Chaos im Vertrieb verärgert Attachmate-Partner

20.06.1997
MÜNCHEN: Vor gut einem Jahr hat sich die Attachmate International Sales GmbH eine strikte vertriebliche Neuausrichtung auferlegt. Der Direktvertrieb sollte eingestellt und der Händlerstamm der Softwareschmiede von damals 50 auf 100 Partner verdoppelt werden. Was sich auf dem Papier aber so sauber liest, gestaltet sich in der Realität anders. Vor allem im Großkundengeschäft kommen sich Attachmate-Mitarbeiter und Vertriebspartner immer wieder ins Gehege.Peter Schneider ist sauer. "Attachmate hat mich über den Tisch gezogen", empört sich der Geschäftsführer der Münchner gs System Performance GmbH Software und Vertriebspartner des Softwarehauses Attachmate. Sein Vorwurf: Durch das unfaire Verhalten der Münchner sei ihm ein großes Geschäft durch die Lappen gegangen.

MÜNCHEN: Vor gut einem Jahr hat sich die Attachmate International Sales GmbH eine strikte vertriebliche Neuausrichtung auferlegt. Der Direktvertrieb sollte eingestellt und der Händlerstamm der Softwareschmiede von damals 50 auf 100 Partner verdoppelt werden. Was sich auf dem Papier aber so sauber liest, gestaltet sich in der Realität anders. Vor allem im Großkundengeschäft kommen sich Attachmate-Mitarbeiter und Vertriebspartner immer wieder ins Gehege.Peter Schneider ist sauer. "Attachmate hat mich über den Tisch gezogen", empört sich der Geschäftsführer der Münchner gs System Performance GmbH Software und Vertriebspartner des Softwarehauses Attachmate. Sein Vorwurf: Durch das unfaire Verhalten der Münchner sei ihm ein großes Geschäft durch die Lappen gegangen.

"Ich hatte kurz vor dem Jahreswechsel einen dicken Fisch an der Angel und hätte auf einen Schlag eine enorm große Anzahl an Softwarelizenzen von Attachmate an diesen Kunden verkaufen können", erzählt Schneider. Doch leider sei es dazu nicht gekommen. "Attachmate hat die Bereitstellung der Software so lange herausgezögert, bis die Lieferfrist abgelaufen war." Wie sich später herausstellte, hatte Attachmate in der Zwischenzeit selbst bei dem Interessenten "vorgesprochen" und den Auftrag letztendlich an Land gezogen. Auch die von dem Kunden in Aussicht gestellten Folgeaufträge gingen Schneider verloren - und damit insgesamt ein "nicht unerheblicher Betrag", wie er betont. Aus diesem Grund habe er Schadensersatzansprüche gegenüber Attachmate geltend gemacht.

Händler haben schlechte Erfahrungen gemacht

Was den Geschäftsmann am meisten enttäuscht, ist die Tatsache, daß sich Attachmate nicht an die abgesprochenen Geschäftsbedingungen gehalten haben soll. "Unter dem alten Geschäftsführer Hans-Joachim Dietrich hat es nie Ärger gegeben, ganz gleich an welche Kunden ich verkaufte. Auch als Hans Grander sein Nachfolger wurde, lief zunächst alles problemlos. Doch mittlerweile will er von den Abmachungen zwischen Herrn Dietrich und mir nichts mehr wissen", so Schneider. Die Gründe dazu liegen für ihn auf der Hand: "Attachmate ist im Vertrieb schon immer schwach gewesen. Daher lassen sie die Kundenkontakte von ihren Partnern aufbauen, um anschließend das Geschäft selbst abzuwickeln."

Daß Attachmate Vertriebsprobleme hat, ist auch anderen Partnern aufgefallen. "Das Konzept war nie ganz klar und hat sich ständig geändert", berichtet etwa der ehemalige Vertriebsleiter eines Distributoren. Zwar gebe es seit einiger Zeit die Vorgabe, komplett auf den indirekten Verkauf umzustellen, dieses Konzept werde jedoch ständig unterlaufen. Attachmate-Mitarbeiter und Händler würden sich dadurch ständig in die Quere kommen. (zu den Ursachen der Vertriebsprobleme siehe Kasten)

Großkunden wollen direkt betreut werden

Die unklar abgesteckten Kundenzuständigkeiten bestätigt ein weiterer Distributor: "Auch wir haben in dieser Hinsicht schon Probleme mit Attachmate gehabt." Allerdings, so schränkt er ein, seien solche Vorfälle im täglichen Distributionsgeschäft an der Tagesordnung, "egal, ob das Unternehmen Attachmate, IBM oder Microsoft heißt".

Das Chaos in puncto Vertrieb bei Attachmate ist seiner Meinung nach hausgemacht. "Die Firma ist seit zwei Jahren vor allem mit sich selbst beschäftigt. Viele Mitarbeiter sind gegangen oder wurden gefeuert", erzählt er. Es werde an der Zeit, daß Attachmate endlich klare Verhältnisse zwischen direktem und indirektem Vertrieb schaffe. "Der Deal, den Herr Schneider abschließen wollte, ist ein Großkundengeschäft - und diese Klientel möchte Attachmate selbst betreuen und beliefern."

Attachmate-Geschäftsführer Grander gibt diese Großkundenambitionen unumwunden zu. "Eine festgelegte Anzahl an Großkunden - nämlich genau 125 - werden von unseren Vertriebsbeauftragten direkt betreut", erklärt der deutsche Statthalter. Allerdings würden seine eigenen Leute die Kunden lediglich beraten und betreuen. Die Abwicklung eines Projekts obliege in jedem Fall einem Partner. "Natürlich bewerben sich für solche Großprojekte immer mehrere Händler. Wer dann tatsächlich den Auftrag bekommt, entscheidet aber allein der Kunde und nicht wir", sagt der deutsche Attachmate-Chef.

Händler müssen neue Strukturen akzeptieren

Das liest sich aber in einem Brief, der der ComputerPartner-Redaktion vorliegt, ganz anders. Aus dem Schreiben einer Tochtergesellschaft der Deutschen Bau- und Bodenbank AG, bei der Peter Schneider kurz vor Geschäftsabschluß gestanden hatte, geht eindeutig hervor, daß Attachmate selbst das Geschäft mit diesem Kunden abgewickelt hat. So wurde Schneider mitgeteilt, daß der Kunde aufgrund der Nichteinhaltung der Lieferfrist entschlossen war, die Software bei einem Attachmate-Mitbewerber zu erwerben. "Bevor es dazu kam, hat sich die Firma Attachmate an uns gewandt und ein Angebot unterbreitet. Auf dieser Grundlage kam es noch im Jahr 1996 zu einem Vertragsabschluß mit der Firma Attachmate."

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