CHS bekommt Geldsegen von CA: Jedem Hersteller sein eigener Disti?

24.06.1999

MIAMI: Daß CHS Electronics Inc. in einer tiefen Finanzkrise steckt, ist nach dem ersten Quartal 1999 kein Geheimnis mehr. Das Darlehen von Computer Associates über 50 Millionen Dollar kann bei den sinkenden Gewinnen des Broadliners nur als Tropfen auf den heißen Stein gesehen werden.Im Mai gab man die "strategische Allianz" bekannt und hinterließ Wettbewerb, Insider und Finanzanalysten ratlos. Selbst Branchenkenner beurteilen das Abkommen als "mysteriös". Denn den 50-Millionen-Dollar-Deal zwischen dem angeschlagenen amerikanischen Distributor CHS Electronics und dem Software-Giganten Computer Associates (CA) kann sich niemand so richtig erklären. CHS braucht zwar Geld - immerhin mußte das Unternehmen im ersten Quartal 1999 einen Profitschwund von 99 Prozent auf nur noch 200.000 Dollar einstecken - aber was kann der Broadliner einem High-End-Netzwerkkonzern wie CA bieten?

Die offizielle Version der beiden Firmen lautet: "Die ergänzende Vereinbarung zwischen den beiden Unternehmen sieht die Übertragung von Vermarktungs-, Distributions- und Reseller-Rechten am Produktportfolio von CHS auf Computer Associates vor; im Gegenzug dazu investiert CA 50 Millionen Dollar in CHS." Selbst bei längerem Brüten über dieser Erklärung, bleibt der tiefere Sinn verborgen. Absicht? "Für CHS ist das eine strategische Entscheidung gewesen. Wahrscheinlich soll auch nicht so ganz klar sein, was dahintersteckt", vermutet ein Unternehmenskenner.

Der Schleier des Nichtwissens hebt sich auch nicht, wenn man bei CA nachfragt: "CA hat einen weltweit operierenden Distributor gesucht, um seine IT-Produkte für Storage-, Security-, Desktop-, und Netzwerk-Management gebundelt mit bestimmter Hardware anzubieten", erklärt André Cuenin, verantwortlich für den indirekten Kanal in Deutschland, Österreich, Schweiz und Osteuropa bei CA, gegenüber ComputerPartner. Außerdem handle es sich nicht um eine Investition, sondern ein Darlehen des Herstellers an seinen neuen Disti, schränkt der Manager dann noch ein.

Davon, daß CHS aber nicht weltweit operiert, sondern nur die Märkte in West- und Osteuropa bedient und in Nordamerika keinen Fuß auf den Boden bekommt, will Cuenin nichts wissen. "Die weltweite Präsenz von CHS kann ich nicht beurteilen", weicht der CA-Manager dann auch der Frage aus.

Ein CHS-Mitbewerber setzt der Aussage von Cuenin dann auch entgegen: "Die Summe, die CA für eine Exklusiv-Distribution seiner IT-Produkte zahlt, ist fernab von Gut und Böse. Die Höhe des Betrags rechtfertigt den Deal einfach nicht." Kopfschütteln auch bei einem anderen Kenner der internationalen Disti-Szene: "Sicher, nach dem Kauf von Platinum für 3,5 Milliarden Dollar zahlt CA die 50 Millionen an CHS aus der Portokasse. Trotzdem bleibt die Frage: Wenn sie ihre Software weltweit vermarkten wollen, warum sind sie keine Allianz mit finanziell gesunden Unternehmen wie Tech Data oder Ingram Micro eingegangen?"

"50 Millionen sind keine Finanzspritze"

Auf einen anderen Aspekt des Geschäfts weist ein Finanzexperte hin: "50 Millionen sind für mich noch lange keine Finanzspritze: Dafür ist das Volumen für ein Unternehmen wie CHS viel zu gering. Interessanter ist für mich die Finanzhilfe von der IBM Global Financing. Daraus ergeben sich für Big Blue wirklich strategische und operative Gewinne." Ende Januar hatte die IBM-Kreditbank CHS Finanzierungsmittel in Höhe von knapp 400 Millionen Mark zur Verfügung gestellt (siehe ComputerPartner 3/99, Seite 1). Und damit nicht genug: Der Name IBM steht immerhin für den größten Lieferanten von CHS. Ein amerikanischer Kenner der Distiszene vermutet hinter den finanziellen Leihgaben der Hersteller noch ein anderes Motiv: Sie wollen CHS im internationalen Rennen behalten. Denn eine weitere Konzentration auf nur noch zwei Distributoren, Ingram Micro und Tech Data, bewertet so mancher als fatal für die Branche.

Ob der Geldsegen nun von Big Blue oder CA kommt, die zunehmenden strategischen Kooperationen zwischen Herstellern und Distribution werfen schon fast philosophische Fragen im Markt auf: "Der Deal mit CA nimmt CHS als Distributor seine eigene Stärke - und die ist, herstellerunabhängig in der Branche agieren zu können", kommentierte Nick Offin, Compaq-Vertriebsdirektor für den indirekten Kanal, die für ihn unheilige Allianz. Und ein deutscher Großhändler ergänzt: "Mittlerweile läuft das Geschäft doch so: Jeder Hersteller brennt darauf, soviel wie möglich von seinen Produkten in den Markt zu drücken. Und wenn das nicht läuft, kauft man sich eben seinen eigenen Distributor." (ch)

Hält nach Profitschwund bei den Herstellern die Hand auf: CHS-Chef Claudio Osorio.

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