Chip-Mysterium bringt IT-Gemeinde ins Grübeln

16.12.1999
SILICON VALLEY: Wenn Intel ein neues Produkt in der Schublade hat, dauert es nicht lange und die Einzelheiten prangen auf fast allen Internet-Seiten des Webs. Geheimhaltung ist so gut wie unmöglich. Anders bei Transmeta: Über den sagenumwobenen neuen Prozessor namens "Crusoe" gibt es keine genauen Informationen - nur Vermutungen und natürlich Gerüchte.

Er soll am 19. Januar 2000 vorgestellt werden - soviel ist zumindest sicher. Der neue Prozessor von Transmeta sorgt bei Insidern für wilde Spekulationen, denn die Entwickler von Transmeta halten dicht. Bekannt ist nur: Es soll ein 64-Bit-Prozessor sein, der die Befehle verschiedener Betriebssysteme verstehen soll und die entsprechenden Softwarepakete emuliert. Und das angeblich in einer annehmbaren Geschwindigkeit.

Hinweise geben einige Patente, die von Transmeta im Laufe des Jahres angemeldet wurden - das letzte über einen "Enhanced Microprocessor" Anfang November. Auch hier hat Transmeta Umwege gewählt, um die Entwicklung geheimzuhalten. Nicht das offizielle amerikanische Patentbüro verwaltet die Schriften, sondern die PCT, eine Art Welt-Patent-Organisation. Die großen Prozessorhersteller geben sich nach außen hin gelassen und selbstbewußt. "Wir haben mit ‘Itanium’ ja selbst einen 64-Bit-Prozessor", tönt es aus dem Hause Intel. "Außerdem sagen wir prinzipiell nichts über andere Produkte." Gespannt sind die Intels aber doch, was sich hinter den Türen von Transmeta abspielt.

DIE SPANNUNG STEIGT - KONKURENZ ZU SUNs "MAJC"?

Transmeta kann ja bekanntermaßen mit einer Starbesetzung aufwarten. In dem 200 Mann starken Team sind Microsoft-Mitbegründer Paul Allen und Sun-Sparc-Guru David Ditzel mit dabei, der jetzt den CEO-Sessel in Silicon Valley übernommen hat. Außerdem: Linux-Erfinder Linus Torvalds - und der hat ja schon einmal einige Große das Fürchten gelehrt.

Auch das Unternehmen Sun, das mit seinem just angekündigten Majc-Prozessor laut Meinung einiger Insider ein potentieller Mitbewerber von "Crusoe" sein könnte, sieht anscheinend keine Gefahr: "Wir können uns nicht vorstellen, daß uns hieraus Konkurrenz entsteht", lautet die lapidare Antwort von Sun. Insider allerdings sehen für Majc ähnliche Einsatzgebiete wie für Crusoe: die Bearbeitung von komplexen Grafik- und Sprachdaten.

Die potentiellen Kunden von Transmeta, die Motherboard-Hersteller, nehmen allerdings die Neuentwicklung ernst. "Mit diesem Prozessor wird eine neue Epoche eingeleitet. Crusoe bringt garantiert eine völlig neue Architektur, und das war schon lange fällig", hofft man bei Transcend. "Allerdings wird das noch nicht sofort Auswirkungen haben. Doch langfristig gesehen rechnen wir damit, daß das derzeitige Software-Hardware-Gefüge umfällt."

"Daß da nichts durchdringt, zeugt von Professionalität", hört man von einem anderen Motherboard-Hersteller, "wir denken, die neue Technologie hat gute Chancen. Unsere Ingenieure haben nur spärliche Informationen - darüber sind sie natürlich gar nicht glücklich."

Ob die Linus-Schmiede tatsächlich das Rad neu erfunden hat, bleibt abzuwarten. Glaubt man den Patenten, könnte damit tatsächlich eine neue Ära eingeleitet werden - doch bis zum 19. Januar, scheint es, wird sich die IT-Branche noch gedulden müssen. (gn)

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