"Channel stuffing" bei Allied

01.07.2004
Nach zwei Jahren Enterprise-Strategie ist Allied Telesyn Deutschland nur wenig weiter. Das kostete Geschäftsführer Jörg Lösche den Kopf. Von ComputerPartner-Redakteur Wolfgang Leierseder

Vielleicht ist Jörg Lösche, bis vor vier Wochen eineinhalb Jahre lang Oberster der deutschen Allied-Telesyn in Halbergmoos, einfach der falsche Mann für den Netzwerker gewesen. Allied wollte bekanntlich in den Enterprise- und Service-Provider-Markt. Mitten in der IT-Krise 2002 witterte es darin seine Chance, dem drohenden Schicksal Commodity-Anbieter zu entkommen. Allied spaltete dieses Geschäft ab, überließ es der Netgear-ähnlichen Tocher Corega, und strebte mit Lösche Höheres an.

Für Service-Provider brachte Allied Telesyn International (ATI) die IP-Multi-Access-Plattform "Triple Play" zur DSL-Versorgung von Endkunden mit Sprache, Bildern und Daten in den Markt. Für die Enterprise-Klientel begann das Unternehmen ein zumindest der Masse nach mittlerweile beachtliches Portfolio an Backbone-Switches und (zugekauften) Switch-Blades anzubieten, während die Marketiers auf den ATI-Webseiten kontinuierlich für Erfolgsmeldungen sorgten: Alle ausgelieferten Switch-Ports, es sind viele, werden gemeldet, und die nackten Switch-Marktanteile ATIs legen unaufhörlich zu.

Kaum Geschäfte

Aber was sind das für Ports? Werden darüber Endkundendaten in den Backbones von Service-Providern verteilt? Oder switchen Enterprises mit Allied Telesyn?

Davon weiß man zumindest in Deutschland nichts. Auf das Enterprise-Geschäft angesprochen, winken Distributoren gegenüber ComputerPartner ab; von einem Triple-Play-Geschäft ist bei Service-Providern nicht die Rede, und da die Beziehung zu Integrator Controlware erst vor zwei Monaten aufgenommen wurde, stellt sich die Frage, was das Enterprise-Geschäft für Allied Telesyn Deutschland in den vergangenen zwei Jahren real bedeutete - eben solange Jörg Lösche dafür verantwortlich war. Immerhin sollte er für ATI den neben England wichtigsten europäischen Markt auf Enterprise-Kurs bringen.

"Channel stuffing"

Er habe, argumentieren Firmenkenner, den Enterprise-Markt - in dem Projektgeschäft, bearbeitet durch eine starke Key-Account-Mannschaft, das A und O des Erfolgs ist - über die Distribution erreichen wollen. Ein Desaster.

Lösche, ein Jahr Deutschland-Chef bei 3Com, füllte die Lager mit 150.000 Euro teuren Netzkomponenten - und vermittelte 5.000-Euro-Projekte, bestätigt man in Distributorenkreisen. Solche Geschäfte kamen natürlich nicht zustande. Ein Distributor, mit dem Lösche derartige Geschäfte machen wollte, hat übrigens seine knapp eineinhalbjährige Beziehung mit Allied hier zu Lande beendet.

Betrachtet man diese Entwicklung näher, ist Lösches kritisierte Distributionsfixierung (Channel Stuffing) leicht zu erklären. Er umgab sich ausschließlich mit Ex-3Com-Leuten und duldete insofern mit diesen, die 2001 die schlagartige Abkündigung von 3Coms Corebuilder-Geschäft erlebt hatten, nur Gefolgsleute aus den Channel-Hochzeiten um sich. Diese bestätigten ihn auch dann noch, als bei Allied Deutschland alle Zeichen auf Sturm standen und Lösche, zusammen mit dem europäischen Management, hätte festlegen müssen, wie der extrem mühsame Contra-Cisco-Weg ins Geschäft mit Unternehmen über 3.000 oder auch 5.000 Mitarbeitern zu bewerkstelligen sei. Doch offensichtlich ließ das europäische Management Lösche gewähren - obwohl "Channel Stuffing" im Enterprise-Markt gewiss keinen Erfolg verspricht. "Sie müssen dem Kunden auf dem Schoß sitzen", bringt ein Marktkenner die tägliche Situation im Projektgeschäft auf den Punkt.

Die Bilanz

So steht fest: Lösche hat seine Aufgabe, an deren Lösung er seit Oktober 2002, mitten in der IT-Krise, arbeitete - mit anfangs 45 Mitarbeitern und dem Portfolio der 2003 rund 450 Millionen Umsatz generierenden Company - nicht gelöst. Heute zählt die deutsche Allied noch knapp 30 Mitarbeiter; Allieds Enterprise-Vertrieb ist kaum sichtbar, und das Geschäft abgestürzt - dem Vernehmen nach (was Allied Telesyn Europa nicht kommentieren wollte) ein Viertel dessen, was Lösches Vorgänger Lothar Baan zuletzt erwirtschaften konnte.

So erscheint gewiss: Die deutsche Allied wird einen Neuanfang wagen müssen - dafür wird Lösches Nachfolger gesucht.

Meinung des Redakteurs

Lange hat das europäische Management seinem deutschen Statthalter Lösche zugesehen. Die Frage stellt sich: warum so lange? Eine Antwort blieb es bisher schuldig.

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