Cebit 2002: Eine Messe ohne Visionen

21.03.2002
"Hoffen und durchhalten" lautete die Parole der Aussteller auf der Cebit 2002: Der erwartete Besucheransturm blieb aus, der Messe fehlte es zudem an spektakulären Themen und innovativen Produkten. Ein Stimmungsbericht über die erste Cebit ohne Visionen.

In diesem Jahr war alles anders in Hannover: Die sonst zur Cebit üblichen Staus auf dem Messeschnellweg blieben weit gehend aus, weder fehlten Taxen, noch waren Sitzplätze in den Trambahnen Mangelware. Leider blieb auch der traditionelle Besucheransturm in den ersten Tagen aus - die gute Stimmung war dahin. Zwar gaben sich mit Prinz Andrew, Steve Balmer und zahl-reichen Politikern wieder ein paar Promis die Ehre, doch den "Aufbruch", den Kanzler Schröder bereits am Cebit-Eröffnungstag zu spüren glaubte, hat sonst keiner mitbekommen. Die Zeichen der Cebit 2002 standen auf Stillstand.

Die Verlängerung der Messe war ein Flop

In der CAD-Halle 11 sei am Mittwoch und Donnerstag so wenig los gewesen, dass man hätte "Rollschuh laufen" können, so ein Aussteller. Ein Publikumsmagnet seien auch immer die Stände mit den TFT-Monitoren gewesen, so ein anderer Standbetreiber: "Da haben sich in den letzten Jahre die Leute gegenseitig zertreten, heuer hätte man dort locker Tango tanzen können." Entsprechend lange Gesichter gab es bei den Monitorherstellern: Sie schoben den Besuchereinbruch vor allem auf ihre Verlegung von Halle 12 in Halle 21: "Halle 21 ist nicht der Hit - zu abgelegen", sagte Scott-Chef Wolfgang Zulauf. Und auch Lutz Müller, Geschäftsführer der Iiyama GmbH, blies ins gleiche Horn: "Die Halle ist zu abgelegen. Besucher kommen nur, wenn sie hier Termine haben." Laufkundschaft wie früher habe es in diesem Jahr nicht gegeben. Die freien Flächen - bedingt durch Absagen von Herstellern wie ADI und NEC-Mitsubishi - drückten ebenfalls auf das Gemüt der Aussteller.

Kritik an der Messeleitung wurde laut: "Der eine Tag mehr war ein Flop", so Samsung-IT-Chef Olaf Lietzau. Er stand mit dieser Meinung nicht alleine da: Die Verlängerung widerspreche dem Trend, meinte so mancher, schließlich liege - mitten in der IT-Krise - damit das Alltagsgeschäft der Hersteller für über zehn Tage brach. "Die Geschäfte werden doch nicht auf der Cebit, sondern erst danach abgeschlossen. In Hannover läuft nur Shakehands", so ein Unternehmer. Zudem habe die Messeleitung beim Marketing versagt: "Dass die Cebit bereits am Mittwoch angefangen hat, wussten viele Besucher überhaupt nicht."

Zwar wurde die Stimmung im Laufe der Woche besser, doch vor allem für die kleinen Firmen wurde die diesjährige Cebit zum absoluten Reinfall: Die Mitarbeiter blickten irritiert in die leeren Gänge - auf der Suche nach Interessenten. Regelrechte Untergangsstimmung herrschte bei den Ausstellern im "Reseller-Park" in der Halle 25. Der Grund: Viel zu wenige Händler kamen auf den Stand. "Wir haben mit 10.000 Euro zwar nicht viel für unsere Präsenz bezahlt, wenn aber kaum jemand kommt, ist auch dieser Betrag zu hoch", ärgerte sich ein Aussteller. Auf Drängen der Kunden hatte die Messe AG den Zugang zum "Reseller-Park" bereits am zweiten Tag für die Allgemeinheit freigegeben. Dennoch drängten keine Besucherströme hinein. Dafür sorgten die Form der geschlossenen Wagenburg sowie die "Türsteher" an den Eingängen.

"Die Zielgruppe wird immer diffuser", fasst Hans-Joachim Reck, Vertriebsleiter bei Kabelanbieter Dätwyler GmbH, seine Cebit-Erfahrungen der letzten Jahre zusammen. Altkunden machten seiner Meinung nach rund 80 Prozent seiner Besucher aus. Er schließt: "Aus geschäftlicher Sicht könnte man auf die Cebit verzichten."

