Comdex '97: Das nächste Jahr soll ganz im Zeichen des 1.000-Dollar-PCs stehen

28.11.1997
LAS VEGAS: Als "Microsoft-Land" wurde die größte PC-Messe der Welt, die Comdex '97 in Las Vegas, von vielen Besuchern bezeichnet. Das war aber nur insofern richtig, als die meisten Softwareprodukte und die showbetonte Inszenierung des (Intel-)PCs und seiner Möglichkeiten sich nahezu widerspruchslos auf das mittlerweile variantenreiche Windows bezogen. Doch die PC-Branche zeigte auch eine andere, nachdenkliche Seite. Denn sie ist verunsichert durch das drohende Ende der permanenten Upgradespirale. "Total cost of owner" (TCO) war so das eigentliche Comdex-Motto, und der "Thin Client" der heimliche Herrscher in Las Vegas.Auch die beiden schwarzweißbedreßten Damen, die mit um die Hüfte gegürteten, biegsamen Motherboards inklusive Software, bezeichnet als "erster flexibler PC der Welt", die Aufmerksamkeit der vorbeiströmenden Besucher vor dem Comdex-Haupteingang auf sich lenken wollten, machten deutlich, welche Verrenkungen PC-Hersteller derzeit machen müssen, um dem bisherigen Zugpferd der IT-Industrie, dem PC, weiterhin Kunden zuzuführen.

LAS VEGAS: Als "Microsoft-Land" wurde die größte PC-Messe der Welt, die Comdex '97 in Las Vegas, von vielen Besuchern bezeichnet. Das war aber nur insofern richtig, als die meisten Softwareprodukte und die showbetonte Inszenierung des (Intel-)PCs und seiner Möglichkeiten sich nahezu widerspruchslos auf das mittlerweile variantenreiche Windows bezogen. Doch die PC-Branche zeigte auch eine andere, nachdenkliche Seite. Denn sie ist verunsichert durch das drohende Ende der permanenten Upgradespirale. "Total cost of owner" (TCO) war so das eigentliche Comdex-Motto, und der "Thin Client" der heimliche Herrscher in Las Vegas.Auch die beiden schwarzweißbedreßten Damen, die mit um die Hüfte gegürteten, biegsamen Motherboards inklusive Software, bezeichnet als "erster flexibler PC der Welt", die Aufmerksamkeit der vorbeiströmenden Besucher vor dem Comdex-Haupteingang auf sich lenken wollten, machten deutlich, welche Verrenkungen PC-Hersteller derzeit machen müssen, um dem bisherigen Zugpferd der IT-Industrie, dem PC, weiterhin Kunden zuzuführen.

Denn obwohl die Comdex '97 mit über 220.000 Besuchern, zirka 2.100 Ausstellern und etwa 14.000 Produkten einen neuen Rekord aufstellte, war sich die Branche, unabhängig davon, wie viele der 1.200 Dollar kostenden Quadratmeter sie für ihre Produktinszenierungen in Beschlag genommen hatte, in einem Punkt einig: Die Kosten für PCs müssen endlich überschaubar werden. Das gilt vor allem für den geschäftlich genutzten PC. Aber auch der "Home-PC" wird an der TCO-Debatte gemessen. "Bisher war es so, daß die Anwendung, nicht der Benutzer das PC-Geschäft antrieb. Doch das sind die PC-Benutzer offensichtlich leid. Sie wünschen sich für genau definierte Zwecke gut ausgestattete PCs, die einfach zu warten sind und bei Bedarf erweitert werden können. Die Upgradespirale, wie sie es bisher gab, wird, wie die Messe deutlich zeigt, nicht mehr akzeptiert", steht für einen kanadischen Unternehmensberater nach einer Stippvisite bei Chipanbieter Kingston fest.

Seinen Eindruck bestätigt Kingston-Manager Paul Popadak: "Wir arbeiten intensiv daran, die Komponenten des PCs zu reduzieren, um durch Kostensenkung und Vereinfachung neue Käufer für PCs zu interessieren. Denn der Kunde kauft nicht mehr das, was ihm der Hersteller anbietet, sondern er erwartet, daß er das findet, was er sucht. Wer einen typischen Office-PC kaufen will, sucht ihn im Bereich unter 1.000 Dollar. Wer aber einen Geschäfts-PC sucht, den er die nächsten drei Jahre benutzen kann, wird im Bereich ab 2.500 Dollar suchen."

