Compaq und die Kundenorientierung

07.06.2000

Das Bestreben von Compaq, die Leistungen für die Vertriebspartner zu verbessern, und zusätzliche Systemhäuser für sich zu gewinnen (siehe Artikel Seite 14), ist positiv zu bewerten. Denn es ist ein klares Signal eines der marktführenden Unternehmen, dass der indirekte Vertrieb alles andere als "old economy" und ein Vertriebsmodell von gestern ist. Dass dieser Eindruck überhaupt entstehen konnte, dazu hatte der texanische PC-Hersteller freilich selbst in erheblichem Maße beigetragen.

Denn mit ihren unausgegorenen Verlautbarungen unter dem Titel "Channel for the Internet Age" (CIA), in denen Compaq Ende vergangenen Jahres die zukünftige Vertriebsstrategie skizzierte, erweckten die Amerikaner bei vielen Handelspartnern den Eindruck, dass sie nicht mehr erwünscht seien. Internet und Direktgeschäft - das ist die Zukunft des Compaq-Vertriebs, so die Befürchtung. Viele Händler und Sys-temhäuser in Deutschland fragten sich - und fragen sich auch heute noch -, ob Compaq ein verlässlicher und berechenbarer Partner ist.

Dem deutschen Compaq-Management ist sicherlich zugute zu halten, dass es mit der aus den USA herübergeschwappten Erklärung genauso unglücklich war wie viele Vertriebspartner. Es machte in dieser Phase allerdings nicht gerade den souveränsten Eindruck. Inzwischen soll es den nationalen Compaq-Gesellschaften gelungen sein, in der Zentrale in Houston eine größere Eigenständigkeit bei der Umsetzung des CIA-Programms durchzusetzen. Hier war der Sturmlauf der Entrüstung der Systemhäuser in Deutschland sicher hilfreich. Motto: Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt.

Das gilt natürlich auch weiterhin: Der Handel in Deutschland ist schlecht beraten, wenn er sich mit Direktvertriebsabsichten der Hersteller abfindet. Ein Hersteller, der die Kunden seines Vertriebspartners direkt angeht, ist der Konkurrent des Handels, nicht der Partner. Das muss man deutlich so sehen. Es ist richtig, dass der Direktvertrieb in wenigen Einzelfällen sinnvoll ist, aber nur dort. Flächendeckend ist dies eine schlechte Lösung, auch und vor allem aus Sicht des Kunden. Die bei Herstellern beliebte Losung "Wir wollen dem Kunden die Freiheit lassen, wo er einkauft" klingt nur gut, ist aber nicht gut. Kundenorientierung hat ihre Grenzen. Eine 100-prozentige Kundenorientierung würde zum Beispiel bedeuten, dem Kunden die Produkte zu schenken. Kundenorientierung heißt, dem Kunden das zu geben, was für ihn das Beste ist. Und weil die Kunden das oftmals nicht wissen oder nicht richtig einschätzen können, muss man ihnen helfen.

Aus der Sicht des Herstellers bedeutet Kundenorientierung dann zum Beispiel auch, ihn auf die Leistung seiner Partner aufmerksam zu machen, ihn aktiv darauf hinzuweisen, dass es für ihn das Beste ist, nicht direkt zu kaufen, sondern sich an einen kompetenten Partner zu wenden, der ihm nicht nur die Ware liefert, sondern sie ihm betriebsbereit installiert und ihm auch im Problemfall zur Seite steht. Das ist wahrhaft Kundenorientierung. Und nicht die banale Einstellung "Ich gebe dem Kunden, was er will."

Das deutsche Compaq-Management scheint dies verstanden zu haben. Jetzt fragt es sich, ob das Knochenmark in der Wirbelsäule ausreicht, diese Position gegenüber den Amerikanern zu behaupten.

Damian Sicking

dsicking@computerpartner.de

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