Besucherzahlen: Vorjahresniveau knapp gehalten

Eberhard Roloff, Sprecher der Deutschen Messe AG, hat auch schon bessere Tage erlebt: "Der Hype ist ein bisschen raus", gibt er zu. Wie es sich für einen Marketingprofi gehört, sieht er die Sache aber positiv: "Die Cebit ist endgültig in der Realität der normalen Geschäftswelt angekommen. Sie ist stärker denn je eine Industriemesse", so Roloff. 350.000 Besucher habe die Messe bis zur Halbzeit angelockt, meldete die AG am Sonntag erfreut, man habe damit das Vorjahresniveau knapp gehalten. Allerdings dauert die Cebit in diesem Jahr einen Tag länger, womit der Tagesdurchschnitt letztendlich doch deutlich unter Vorjahresniveau liegen dürfte.

Die meisten Besucher tummelten sich traditionsgemäß wieder bei den TK-Anbietern, die Hallen 12, 26 und 27 waren schon am ersten Messetag gut besucht. "Das Areal von D2 glich eher einem Rummelplatz denn einer Messe", so ein Beobachter. Auch Nokia konnte sich nicht über Besuchermangel beklagen - im Gegenteil: "Wir haben dieses Jahr Dinge wie den Nokia Club außerhalb des Standes angesiedelt. Das ist angenehm, denn dort wird am Wochenende die Post abgehen", so Birgit Opladen, Sprecherin des TK-Riesen. Ähnlich erging es Branchengrößen wie Microsoft und Sony; voll wie eh und je war auch der IBM-Stand. Aber auch Aussteller, die keinen Massenandrang zu verbuchen hatten, entdeckten positive Aspekte: "Der Hype ist vorbei, dafür ist die Qualität der Gespräche deutlich höher als früher", hieß es nicht nur beim Anti-Viren-Spezialisten Symantec. "Die Firmen kommen mit konkreten Problemen und suchen Lösungen. Das war sonst seltener." Das bestätigt auch Pino von Kienlin, Geschäftsführer von Sophos. "Wir haben sehr gute Gespräche geführt und auch schon einige Geschäfte abgeschlossen." Auch Jürgen Richter, Geschäftsführer der BMC Software GmbH, kommt mit weniger Cebit-Besuchern gut zurecht. "Ich stelle eine bessere Kundenansprache fest. Das Laufpublikum fällt weg", sagt er, wobei anzumerken ist, dass die Netzmanagement-Produkte von BMC noch nie ein wirklicher Publikumsmagnet waren. Doch wenn Richter dieses Jahr auf seinen gut besuchten Stand blickt, weiß er: "Es kommen nur die, die wirklich Geschäfte machen wollen." Für Hans Huber, Geschäftsführer Lucent Deutschland, hat sich das Besucherprofil geändert: "Das Publikum ist da, aber es sucht gezielter nach Hallen als bisher." Einen ähnlichen Eindruck hat Cornelia Bröckel, Territory-Manager bei Netzwerker SMC: "Es ist verhältnismäßig ruhig", stellt sie fest, dennoch sei die Cebit nach wie vor ein Muss für die Branche. "Hier erreicht man alle." Regelrecht begeistert zeigte man sich bei AVM: "Die Cebit läuft für uns total gut. Unser Standort in Halle 13 ist genial, weil dort die Leute von der Bahn kommen und sofort am AVM-Stand kleben bleiben", so Sprecher Urban Bastert.

Traurige Bilanz in Halle 10: Flaute an der Jobbörse

Voll erwischt hat die Krise dagegen die Halle 10: Auf dem Jobmarkt der größten Messe der Welt gab es in diesem Jahr noch verdächtig viel Platz. Wo sich bisher zehn Aussteller aneinander drängten, teilen sich diesmal nur sechs die Fläche. Die Anzahl der Bewerberjäger ist von rund 150 auf etwa 90 gesunken, die Zahl der Angebote fiel unter das Niveau von 1997 (ComputerPartner-Online berichtete). Wer im Vorjahr noch eine Jobbörse oder einen eigenen Stand in der Jobmarkt-Halle 10 hatte, verzichtet diesmal auf den Bewerberfang oder versuchte, das Thema am eigenen Stand abzuhandeln. Die Cebit 2002 war eine Messe der gemischten Gefühle: Während die Taxifahrer sich über Umsatzeinbußen von mehr als 30 Prozent beklagten, freute sich so mancher über den neuen Freiraum. So ist die Unterbringung in Privatwohnungen passé: "Ich fahre seit 13 Jahren auf die Cebit" so Roland Apelt, Distributionschef bei der COS AG, "aber in diesem Jahr habe ich das erste Mal in einem Hotelbett geschlafen." (mf)

www.cebit.de

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