Die abgespeckten, keineswegs jedoch schlecht ausgestatteten 1.000 Dollar-PCs konnten zwar kaum die Gunst der Besucher gewinnen. Trotzdem lohnt es sich, aufzuzählen, was in diesen PCs steckt. Denn nach Analystenmeinung wird 1998 das Jahr des 1.000-Dollar-PCs sein. Jetzt schon werden diese in den USA mit wachsendem Erfolg vor allem von Retailern angeboten. PC-Anbieter Packard Bell führt auf die 1.000-Dollar-PCs sogar die fortschreitende Durchdringung amerikanischer Haushalte mit PCs zurück. 47 Prozent aller US-Haushalte haben jetzt einen PC; Anfang des Jahres waren es noch 40 Prozent.

Der 1.000-Dollar-PC beinhaltet einen 166-MHz-Chip, 16 MB Hauptspeicher ohne zusätzlichen Cache, eine Grafikkarte mit 1 MB Speicher; ferner eine 2,1-GB-Festplatte, ein 8fach CD-ROM-Laufwerk und ein 14.4-Modem. Mit Monitor kommt der Käufer auf insgesamt 1.250 Dollar, und dafür erhält er laut Marktforscher Yankee Group alles, was er in folgendem Fall braucht: "Wenn die Hauptanwendungen Text und Tabellen, E-Mail und Internet sind, wozu sollte man 2.000 Dollar mehr zahlen?" faß Analyst James Perhune zusammen.

Doch mit diesen PCs, die die Nettomarge der großen PC-Handelsketten in den USA auf höchstens Plusminus Null zusammenschrumpfen läßt, wollte keiner der Hersteller eine der groß angelegten Shows bestreiten.

Statt dessen verwiesen PC-Hersteller auf die "unvermeidliche Konvergenz von PC und TV" und versuchten so, die Besucher mit der bunten, schnellen und teuren Welt der Multimedia-PCs, ergänzt um leider proprietäre DVD-Spieler (Digital Versatile/Video Disk) und Internetanschlüsse via 56K-Modems beziehungsweise Kabelmodems in den Bann zu ziehen.

Um sie dreht sich die Hoffnung der PC-Hersteller; diese PCs sollen zu ebenbürtigen Konkurrenten der TV-Geräte werden. Da das auch mit der Erwartung der meisten Besucher der traditionell PC-orientierten Messe übereinstimmte, umlagerten sie diese PCs. So beispielsweise auf dem Stand des taiwanischen PC-Neulings Mitac, dessen futuristisch gestylter PC für Furore sorgte. Bei diesem zirka 4.000 Dollar teuren 233-MHz-Pentium-PC, der alternativ auch mit AMD-Prozessoren bestückt werden kann, ist die gesamte Peripherie, also Motherboard, Festplatte, Diskettenlaufwerk und Modem, in eine filigran wirkende Säule hinter dem optionalen 15-Zoll-LCD-Flachbildschirm gepackt. Der Hersteller hofft nach eigenen Aussagen nicht nur, mit diesem gerade mal 30 mal 18,3 Zentimeter Schreibtischfläche beanspruchenden PC seine anderen Produkte, also Monitore, einen Windows CE und Notebooks zu bewerben. Sondern er will mit ihm in den amerikanischen Home- und SOHO-Markt für PCs vorstoßen. "Dieses Marktsegment ist derzeit offen. Denn zur Zeit gibt es keine PC-Innovationen, die mit herausragender Soft- oder Hardware den Markt bestimmen könnten", war auf dem Stand der Taiwaner zu hören.

Das PC-Rad dreht sich langsamer

Dieser Einschätzung vermochten die großen Hersteller nicht zu widersprechen. Zwar zeigten sie, wie beispielsweise Compaq oder Acer, Multimedia-PCs ab zirka 1.300 Dollar und aufwärts, doch insgesamt vorherrschend war der Eindruck, daß sich das große Rad des PC-Privatmarktes, jedenfalls im oberen Segement, immer langsamer dreht.

Für Intel und seinen Pentium-II-Prozessor heißt das, mit geringeren Absätzen als erwartet umgehen zu müssen. Weshalb der PC-Chip-Marktführer mit deutlichen und rascher als erwarteten Preissenkungen für Pentium II-Chips reagieren wird. Außerdem plant das Unternehmen für das zweite Halbjahr 1998, seine Pentium II-Chips mit maximal 256 KB Cache für den unteren Homemarkt anzubieten.

Die mit Spannung erwarteten, javabasierenden NCs, die laut Marktforscher Zona Research im letzten Jahr auf insgesamt 225.000 Stück kamen, waren auf der Comdex nicht zu sehen. Dennoch schlugen sie den Takt für Microsofts auf der Comdex vorgestellten Hydra- und Windows-CE-Produkte .

