T-Systems-Chef Adel Al-Saleh im Interview

CEO Al-Saleh erklärt die neue T-Systems-Strategie

Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

Wachstumsstar Public Cloud

Im Segment Digital Solutions wäre ein Wachstum von sieben bis zehn Prozent realisierbar, wenn wir nicht ein Ressourcenproblem hätten. Auf dem Arbeitsmarkt gibt es nicht genügend Fachkräfte, die über Digitalisierungs-Know-how verfügen, um den Kunden bei ihren Transformationsprojekten zu helfen.

Wachstumsstar ist momentan unser Public Cloud Business mit rund 30 Prozent. Mittelfristig rechne ich mit 20 bis 30 Prozent. Ich erinnere nochmals an die Open Telekom Cloud mit über 1000 Kunden und jede Woche kommen etwa 15 neue dazu. Zudem skaliert das Business rund um unsere Managed Cloud Services und erhält viel Aufmerksamkeit.

Und schließlich unser SAP-Geschäft, das ich bereits angesprochen habe. Das sind meine Erwartungen hinsichtlich der verschiedenen Portfolios, die wir als Wachstumsfelder identifiziert haben.

Und was steuern Sie unter dem Strich zur Konzernbilanz der Deutschen Telekom bei?

Noch muss man in der Telekom-Zentrale auf einen positiven Ergebnisbeitrag seitens T-Systems warten.
Noch muss man in der Telekom-Zentrale auf einen positiven Ergebnisbeitrag seitens T-Systems warten.
Foto: Deutsche Telekom

Al-Saleh: Bitte bedenken Sie, wir stecken noch am Anfang der Transformation. So befinden sich einige der Portfoliofelder in einer frühen Phase des Designs. Wir sind noch dabei, diese Strategien zu finalisieren, und verhandeln mit den Betriebsräten, damit wir auch formell diese Bereiche etablieren können. Derzeit läuft das alles eher im Projektstadium. Deshalb wäre es unfair, den Erfolg des Programms schon jetzt an unseren Halbjahreszahlen zu messen, die das Ergebnis der Vergangenheit widerspiegeln.

Generell kann ich sagen, dass wir als T-Systems im nächsten Jahr im Vergleich zu heute irgendwo zwischen minus zwei Prozent und plus ein Prozent liegen wollen. Für die zweite Hälfte 2019 und 2020 erwarten wir ein Wachstum zwischen ein und drei Prozent. Dann wollen wir die Aufbauphase einiger der genannten Wachstumsbereiche bewältigt haben. Gleichzeitig dürfte sich bis dahin der Gegenwind aus unserem klassischen IT-Business abgeschwächt haben.

Wir wollen ein stabiles Gesamtpaket sehen, das in Summe zwischen null und zwei Prozent wächst. In späteren Jahren werden wir dann kräftiger wachsen, wenn der Anteil der Wachstumsfelder am Business wächst.

Neue Business-Unit Digital Solutions

Sie nannten vorher Digital Solutions als Wachstumsfeld. Was verstehen Sie darunter?

Al-Saleh: Im Bereich Digital Solutions entwickeln wir beispielsweise Lösungen für Probleme, bei denen die Kunden der Schuh drückt. Ein Beispiel ist etwa ein Beratungsgeschäft, um Unternehmen in der Transformation vom bisherigen Modus Operandi der Unternehmensführung hin zur Digitalisierung zu unterstützen. Mit Detecon haben wir eine Tochter, die einen Teil dieser Arbeit ausführt. Dabei geht es um die Digitalisierung der Prozesse. Unsere Experten helfen den Kunden dabei, neue Tools, neue Technologien wie AI, Robotic Process Automation etc. zu installieren, kurz, ihre Prozesse zu digitalisieren.

Mit Bezug auf die Digitalisierung sprachen Sie davon, dass auf dem Arbeitsmarkt die Experten fehlen, die Sie suchen. Gleichzeitig ist zu lesen, dass bei T-Systems 10.000 Stellen gestrichen werden sollen. Warum schulen Sie diese Mitarbeiter nicht um?

Einschnitte beim Personal

Al-Saleh: Wir schauen immer zuerst, ob wir unsere Mitarbeiter nicht an anderer Stelle einsetzen können. Und wir investieren stark in das Thema Weiterbildung. Über unseren internen Social Media Blog fordern wir die Mitarbeiter auf, sich auf die offenen Stellen, die wir bei IoT, Security oder Public Cloud haben, zu bewerben. Damit fangen wir immer an.

