Compu-Shack wird komplett integriert

21.05.2004
Nun ist es offiziell: Compu-Shack wird als "Networking Division" vollständig in die Ingram-MicroOrganisation integriert. Über die Gründe dafür sprachen die ComputerPartner-Redakteure Damian Sicking und Andreas Th. Fischer mit Michael Kaack und Gerhard Schulz.

Herr Kaack, nachdem Herr Krings im Dezember 2003 bei Compu-Shack ausgeschieden ist, sind Sie als Troubleshooter nach Neuwied gegangen. Wie ist heute die Situation?

Kaack Wir haben eine Ist-Aufnahme gemacht und die Gesellschaft in Bezug auf sämtliche Lieferanten- und Kundenbeziehung und natürlich auf andere Verpflichtungen und Verträge einschließlich der Mitarbeiter und Gebäude im Detail analysiert. Dabei haben wir das ganze Unternehmen untersucht und festgestellt, dass Compu-Shack unter den gegebenen Voraussetzungen keinen angemessenen Return erwirtschaftent.

Compu-Shack hat also Verluste erwirtschaftet?

Kaack Compu-Shack konnte die Kosten nicht ausreichend decken. Diesen Zustand konnten wir natürlich nicht fortsetzen.

Wie sind Sie bei Ihren Analysen vorgegangen?

Kaack Wir haben untersucht, wo die Probleme im Wesentlichen liegen. Ein bedeutendes Kriterium ist mit Sicherheit, dass der Netzwerkmarkt in den vergangenen zwei Jahren erheblich gelitten hat. Die Produkte sind nahezu alltäglich geworden und haben weniger Beratungsbedarf als in der Vergangenheit. Demzufolge sind auch die Margen verfallen, und der Wettbewerb hat zugenommen. Das gilt auch für die Hersteller selbst. Die großen Anbieter müssen sich heute den Konkurrenten aus Fernost und dem damit zusammenhängenden Preisverfall stellen.

Welche Konsequenzen hat dieser Prozess, und welche Schlüsse haben Sie daraus gezogen?

Kaack Wir können nicht mehr die Marge erwirtschaften, die wir vor zwei Jahren erzielt haben. Nun ist das kein besonderes Novum in der Distribution. Trotzdem konnten wir in den vergangenen beiden Jahren in der Broadline-Distribution die Margen annähernd stabilisieren, während bei Compu-Shack die Margen permanent gesunken sind. Auch auf niedrigem Niveau zählt die Leistung: Der Kunde braucht eine Kreditlinie, eine pünktliche und vollständige Lieferung, und das kostet natürlich auch Geld.

Mit den Kosten, die wir bei Compu-Shack vorgefunden haben, können wir aber nicht mehr weiterarbeiten. Wir müssen den Value-Added-Teil, sprich Beratung oder Consulting bei Verkauf und Nachverkauf, auf der Kostenseite reduzieren, aber auch aufrechterhalten. Das ist der eine Teil. Auf der anderen Seite müssen wir auch operativ einiges ändern. Sie brauchen im Back-Office eine bestimmte Qualität, und Sie brauchen umfassende Kontrollkriterien und -prozesse, die Sie sauber durchführen müssen. Von der Bestellung des Kunden über die Disposition der Ware bis hin zur Lieferung brauchen Sie ein leistungsfähiges Finanz- und Rechnungswesen.

Was geschieht mit dem BackOffice?

Kaack Wir werden die Backoffice-Funktionen in Zukunft in der Broadline-Distribution wahrnehmen, weil eine kleine Gesellschaft wie Compu-Shack das nicht mehr kosteneffektiv aufrechterhalten kann. Compu-Shack betreut zahlreiche Projekte; in diesem Geschäft bekommen die Kunden besondere Zusatzrabatte, die wir wiederum beim Hersteller einfordern müssen. Diese Prozesse sind sehr komplex und schwierig. Da hat es schon in der Vergangenheit bei den meis-ten Broadline-Distributoren Probleme gegeben. Wir haben diese Vorgänge deshalb in den vergangenen Jahren hoch automatisiert und die nötigen Prozesse ständig verbessert.

