CHS pleite - Handel aufgeschreckt: "Für den Markt eine Katastrophe"

11.04.1999
MÜNCHEN: Nach Frank & Walter hat auch die CHS Electronics GmbH das Insolvenzverfahren beantragt. Die Stimmung im Markt ist gemischt: Während der Handel durch die CHS-Pleite Probleme im Jahresendgeschäft befürchtet, vertrauen die Hersteller auf die anderen Broadliner.

Die Fakten liegen jetzt auf dem Tisch: Das Insolvenzverfahren läuft, die CHS-Mitarbeiter bekommen ihre Gehälter bis zum 31.12. vom Arbeitsamt. Dennoch wird am runden Tisch in Fürstenfeldbruck weiterverhandelt: Wir arbeiten an zwei verschiedenen Möglichkeiten: Einerseits reden wir mit potentiellen Käufern. Andererseits suchen wir einen Investor für einen Management-Buy-Out. In etwa zwei Wochen wollen wir eine Lösung parat haben, sagt Peter Bundgard, der auf jeden Fall bis zum Jahresende noch Deutschland-Chef in Fürstenfeldbruck bleibt, gegenüber ComputerPartner. Sollte es zu dem Management-Buy-Out kommen, will Bundgard selbst an dieser Lösung mitwirken.

Trotz der Suche nach einem Ausweg, reduziert sich - zumindest vorerst - die deutsche Distributionslandschaft auf nur noch drei Broadliner. Der Fachhandel reagiert darauf negativ: Für den Markt ist das eine Katastrophe: Denn auch die anderen Broadliner sind voll bis zum Anschlag. Seit klar ist, daß CHS wegfällt, ist die Erreichbarkeit bei den anderen Distributoren gleich null, kommentiert Andreas Herch, Vertriebsleiter bei Sahl Computer in Augsburg, die aktuelle Lage.

Unter den Broadlinern herrscht jetzt weniger Wettbewerb: Dadurch werden die Preise für Dienstleistungen anziehen, meint Dieter Stumpf, Geschäftsführer der Bürotechnik GmbH in Nürnberg. Zwar haben die meisten Fachhändler nicht nur auf einen Distributor gesetzt, sondern ihre Bestellungen verteilt, dennoch stehen gerade kleinere Wiederverkäufer vor einem Problem: Wir müssen jetzt bei den anderen Broadlinern wieder gegen Vorkasse ordern und neue Kreditlinien aushandeln. Das heißt für uns auch, wieder mit der Bank zu reden, sagt Bernd Gretscher, Geschäftsführer der GHL Computer in Mönchengladbach.

Weiter werden Auswirkungen auf das profitable Jahresendgeschäft befürchtet: Die Liefersituation für Notebooks und PCs hat sich extrem verschärft. Ich könnte sie zwar ohne Ende verkaufen, bekomme aber keine Ware - und das hat nichts mit

der Taiwan-Krise zu tun, berichtet Herch von Sahl Computer.

HERSTELLER VERTRAUEN AUF VERBLEIBENDE DISTIS

Die Hersteller, die zum großen Teil ihre Ware bereits auf andere Distributoren umverteilt haben, beurteilen die Situation gelassen: "Wir bedauern die Schwierigkeiten eines unserer besten Distributoren. Aber das Jahresendgeschäft wird dadurch in keinster Weise beeinflußt, weil unsere Vertriebsstruktur auf mehrere Säulen aufgebaut ist. Der Distributionskanal ist nur eine davon", sagt Jürgen Küpper, Director Business-Partner-Organisation bei IBM. "Ich bin sicher, daß die verbleibenden Broadliner die Lücke schließen können, die CHS im deutschen Markt hinterläßt. Der November wird schwierig, weil sich die Händler jetzt erst mal neu orientieren müssen, aber es wird keine Auswirkungen auf das Weihnachtsgeschäft haben", beruhigt auch Mike Rüschenbaum, Geschäftsführer bei Lexmark Deutschland. Micrografx sieht das anders: "Uns trifft das hart. Wenn eine der vier Distributionssäulen wegbricht, können die anderen das nicht einfach auffangen: Und das wird klare Auswirkungen auf das Jahresendgeschäft haben", schätzt Petra Müller, Vertriebsmanagerin bei dem Softwareanbieter.

Sollte es für CHS doch noch eine Zukunft geben, wollen viele Hersteller dem Deutschlandteam die Stange halten. "Das Schicksal der CHS GmbH sehe ich nicht als selbstverschuldet. Angesichts der guten Geschäftsbeziehungen sehe ich keinen Grund, die Integrität des Unternehmens anzuzweifeln", sagt Gerhardt Merkel, Geschäftsführer der NEC GmbH in Ismaning.

NEC ist mit einem blauen Auge davon gekommen und hat seine Ware frühzeitig aus dem CHS-Lager abgezogen: Andere Hersteller wie IBM, Compaq und HP sollen noch Außenstände in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe bei dem Broadliner haben. (ch/sn)

Zur Startseite