Comdex 2001: weder Innovationsfeuerwerk noch Besucher

22.11.2001
Veranstalter Key-3-Media hatte es geahnt: Die diesjährige "Comdex Fall" würde nur für traurige Schlagzeilen gut sein. Und so war es auch - trotz XP und der "Key Note" von Billy Gates. Die IT-Branche krebst vor sich hin.

Von einer Schattenmesse zu sprechen, wie es manche amerikanische Kommentatoren nahelegten, wäre übertrieben. Doch richtig ist: Der größten Computermesse Amerikas, der "Comdex Fall 2001", ging es dieses Jahr schlecht. Offiziell wurden nur 125.000 Besuchern gezählt - gegenüber 220.000 im vorigen Jahr ein dramatischer Rückgang. Die großen Hotels auf dem Las Vegas Strip winkten deshalb erstmals mit 70-prozentigen Rabatten. Nicht 2.350 Aussteller, sondern nur rund 2.000 präsentierten sich in den drei Ausstellerhallen und diversen Hotelräumen, und wer endlose Schlangen vor Taxiständen und Bushaltestellen erwartet hatte, sah sich getäuscht.

Stop and go allerdings bei den Sicherheitskontrollen: Hier mussten Rücksäcke geöffnet und Notebooks hergezeigt werden. Doch in den Hallen war Platz - wirklich genügend.

Trotzdem gab es lärmende multimediale Produktankündigungen, XP-Plakate, gespannt über die Fassade des Marriott-Hotels, wo Billy Gates 15.000 Zuhörer auf das "Festival der Innovationen" einschwor, es gab geschäftige Manager und neugierige Besucher. Denn nach wie vor dient die Comdex der IT-Industrie dazu, Produkte und Visionen in Mengen vorzustellen.

PC-Peripherie

Natürlich war die Comdex auch ein Microsoft-Forum. Nach dem XP-Start, das sich mittlerweile angeblich schon sieben Millionen Mal verkauft hat, warteten Hersteller wie Nvidia und ATI mit entsprechenden leistungsstarken Grafikkarten auf. AMD zeigte mit einem 1,5-GHz-Prozessor erneut, dass es das Rennen mit Intel nicht aufgeben will, und Hewlett-Packard demonstrierte mit einer Notebook-Studie, die sich zugleich als "Tablet PC" oder Desktop-Rechner verwenden lässt, dass dem Computerhersteller nichts ferner liegt als die Abkehr vom Modell Desktop.

Sony zeigte einen Prototypen "Info Stick Bluetooth" mit Übertragungsraten bis zu 1 Mbit/s, Adaptec, Seagate und Maxtor warben mit der Ankündigung, ab dem nächsten Jahr Ultra-320-SCSI-Festplatten mit bis zu 320 MB pro Sekunde ausliefern zu wollen. Hitachi, Sony und HP zeigten neue Laufwerk zum Beschreiben von DVD-R(W)- und CD-R(W)-Medien, und TDK präsentierte den USB-Adapter (Universal Serial Bus) "Go Blue", mit dem sich PCs und Notebooks via USB um Bluetooth erweitern lassen. Wie überhaupt der USB-Durchmarsch (Version 2.0) auf der Comdex ausgemachte Sache war.

Doch das Innovationsfeuerwerk, Dauerthema auf großen und kleinen Ständen der vergangenen Jahre, bestand diesmal aus wenigen Knallern. Hunderte von kleinen Unternehmen, traditionell in den internationalen Pavillions zusammengepfercht, fehlten. Und den großen Anbieter war in diesem Jahr wohl nicht danach zumute, den angeblich nicht aufzuhaltenden Fortschritt der Branche zu zelebrieren. Der marktschreierische Frohsinn in Sachen leistungsstarke Computer wollte sich in den bisweilen leeren Gängen nicht einstellen. Zu sehr zieht die schwache Konjunktur die PC-Industrie in Mitleidenschaft, zu wenig können die immer schnelleren Motherboards, Grafikkarten und Festplatten davon ablenken, dass die Verbraucher derzeit zu wenig an der Leistung ihrer Desktops auszusetzen haben, als dass sie, wie in den Jahren zuvor, dem rastlosen Beschleunigungs-hype folgen wollten.

Visionen und Vernetzung

Doch es gab Ausnahmen. National Semiconductor etwa: Der Hersteller führte den Multifunktions-Prototypen "Geode Origami Mobile Communicator" vor, ein Gerät, das ebenso als PDA, als Kamera und als Handy verwendet werden kann (siehe Seite 38). Auf dem Stand von Linux-Anbieter Gmate war der PDA "Yopy" zu sehen. Der aufklappbare Winzling wird mit Handy-, MP3-, Sprachaufnahme- und Video-Funktionalität angeboten und soll Anfang nächsten Jahres nach Europa kommen.

Dass Intel Strom sparende 700- MHz-Prozessoren für Rack-Server zeigte - was aber Transmeta-Chef David Ditzel nicht beunruhigt, da die Intel-CPUs zu teuer seien -, war überfällig. Dass aber Nokia mit dem Vorschlag vorpreschte, Symbian zur Lizenzierung freizugeben, um genügend Hersteller auf die ".Net"-freie Mobilzukunft einzuschwören, überraschte denn doch. Mehr als die von Cisco und Agere propagierten Vorschläge, den endlich aus den Startlöchern gekommenen WLAN-Standard 802.11b mit Sicherheitssoftware zu versehen. Denn dass sichere IT-Netze seit dem 11. September ein Muss sind, zeigten die Comdex-Absagen so mancher Sicherheitsspezialisten: Derzeit brauchen sie das Forum nicht, um ihre Produkte zu verkaufen.

Dass indes die Vernetzung unaufhaltsam ist, machte Cisco-Chef John Chambers in einem halbvollen Konferenzraum klar: Da der Faktor "Produktivität, Produktivität und nochmals Produktivität" alle Anstrengungen der Anwender dominiere, sei die Vernetzung künftig der entscheidende Wettbewerbsvorteil. Auch wenn daraus vielleicht nur folgte, nicht nach Las Vegas zu fahren, sondern vom heimischen Desktop aus die Ereignisse in Las Vegas zu verfolgen.

ComputerPartner-Meinung:

Die diesjährige Comdex machte klar: Die IT-Branche hat von großen Innovationen Abschied genommen. Der Tablett-PC-Aufguss von Microsoft musste als Highlight herhalten, und wer auf den Konferenzen nach Perspektiven suchte, sah sich enttäuscht.

Die IT-Branche ist gewarnt: Mit modischen "Gadgets" sind die Anwender derzeit nicht zu locken. Konsolidierung ist derzeit angesagt. Die aber kann man kaum zeigen: Man muss sie bewerkstelligen. Das aber ist naturgemäß kein Comdex-Thema. Diese neue Lage quittierten die Besucher mit Abwesenheit. (wl)

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