind im Geschäft mit Systemhäusern und kleineren und mittleren Fachhändlern wesentlich stärker gewachsen.

Wie haben die Retailer darauf reagiert?

Weissmann Wenn ein Kunde nicht versteht, dass wir Geld verdienen müssen, dann tut es mir leid und ich kann ihn nicht bedienen. Es ist nicht meine Aufgabe als Unternehmer, seinen Aktienkurs zu unterstützen.

Also hat im vergangenen Jahr einige Umstrukturierungen vorgenommen, unter anderem endlich den Verkauf des Schweizer Systemhausgeschäftes an die Bechtle AG. Ist die Aufstellung der Gruppe jetzt abgeschlossen?

Weissmann Restrukturiert haben wir nur im Corporate-Reseller-Geschäft. Für uns war es gut, weil wir wissen, das Systemhaus mit rund 400 Mitarbeitern ist unter einer Führung, die etwas von dem Geschäft versteht. Wenn ich ganz ehrlich bin, war unser Fokus und unser Know-how immer mehr auf der Distributionsseite als auf der Corporate-Reseller-Seite. Heute können wir in der Distribution ganz anders vorwärtskommen, als wir das vorher gekonnt hätten, weil das Corporate-Reseller-Geschäft auch sehr viel Aufwand und Kraft gekostet hat.

Hat die Also europäische Expansionspläne?

Weissmann Aus unserer Sicht ist die Internationalisierung ein strategisches Element. Das war es und wird es auch bleiben. Im Moment ist unser Fokus der Ausbau der Distribution in Deutschland. Wir prüfen, wenn sich Möglichkeiten ergeben, aber wir haben eigentlich gewisse Elemente unserer Internationalisierungsabsicht über die EWG-Allianz (Anmerkung d. Redaktion: European Wholesale Group) abgedeckt. Wir sind nicht mehr in der gleichen Situation wie vor zwei Jahren, als wir die Allianz nicht hatten.

Wird nach dem Ausscheiden von Westcoast aus der EWG im Oktober 2003 wieder ein Distributor aus UK nachrücken?

Weissmann Als Joe Hemani, der Eigentümer von Westcoast, ein Jahr nach Gründung der EWG kam und sagte, dass er austreten würde, saßen wir alle völlig geschockt da und haben uns eingeschlossen, bis sprichwörtlich weißer oder schwarzer Rauch aufstieg. Wir haben gesagt: Wenn wir da rausgehen, gibt es die EWG entweder nicht mehr oder es gibt sie in einer Form, von der wir glauben, dass sie nachhaltig ist.

England und Frankreich sind in der EWG immer noch verwaist. Geografische Abdeckung ist ein Nutzen, aber den stiften heute bereits mindestens drei andere Distributoren. Das EWG-Konzept zielt aber darauf ab, den effizientesten Verbund zu haben. Wenn ich heute noch jemanden dazunehme, dann muss er etwas beitragen, das noch keiner von uns hat und unsere Performance erhöhen. Das Ziel ist, dass wir voneinander lernen wollen. Jeder von uns kann auf einem Gebiet etwas besonders gut.

Was kann die Also besonders gut?

Weissmann Wir haben festgestellt, dass wir sehr weit im Null-Fehler-Prinzip sind. Unser Prozessdenken ist sehr ausgeprägt.

Und was lernen Sie noch von anderen EWG-Partnern?

Weissmann Der finnische Partner GNT Group beispielsweise ist extrem kompetent in der Kleinteilelogistik. Wir haben in der Schweiz mit Supplies begonnen und haben uns mit seinen Logistikern zusammengesetzt. Dadurch haben wir uns bei der Planung eine Menge Zeit und Arbeit gespart.

Wie ist Ihre Marktprognose für das vierte Quartal 2004?

Weissmann Im vergangenen Jahr war das vierte Quartal nach meinem Verständnis absolut phänomenal - gigantisch! Das führt dazu, dass ich vielleicht im Gegensatz zu vielen anderen Marktteilnehmern, sehr vorsichtig bin. Ich wäre nicht überrascht, wenn die Stückzahlen nur knapp oder vielleicht nicht einmal das Niveau des vierten Vorjahresquartals erreichen würden.

Viele Unternehmen mussten und müssen jedoch in diesem Jahr wieder finanzieren.

Weissmann Das ist richtig. Die Firmen haben einen gewissen Druck. Die Frage ist nur: Können sie die Investitionen doch noch ein bisschen schieben? Dennoch hatte mir ein Hersteller vor einigen Tagen erzählt, wie toll der Markt im vierten Quartal sein soll. Ich dachte, ich sei im falschen Film oder lese die falschen Zeitungen.

Das heißt, manche Hersteller versuchen positive Stimmung zu verbreiten, wo es keine gibt?

Weissmann Das machen die Politiker auch - es nützt aber nichts. Die Realität richtet sich nicht nach unseren Wünschen.

Wie sehen Sie den Preisverfall in den einzelnen Bereichen - wo muss der Fachhandel kämpfen?

Weissmann Ich könnte sagen, er muss überall kämpfen. Aber Spaß bei Seite. Der Preisverfall hat sich sicher verlangsamt bei Desktops er ist aber weiterhin ziemlich ausgeprägt bei Notebooks und Servern. Auch die TFT-Bildschirme werden einem starken Preisverfall unterliegen.

Was bedeutet für die Also das Thema IT/CE-Konvergenz?

Weissmann Wir haben schon vor zehn Jahren gesagt, dass das ein Thema ist. Man muss jedoch beachten, dass die gesamte Consumer-Electronics-Branche ihre eigenen Gesetze und Margen hat. Die haben nicht auf uns gewartet. Wir glauben zwar, dass es insgesamt eine Markterweiterung geben wird. Die Konvergenz sehe ich aber eher darin, dass die Märkte verschmelzen.

Was genau wird verschmelzen?

Weissmann In der IT reden wir davon, Informationen umzuwandeln. Wenn das Gerät zu komplex ist, ist es zu teuer. CE-Geräte wie der Haartrockner und das Bügeleisen leben beispielsweise davon, dass sie nur einen Schalter haben und leicht zu bedienen sind. Und weil sie nur auf eine einzelne Anwendung fokussiert sind, kosten sie praktisch nichts. Ich glaube eher an eine Welt der zunehmenden Differenzierung und der zunehmenden Vielfalt. Die Konvergenz wird auf der Ebene ablaufen, dass Dinge möglich sind, die früher nicht möglich waren. Der große Kuchen, mit dem sich Händler und Endkunden auseinander setzen müssen wird noch größer, noch vielfältiger. Umso mehr muss man noch gezielter analysieren, wo man sich darin bewegen will.

Und wer soll diese Geräte verkaufen?

Weissmann Ehrlich gesagt, bin ich mir nicht sicher. Heute gibt es einen IT-Kanal und einen CE-Kanal. Jeder, der auf dieser Ebene tätig ist, muss sich zwei Fragen stellen: Welche Kunden will ich haben? Und welche Produkte will dieser Kunde von mir haben? Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass viele IT-Händler ihren Kunden auch CE verkaufen werden. Ich kann mir auch vorstellen, dass es eine Reihe von CE-Händlern geben wird, die einen bestimmten Kundenkreis auch mit IT-Produkten bedienen werden. Aber ich glaube nicht, dass der CE-Händler morgen hingeht und sagt: Ich will jetzt die Deutsche Bank als Kunden haben. Die Vielfalt der Händlerlandschaft wird auf jeden Fall größer werden und die Grenzen werden sich verwischen. Es wird Mischformen geben.

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