Schulz Es waren im Wesentlichen externe Rahmenbedingungen, die diese Situation herbeigeführt haben. Der Margenverfall und insbesondere der Verfall im ganzen Dienstleistungsgeschäft haben dazu geführt, dass das Verhältnis zwischen Kosten und Erträgen nicht stimmte. Ein Händler kauft heute kaum mehr Training ein. Und wenn Sie sich anschauen, welche Leistungsmerkmale der Markt von der Value-Added-Distribution heute noch fordert, dann ist das kompetenter Vertrieb, Presales-Support, Postsales-Support und professionelle Unterstützung in der Gewinnung von Projekten. Aber nicht mehr Trainingsleistungen, die in der Vergangenheit stark gefordert wurden.

Die klassische Distributionsleis-tung können wir wesentlich kostengünstiger über die Broadline-Distribution erbringen. In Zukunft wird die gesamte Logistik, IT und Finanztechnik von dort aus erbracht. Auf der anderen Seite internationalisieren einige Hersteller wie Cisco das Geschäft. Dank unseres weltweiten integrierten Warenwirt-schaftsystems "Impulse" können wir zentral beschaffen und dezentral Absatz betreiben. Das ist ein erheblicher Vorteil gegenüber unserer Konkurrenz.

Was unterscheidet die Netzwerkdistribution sonst noch vom Broadline-Geschäft?

Kaack Die Anforderungen sind anders. Die Kunden erwarten Beratung beim Auftrag, bei der Auswahl des Herstellers, bei der Kombination der Produkte und dann möglicherweise auch noch beim Aftersales-Support und bei der Konfiguration. Das Gleiche erwarten die Hersteller von uns. Aber in vielen Fällen bieten die Roherträge dafür keinen Spielraum mehr. Deswegen ist das für uns eine Gratwanderung, der wir uns stellen.

Was bedeutet das konkret?

Kaack: Das heißt, wir müssen Synergien erarbeiten, wo immer sie möglich sind. Im Wesentlichen betrifft das Bereiche wie die Distribution von Waren, den gesamten Bestellbereich und die dazugehörige Abwicklung, das Pricing von Produkten sowie die Artikelstammpflege. Dann natürlich den gesamten Finanzbereich, den Bereich Verwaltung und alles, was damit zu tun hat. Bis hin zu Kleinigkeiten wie beispielsweise den Fuhrpark für die Mitarbeiter müssen wir in der Bearbeitung Synergien der Broadline-Distribution nutzen, um Kosten zu sparen.

Und unter dem Strich?

Kaack Wir integrieren Compu-Shack in die Ingram Micro Distribution GmbH. Diese Integration hat natürlich auch gesellschaftsrechtliche und arbeitsrechtliche Konsequenzen. Der erste Schritt war zunächst einmal eine EDV-Umstellung, weil wir festgestellt hatten, dass uns die vorhandenen Tools keine Prozessverbesserung in angemessener Zeit erlaubt hätten.

Was ist alles umgestellt worden?

Kaack Alles. Alle Enterprise-Lösungen, also die gesamte Software. Compu-Shack ist in den vergangenen zwei Jahren so schnell gewachsen, dass die bestehenden Software-Tools das Geschäftsmodell nicht mehr unterstützen konnten. Die Entscheidung zu einer radikalen Umstellung habe ich im Januar gefällt. Bis auf wenige Beschwerden hat das auch gut geklappt. Die EDV-Umstellung versetzt uns nun in die Lage, viele der Prozesse der Compu-Shack in Ingram Micro zu integrieren, weil wir jetzt die gleiche Softwarestruktur haben. Seit dem 1. April arbeiten wir auch bei Compu-Shack mit "Impulse".

Was heißt denn die, wie Sie es ausdrücken, weitgehende Integration von Compu-Shack in Ingram? Was bedeutet das konkret? Was bleibt denn noch von der alten Compu-Shack am Standort Neuwied übrig?

Kaack Von der alten Compu-Shack bleibt mit Sicherheit die ValueAdded-Distribution übrig, sprich der Bereich Sales einschließlich Außendienst und das Produktmanagement nebst Support und Consulting. Die Business Unit müssen wir ja auch als Verpflichtung gegenüber unseren Herstellern aufrechterhalten. Mit Unternehmen wie Cisco, Enterasys und Nortel haben wir Verträge, wie wir bestimmte Produkte vertreiben und supporten.

Die sind aber doch sicherlich nicht an den Ort gebunden ...

