CEO Burney: "Alles geplant - im nächsten Jahr wieder profitabel"

25.07.2002
Im vergangenen Jahr konnte der kanadische Hersteller von Grafiksoftware Corel mit drei positiven Quartalen überraschen. Seit diesem Jahr allerdings schrumpfen Umsatz, Profit und Barbestand stetig. "Alles geplant", wie Corel CEO Derek Burney versichert.

Im Jahr 2000 sah es ganz danach aus, als stünde Corel kurz vor dem Absturz. Eine Finanzspritze von Microsoft und der rigorose Sparkurs des neuen Bosses Derek Burney wendeten das Blatt, und Corel verdiente im Jahr darauf wieder Geld - zumindest in drei Quartalen. Zu schwarzen Zahlen in der Jahresbilanz reichte es zwar nicht ganz, aber Burney hatte den Nettoverlust immerhin von 55,3 Millionen Dollar auf 7,3 Millionen Dollar herunterschrauben können.

Seit diesem Jahr allerdings scheint die Tendenz wieder nach unten zu zeigen. Bei gleich bleibendem Umsatz von etwa 30 Millionen Dollar pro Quartal meldete Corel im ersten Quartal 3,1 und im zweiten Quartal 6,3 Millionen Dollar Nettoverlust. Derek Burney, Präsident und CEO von Corel, lässt sich dadurch allerdings nicht aus der Ruhe bringen. "Das ist quasi ,loss by Design’. Wir haben das so geplant", erklärte er gegenüber ComputerPartner. "Es war klar, dass das Jahr 2002 unter dem Zeichen der Investitionen steht. Wir haben schon im Oktober gesagt, dass das Jahr nicht profitabel sein kann." Man habe einen Verlust von insgesamt 30 Millionen Dollar eingeplant. "So betrachtet, sind die Ergebnisse gut, denn bislang haben wir weniger verloren als geplant", ergänzt er. Gewinne erwartet er erst im nächsten Jahr wieder - allerdings ist noch nicht ganz sicher, wann. Massives Wachstum soll aber schon im vierten Quartal (September bis November) wieder einsetzen. Dann sollen zumindest die Umsätze um 15 bis 20 Prozent ansteigen.

Deepwhite - keine eigene Marke, nur eine Initiative

Im Moment befinden sich die Kanadier im zweiten Schritt des groß angekündigten Drei-Phasen-Plans. Im ersten Schritt wurden die Kosten reduziert. Nun heißt es, neue Technologien zu entwickeln. Burney setzt auf die so genannten "Smart Grafiken". Das sind Grafiken, die "mit dem Kunden interagieren". Anvisiert wird damit vor allem der Enterprise-Markt. "All die Einzelstücke, in die wir investieren, zum Beispiel XML oder die Dotnet-Architektur von Micrsosoft, werden im Moment zu Enterprise-Lösungen zusammengesetzt", so Burney.

So ganz klar, wie Burney seine Strategie darstellt, scheint sie allerdings nicht zu sein. Im Februar wurde "Deepwhite" vorgestellt - damals noch als neuer "Brand" der Kanadier. Wie schon "Procreate" sollte "Deepwhite" stellvertretend für eine Produktgruppe des Herstellers stehen und zwar genau für die neuen Enterprise-Lösungen. Unter diesem Namen wollte Corel Lösungen zum Erstellen von In-halten, Prozessmanagement und technischen Grafiken ausliefern. "Deepwhite entwickelt Lösungen, die verschiedene Enterprise-Inhalte in einem gemeinsamen, nahtlosen Workflow unterbringen", so Burney. Die entsprechenden Produkte sollten im Laufe des Jahres folgen.