Allerdings stehen wir vor der Herausforderung, dass wir im Unternehmen einen großen Overhead haben - etwa im Management und in Dienstleistungsbereichen wie Finanz und Personal. Viele dieser Mitarbeiter haben leider nicht das erforderliche Wissen für die Stellen, über die wir reden. Viele von ihnen verstehen IT-Systeme nicht, können nicht programmieren und wurden nie dafür trainiert, ein solches System zu betreuen.

Etwa ein Drittel der Mitarbeiter, die gehen müssen, werden aus diesen Bereichen stammen. Zudem gibt es Beschäftigte, die sich nicht ändern wollen. Sie fühlen sich in den Bereichen wohl, in denen sie 20 bis 25 Jahre verbracht haben. Das ist in Ordnung, für diese Mitarbeiter versuchen wir, Möglichkeiten außerhalb von T-Systems zu finden.

Letztlich brauchen wir nicht die Menge an Mitarbeitern, die wir zurzeit beschäftigen. Ja, es gibt interne Möglichkeiten, ja wir investieren - aber es wird Stellenstreichungen geben, denn wir haben Bereiche, aus denen wird kein Wachstumsfeld. Aber diese Mitarbeiter und ihr Know-how können durchaus für andere Unternehmen wertvoll sein.

Von über 200 zu 25 Standorten

Die Frankfurter T-Systems-Zentrale dürfte wohl Bestand haben. Ingesamt will T-Systems über 200 Standorte schließen.
Die Frankfurter T-Systems-Zentrale dürfte wohl Bestand haben. Ingesamt will T-Systems über 200 Standorte schließen.
Foto: Deutsche Telekom

Parallel zu den Spekulationen über Entlassungen heißt es, dass Sie die Zahl der Niederlassungen in Deutschland auf 20 zusammenstreichen wollen? Kundenähe war doch immer ein Trumpf von T-Systems?

Al-Saleh: Heute arbeiten 90 Prozent unserer Mitarbeiter an 22 Standorten, aber insgesamt haben wir rund 230 Bürostandorte in über 100 Städten. Das ist nicht effizient. Blicken Sie auf die Wettbewerber, niemand unterhält mehr als fünf bis zehn Niederlassungen hierzulande. Wir werden auch mit der neuen Struktur nahe am Kunden sein.

Wir organisieren Kundennähe jetzt nur anders, effizienter. Deshalb haben wir mit den Betriebsräten gerade auf die neue Standortstruktur geeinigt. Wir werden in 25 Städten vertreten sein. Dabei spielen Größe, Infrastruktur und Nähe zum Kunden beziehungsweise zu Partnern eine Rolle. Das werden wir uns mit den Sozialpartnern im Einzelnen noch genau anschauen und dann die Namen der Städte bekannt geben.

In der jetzigen Struktur lassen sich Kollaboration und Agilität nur schwer verwirklichen. Natürlich können Sie Technologien wie Collaboration-Tools, TelePresence, WebEx etc. nutzen. Doch es gibt nichts Besseres als ein Team in einem Raum - besonders wenn es an komplexen, schwierigen Projekten arbeitet. Ich bin ein großer Verfechter davon, dass wir nahe am Kunden, agil sein müssen, die Zusammenarbeit von unseren Teams verbessen und diese enger zusammenbringen müssen. Dafür reichen aber die jetzt vereinbarten 25 Städte im Gegensatz zu heute über 100.

Wissen Sie bereits, wo diese Standorte sein werden und nach welchen Kriterien entscheiden Sie, welche Niederlassungen dicht gemacht werden?

Al-Saleh: Wir haben eine gute Idee, wo unsere Standorte sein sollten. Wir haben die großen Niederlassungen mit über 1500 Mitarbeitern und wir haben die kleinen Standorte, die wichtig für unsere Kunden- oder Partnerbeziehungen sind. Wir wissen allerdings auch, welche Standorte ineffizient sind. Deshalb führen wir über den Rahmen intensive Gespräche mit dem Betriebsrat. Wir haben Vorstellungen, aber eine endgültige Entscheidung zur Standortstruktur werden wir erst nach den Verhandlungen mit dem Betriebsrat verkünden, das braucht noch Zeit.

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