Allein Toshiba, das mit extrem flachen Notebooks und einer Phalanx von PCs auf seinem Hauptstand vertreten war, bot auf einem wenige Quadratmeter großen Ausstellerverschlag ein Java-Betriebssystem namens JexeOS an. Es soll laut Hersteller vor allem auf einem 1.000-Dollar-PC seinen Dienst tun. Oder auf einem PC. Noch sucht Toshiba nach OEMs.

Daß Java übrigens trotz der bedauerlichen Abwesenheit der Hauptverfechter Sun und Oracle ein Thema ist, das die PC-Fraktion ausführlich kommentieren wird und muß, belegte die Ansprache (Key-Note) von Novell-Chef Eric Schmidt.

Er pries vor einem gut gefüllten Auditorium nicht nur marketinggerecht die Vorzüge des hauseigenen Novell Directory Service für eine benutzerorientierte und konsistente Verwaltung von bis zu 120 Directories in einem Netz an, sondern erhob auch Java zur Programmiersprache der Zukunft. "Java wird die Sprache des E-Commerce und als Entwicklersprache C++ ablösen", erklärte er. Und launig ergänzte er, daß die von Microsoft unter Anspielung auf das China der 70er Jahre als Fünferbande" bezeichnete Quintett IBM, SUN, Novell, Netscape und Oracle dabei sei, den NC als "ernst zu nehmende Alternative" für geschäftliche IT-Anwendungen vorantreiben werde.

Daß Schmidt bei seiner Rede nicht auf den wie Novell angeschlagenen Computerriesen DEC verwies, mag den Alpha-Chip-Designer, der wieder einmal seine "Digital World" zelebrierte, gewurmt haben. Denn DEC stellte seinen in Zusammenarbeit mit dem englischen Risc-Prozessor-Hersteller Acorn entwickelten STRONG-ARM-Prozessor SA-110 mit 32-Bit-RISC-Prozessor vor. Er eignet sich für PDAs und für NCs. Allerdings war den DEC-Mitarbeitern angesichts des Verkaufs der Netzwerkabteilung an Netzwerker Cabletron und der vermuteten Intel-Serviceperspektive jede Lust an Selbstdarstellung vergangen. "Wer soll verstehen, was von DEC bleibt, wenn wir alle Produktentwicklungen aus der Hand geben", war von Mitarbeitern zu hören. "Wir werden wie Unisys oder Wang als Serviceanbieter mit NT-Focus enden."

NCs, Windows CEs und Thin Clients

Auf den Ständen der gemäßigten, mit Microsoft konform gehenden NC-Anbieter wie etwa NCD, Wyse oder Tektronics hingegen herrschte Freude über den Gang der PC- und NC-Diskussion vor. Das ist wenig verwunderlich, denn laut den Marketiers treibt "jeder weitere Tag der TCO-Debatte uns Kunden zu", wie Morton Morland, Vertriebschef von NCD-Deutschland, erklärt. Er unterstreicht, daß die Microsoft-Initiative Windows CE und das Server-basierende, für die Mitte des kommenden Jahres angekündigte Hydra-Projekt dazu führe, "daß Kunden sich fragen, welche NC-Lösungen es bereits gibt. Durch ihre Fragen stoßen sie darauf, daß wir Lösungen anbieten, die jetzt zu kaufen sind."

Beispielsweise einen NC, basierend auf der Windows CE Version 2.0. Zwar zeigte er sich nicht stabil, sondern stürzte ab, aber das scheint, wie auch die Vorführung weiterer Anbieter, etwa von Sharp oder Sybase, HP oder Compaq zeigte, allgemein für Windows CE zu gelten. Trotzdem waren sich Marktforscher einig: "Windows CE und NCs sind nur eine Frage der Zeit. Sie werden kommen", so ein Analyst der Yankee Group.

Mit Hydra, einer Terminal-Lösung, die aus den drei Komponenten Server, Remote Access und Clientsoftware besteht, verspricht sich Microsoft, Windows-NT-Multiusersitzungen managen zu können und so der wachsenden Kritik an drastisch wachsenden Client-Sever-Kosten begegnen zu können. Unterstützt werden die Redmonter dabei von Softwareanbieter Citrix, der mit der Softwarelösung "Picasso" Terminals Hydra-fähig machen will.

Auch auf dem Stand der konsequent

"E-Commerce" propagierenden IBM war einen NC-Lösung zu sehen, mit der der Zugriff auf die unvermeidlichen Office-Software der Redmonter möglich ist. Und mit der auschließlich für Java-Einsätze programmierten Office-Lösung "E-Suite" der IBM-Tochter Lotus, dargeboten auf einem mächtigen Stand, gleich neben der 300 Partner zählenden Microsoft-Halle, konnte der Softwareanbieter den Nachbarn immerhin provozieren.