Heute beschreibt Burney sein Deepwhite etwas anders und schwächt die Definition ab:"Deepwhite ist lediglich der Name einer Initiative." Es ist keine Rede mehr von einem neuen Brand. Der Grund dafür dürfte die Kritik sein, die er aus Expertenkreisen kassieren musste. Zu schwammig sei die Strategie, ein weiterer Brand sei verwirrend und verwässere den Namen Corel. Dieser Einstellung schließt sich Burney heute an:"Wir wollen unser Geld mit Corel verdienen, nicht ein bisschen mit Deepwhite, ein bisschen mit Procreate und so weiter."

So geläutert kann Burney aber dennoch erste Resultate seiner XML-Pläne vorweisen. Die gerade angekündigte Publishing-Software "Ventura 10" kann XML-Daten importieren. Mittels dem XML-Editor "XmetaL" kann Content "präzise formatiert und veröffentlich" werden. Die englische Version wird ab September und die deutsche Version voraussichtlich ab Oktober im Handel sein.

Neuer Geschäftsführer Deutschland in 2003

Parallel zur Umsetzung ihres zweiten Schrittes sind die Grafikspezialisten aus Ottawa momentan immer noch dabei, ihre Zukäufe des letzten Jahres - Micrografx und Softquad - zu integrieren. Die deutschen Websites beispielsweise warten noch darauf, aktualisiert zu werden. Auch die Personalfront ist immer noch in Bewegung. Eingetragene Geschäftsführerin in Deutschland beispielsweise ist Amanda Bedborough. Allerdings ist dies eigentlich nur ihr Nebenjob. Die meiste Zeit ist sie als Executive Vice President EMEA unterwegs und nicht in der deutschen Niederlassung. Dies ist anscheinend ein Zustand, der auf Dauer nicht tragbar ist. Die Folge: Mit Beginn des neuen Fiskaljahres im Dezember wird ein neuer Geschäftsführer Deutschland kommen, der sein Büro dann auch in Unterschleißheim haben wird.

Auch in puncto Channel wird sich in der nächsten Zeit einiges ändern. In den nächsten Wochen wird europaweit ein neues Partnerprogramm gestartet. "Wir sind ein bisschen unsicher, wer unsere Partner sind und was sie tun. Das soll durch das Partnerprogramm geändert werden", gibt Bedborough zu. "Dadurch wollen wir eine bessere Beziehung zu unseren Partnern aufbauen. Direkte Kommunikation, Fallstudien und Newsletter werden auf jeden Fall mit dabei sein. Außerdem wird Corel beispielsweise zwischen Consulting- oder Handelspartnern unterscheiden.

Europa ist für Corel ein Markt, der in den ersten zwei Quartalen um 20 Prozent gewachsen ist - Deutschland hatte sogar noch ein wenig mehr Wachstum zu verzeichnen. "Deutschland ist nach Nordamerika der zweitstärkste Markt, und wir machen hier 80 Prozent des Umsatzes über den Channel", erklärt Burney.

Eine weitere Neuerung wird es in den nächsten sechs Monaten geben. Das Logo wird komplett überarbeitet. Der Kopf kommt weg, der Schriftzug wird größer, und Burney grübelt mit seinem Team, welcher Slogan unter "Corel" stehen darf. "Dann wird jeder sofort wissen, was wir sind", freut er sich schon.

www.corel.de

ComputerPartner-Meinung:

Dass die Verluste der letzten beiden Quartale geplant waren, ist Burney nur schwer abzunehmen. Auch die Planung des Corel-CEOs - insbesondere die "Deepwhite-Initiative" - erscheint nicht mehr so klar wie zu Beginn seiner Amtszeit vor eineinhalb Jahren. Zudem tut sich Kanada immer noch schwer, an Europa Verantwortung abzugeben. Dass es in Deutschland immer noch keinen Geschäftsführer gibt, der sich voll und ganz auf diesen Fulltime-Job konzentrieren darf, kann nicht von Vorteil sein. Auf der anderen Seite: Burney hat schon einmal alle Zweifler überrascht, als er die Kanadier drei Quartale im positiven Bereich gehalten hat. Also hat er Vertrauensvorschuss verdient. (gn)

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