Kaack Nein, aber sie sind an eine Mannschaft gebunden.

Sie wollen die Menschen nicht verlieren, die diesen Job machen, und daher muss Neuwied aufrechterhalten werden?

Schulz Wir wollen die gleiche Leis-tung kostengünstiger erbringen, brauchen dazu aber das bestehende Kompetenzprofil der Mitarbeiter. Und das sitzt heute in Neuwied und ist langjährig gewachsen. Das wollen wir erhalten.

Sind die Personen, die Sie behalten möchten, weitestgehend identifiziert?

Kaack Ja, weitestgehend schon.

Wie viele Mitarbeiter bleiben?

Kaack Das lässt sich noch nicht hundertprozentig sagen. Wir werden den Bereich "Training" auslagern und, wie bereits angekündigt, den Bereich "Productions" mit den "Goldline"-Produkten verkaufen, während wir aber die Produkte dann weiterhin distribuieren und supporten werden. Beides wird bis zum 30. Juni abgeschlossen sein. Davon betroffen sind etwa 30 Mitarbeiter. Insgesamt werden wir gut 100 Personen weiterhin beschäftigen. Den Lagerarbeitern bieten wir an, dass sie nach Straubing gehen können. Einige haben das auch schon angenommen.

Schulz Wir behalten die Kernbereiche Sales- und Marketing in Neuwied. Segmente wie Administration, Logistik, IT, Personalwesen und Finanzen bauen wir dagegen ab und erbringen sie in Zukunft aus der Broadline-Organisation.

Was ändert sich bei der Kundenbetreuung?

Schulz Bei Compu-Shack und Ingram Micro handelte es sich um zwei nicht integrierte Unternehmen mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Da liegt es in der Natur der Sache, dass sich die Kundenbereiche vermischen. Während Ingram Micro heute über 20.000 Kunden bedient, die mindestens einmal im Monat kaufen, bediente Compu-Shack auch mehrere tausend Kunden. Ob das noch effizient ist, bezweifeln wir. Es sind nur einige hundert Kunden, die vor allem Netzwerkkomponenten beschaffen. Diese Kunden werden weiter direkt aus Neuwied betreut. Nach sechs bis neun Monaten werden wir dann keine Überlappungen mehr haben.

Kaack Compu-Shack wird die Value-Added-Networking-Division der Ingram Micro GmbH. Deswegen brauchen wir Kundenklarheit. Wenn Sie effizient arbeiten wollen, gilt: "One face to the Customer". Wenn ein Kunde Potenzial hat, dann kann er auch fordern, dass er gut und individuell über das gesamte Sortiment betreut wird.

Auch über das gesamte Broadline-Sortiment?

Schulz Nehmen wir ein Beispiel: Ein Kunde kauft High-Value-Komponenten in der Größenordnung von 50.000 bis 100.000 Euro. Dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er noch einmal im gleichen Umfang Commodity-Netzwerkkomponenten sowie System- und Peripherieprodukte benötigt, um die Clients auszustatten.

Eine Produktbereinigung gibt es aber nicht?

Schulz Nein.

Wird es Änderungskündigungen geben?

Kaack Ja, Änderungskündigungen wird es geben. Wir bieten Mitarbeitern aber auch an, dass sie wechseln können.

Werden die Restrukturierungsmaßnahmen die Ingram-Micro-Bilanz in diesem Jahr noch mal kräftig belasten?

Kaack Sicher entstehen dabei Kos-ten, aber die haben wir geplant.

Was ist mit dem Namen Compu-Shack?

Schulz Der Name ist unabhängig von der Rechtsform. Aber wir werden die Ingram-Micro-Identität zunehmend in den Namen mit einbinden. Der zeitliche Rahmen hierfür steht jedoch noch nicht fest.

Kaack Compu-Shack ist bereits jetzt die "Ingram Micro Network and Services Business Unit". Diesen Namen verwenden wir schon in der Werbung und in Briefköpfen.

Rechnen Sie damit, dass Kunden abwandern werden?

Schulz Wir werden alles dagegen tun, dass Kunden abwandern.

Kaack Unsere Kunden erhalten einen besseren Service als in der Vergangenheit. Compu-Shack hatte weder die Logistik noch die ITInfrastruktur gehabt, die das Geschäft angemessen hätte unterstützen können. Das hat zu Fehlern und Problemen geführt. Selbstverständlich wollen wir jeden Kunden und jeden Lieferanten behalten, den Compu-Shack bedient hat.