Offensichtlich blüht dem Softwarekrösus aus Redmont harte Konkurrenz bei seiner Ausweitung der Windows-Plattformen.

Höhepunkte der Messe waren sicherlich die Angebote an PDAs und DVD-Spielern. Letztere machen der Branche, trotz momentan unvereinbarer Formate wie DVD Ram, DVD+RW und DVD-R/W, Hoffnung, das Geschäft mit Unterhaltungsmedien, also vor allem Video und TV, ab nächstem Jahr endlich in Schwung zu bringen. Entsprechend fanden sich auf den Ständen beispielsweise von Pioneer, Panasonic, Philips, Samsung, Matrox, Maxell oder dem kalifornischen Anbieter Vitec die Speicher- und Abspielgeräte. Toshiba zeigte sogar ein Hybridmodell, mit dem für alle Fälle alle drei Formate bedient werden können. Allerdings erst 1999. "Es ist wie bei dem Videoformatstreit in den 70er Jahren: Man wird sich auf ein Format einigen, denn es ist finanziell unmöglich, drei Standards zu unterstützen", erklärte dazu ein Toshiba-Manager. "Jedes Gerät für sich ist marktreif, aber ich nehme an, daß sich Kunden abwartend verhalten werden", faßte er den gegenwärtigen DVD-Stand zusammen.

PDAs hingegen erfreuten sich nicht nur bei dem umlagerten 3Com-Stand mit dem PalmPilot großer Beliebtheit. Erstens, weil PDAs einfach "in" sind, und zweitens, weil mit Hilfe von Third-Party-Entwicklern Erweiterungen und Anwendungen für vertikale Märkte angeboten werden können. Damit versprechen die digitalen Winzlinge, wie auch beispielsweise an den Ständen von Sharp und Casio oder auch von Neuling Cross demonstriert, aus dem Managerghetto auszubrechen und dank Webanschlußund Datenreplikation zu ernsthaften mobilen Begleitern zu werden.

Der Anschluß an das Internet beschäftigte alle. Da das Internet selber als die Killerapplikation behandelt wird, geht es um die Auffahrt. Hier erwarten Analysten, daß den Anbietern von analogen Modems mächtige Konkurrenz durch Kabelmodems erwachsen wird. Diese nutzen bestehende TV-Anschlüsse oder generell Kupferkabel, um breitbandige Daten, etwa Videos, bis zu acht MB/s schnell verschicken oder empfangen zu können. Allerdings waren ADSL-Anbieter (Asymmetric Digital Subscriber Line) Mangelware, und nur mit diesen digitalen Datenformat ist ein akzeptabler Transport der breitbandigen Daten in die Haushalte möglich. "Im Herbst1998 ist es soweit", meinte ein Vertreter von Telefonanbieter Pacific Bell. So machten vor allem Anbieter von Kabelmodems mit maximal 1,5 MB/s Kapazität das Rennen. "Sie stehen in den Startlöchern", meinte auf dem 3Com-Stand ein Besucher und deutete auf das erste Kabelmodem der Netzwerker. Kabelmodems, die auf der Kompressionstechnik DSL (Digital suscriber line) beruhen, werden von Telefonabietern favorisiert, da sie weitere Home- und Geschäftsanwendungen versprechen.

Für sie wird ein Milliardenmarkt vorausgesagt. Doch noch wartet der Markt auf sie.

Fazit

Was die Branche vorantreibt, so die vorherrschende Meinung auf der Comdex, sind Internet und entsprechende Produkte. "Danach werden wir von unseren Kunden gefragt. Hier besteht größter Bedarf", erklärte Christoph Rau, neuer Softwarechef bei IBM Deutschland, stellvertretend für die Branche. Diese ist derzeit hauptsächlich damit beschäftigt, ihre Angebote danach zu sortieren, ob sie Internetfähig sind. So rutschten, trotz geräuschvoller Demonstrationen, andere Produkte in die zweite Linie. Dazu zählen unter anderem die überall anzutreffenden LCD-Bildschirme mit bis zu 15 Zoll und einem erwarteten Preisrutsch auf 15.000 Dollar im nächsten Jahr, digitale Kameras, netzwerkfähige Laserdrucker oder auch mobile Speichermedien, wie sie Iomega mit "Click" oder Syquest anboten. Deren Alltagstauglichkeit ist, anders als die Masse der Internetprodukte, zu denen auch über das Web ansprechbare Drucker zählen, gesichert. Trotzdem bleibt als vorherrschender Eindruck der Comdex: Die Fragen nach dem Internet und entsprechenden Produkten bestimmt die IT-Branche. Und wenn sie noch die TCO-Debatte befriedÆgend abschließen kann, hat sie sozusagen freie Fahrt ins Netz der Netze. (wl)

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