Wer führt die neue Business Unit?

Kaack Der bisherige Geschäftsführer Ulrich Hess wird das Unternehmen auf eigenen Wunsch verlassen. Sein Kollege Thomas Veith, Geschäftsführer Produktmanage-ment, wird die Umstrukturierungen begleiten und den Konzern bei der Integration der Bereiche unterstützen und die Verlegung des Europageschäftes innerhalb der Ingram-Micro-Gesellschaften in das europäische Headquarter unterstützen. Das Marketing wird Udo Neukirchen leiten, der bisher den Cisco-Bereich betreut hat. Thomas Groß, der zuletzt das Vertriebs-Controlling leitete, wird die Vertriebsleitung übernehmen. Ich selbst werde die Integration natürlich bis zum vollständigen Abschluss begleiten.

Letztlich wird der gesamte Bereich Produktmanagement mit den Cisco-, Enterasys- und NortelBetreuern und dem CommodityBereich an die Organisation von Robert Beck berichten. Der Sales-Bereich wird an die Vertriebsorganisation von Gerhard Schulz berichten. Finanzen werden in den Finanzbereich integriert. Das Gleiche gilt für Personalwesen, Verwaltung und Fuhrpark, Logistik und Retourenabwicklung.

Wann, denken Sie, wird alles in trockenen Tüchern sein?

Kaack Die Integration soll bis Ende dieses Jahres vollständig abgeschlossen sein. Bis dahin soll die Gesellschaft auch voll gesellschaftsrechtlich integriert sein. Noch in diesem Jahr wird Compu-Shack als Business Unit wieder so aufgestellt sein, dass sie in Zukunft profitabel agieren kann.

Neben der Restrukturierung musste bei Compu-Shack auch das normale Tagesgeschäft weitergehen. Hat es stark gelitten?

Kaack Das lief zufrieden stellend, wir haben keine dramatischen Umsatzeinbußen hinnehmen müssen. Lediglich wegen der EDV-Umstellung haben wir zwei Wochen ein wenig gelitten. Das Niveau hat aber schon wieder angezogen.

Wie geht es mit den Kreditlinien der Compu-Shack-Kunden weiter?

Kaack Die behalten natürlich ihre Linien, oder wir werden die Linien zusammenführen. Das werden wir im Einzelfall prüfen und mit dem Versicherer abstimmen. Wir haben bei Ingram Micro über die Jahre ein äußerst professionelles Team aufgebaut. Ein kleiner Distributor kann sich das gar nicht leisten. Der Bereich ist deswegen auch schon in Ingram Micro integriert. Kreditvergabe und -kontrollen haben wir in Neuwied bereits abgeschafft.

Schulz Durch eigengemanagtes Kreditrisiko waren wir in der Lage, unsere Kosten in diesem Bereich zu senken. Diese Stärke werden wir bei Compu-Shack ebenfalls gewinnbringend einbringen.

Schwere Zeiten an der Börse

An nur einem einzigen Tag reduzierte sich der Aktienkurs des weltgrößten Broadliners Ingram Micro um rund 26 Prozent und führte damit die Negativstatistik des 30. April 2004 an - und das, nachdem Chairman und CEO Kent B. Foster eigentlich positive Zahlen für das erste Quartal 2004 präsentiert hatte. Was war geschehen?

Trotz eines Umsatzanstiegs um 15 Prozent auf 6,3 Milliarden Dollar und eines mit 37,6 Millionen Dollar fast vervierfachten Nettogewinns waren die Prognosen für das kommende Quartal deutlich niedriger als von den Analysten erwartet. Diese gedämpften Aussichten und das Detail, dass ein Teil des Umsatzgewinns auf einem günstigen Euro-Dollar-Kurs beruhte, führten letztlich zu der Herabstufung durch eine Rating-Agentur.

Das Verhängnis an der New Yorker Börse konnte damit seinen Verlauf nehmen und den größten Wettbewerber gleich mit in die Tiefe reißen. Auch die Aktien von Tech Data sanken um 13 Prozent. Seit jenem Tag haben sich die Aktienkurse der beiden Broadliner aber bereits wieder leicht erholt. AFI

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