Comtech-Chef Bäurle: "Wer den Trend zur PC-Marke verschläft, geht gnadenlos den Bach runter"

09.05.1997
STUTTGART: Für den Waiblinger PC-Händler Comtech gibt es viel zu tun. Die Integration der vor Jahresfrist übernommenen Escom-Filialen geht nur schleppend voran, für den TV-Sender Pro 7 baut das Unternehmen einen eigenen Rechner und schließlich wollen die Schwaben gemeinsam mit der IBM den deutschen Consumer-Markt aufmischen (siehe Kasten). Comtech-Geschäftsführer Joachim Bäurle erklärt im Gespräch mit den CP-Redakteuren Damian Sicking und Susann Naumann, wie er alles unter einen Hut bringen will und warum die Kooperation mit Big Blue für ihn so wichtig ist.

STUTTGART: Für den Waiblinger PC-Händler Comtech gibt es viel zu tun. Die Integration der vor Jahresfrist übernommenen Escom-Filialen geht nur schleppend voran, für den TV-Sender Pro 7 baut das Unternehmen einen eigenen Rechner und schließlich wollen die Schwaben gemeinsam mit der IBM den deutschen Consumer-Markt aufmischen (siehe Kasten). Comtech-Geschäftsführer Joachim Bäurle erklärt im Gespräch mit den CP-Redakteuren Damian Sicking und Susann Naumann, wie er alles unter einen Hut bringen will und warum die Kooperation mit Big Blue für ihn so wichtig ist.

? Bisher hat die IBM im deutschen Consumer-Markt trotz erheblicher Anstrengungen kein Bein auf den Boden bekommen. Warum glauben Sie, daß sich das durch die Kooperation mit Ihrem Unternehmen ändert?

BÄURLE: Beide Unternehmen bringen in die Vereinbarung konsequent ihre Stärken ein. Bei der IBM sind das Forschung und Entwicklung, Quality Management-, Service- und Manufactoring-Erfahrungen. Davon profitieren wir. Ich als Mittelständler bin doch gar nicht in der Lage, solch ein Know-how allein aufbauen zu können. Wir hingegen bringen unsere Kenntnisse im deutschen PC-Consumer-Markt und die Beweglichkeit eines mittelständischen Unternehmens mit - immerhin sind wir in der Lage, in nur vier Wochen ein neues Produkt auf den Markt zu bringen. Zudem kann die IBM durch unser Filialnetz ihre Aptivas flächdeckend auf den Markt bringen. Die Verbindung ist fast genial.

? Warum haben Sie sich ausgerechnet IBM ins Boot geholt?

BÄURLE: IBM ist ein Unternehmen, das vom IT-Know-how her traditionell immer an vorderster Spitze rangiert. Da können weder Compaq noch Hewlett-Packard mithalten. Aus diesem Grund gab es für uns keine Alternative. Außerdem habe ich mit IBM schon seit Jahren gute Erfahrungen gemacht. Und: IBM agiert - im Gegensatz zu anderen Unternehmen - unheimlich partnerschaftlich.

? Mit den IBM-PCs holen Sie sich die Konkurrenz ins Haus. Stört Sie das nicht?

BÄURLE: Natürlich wird die Kooperation zur Kannibalisierung unserer eigenen Handelsmarke führen. Damit habe ich aber kein Problem. Vielmehr ist es doch so, daß sich der Markt zur Marke dreht. Und darin liegt unsere Chance. Wir holen mit den IBM-Geräten ein Marken- und damit ein Lifestyle-Produkt in unsere Geschäfte. Aus der Comtech-Marke Pacomp oder den Escom-PCs kann ich aber kein Lifestyle-Produkt machen.

? Werden Sie sich mit dem IBM-Deal Ihrem ursprünglichen Geschäftsmodell, dem PC-Verkauf an Insider und Freaks, nicht untreu?

BÄURLE: Unser Geschäft hat sich durch die Übernahme der Escom-Läden zwangsläufig verändert, was natürlich eine Neuorientierung zur Folge hat. Das heißt aber nicht, daß ich damit die klassischen Comtech-Käufer vernachlässigen werde, im Gegenteil: Die werde ich hofieren wie eh und je. Nur wird dieses Segment immer kleiner, und durch die Kooperation mit IBM habe ich die Möglichkeit, neue Kundensegmente zu erschließen.

? Ihre Prognose, daß sich der Markt zur Marke dreht, erstaunt schon etwas. Bisher ist noch kein Trend in diese Richtung zu sehen.

BÄURLE: Wie soll man den auch erkennen? Bisher war die IBM hierzulande nicht in der Lage, einen Consumer-PC in der Preislage einer Handelsmarke zu positionieren, der dann auch noch flächendeckend verfügbar ist und ausreichend beworben wird. Daß das aber geht, demonstriert derzeit Compaq in Frankreich. Denen gelingt es, durch verkürzte Innovationszyklen und eine super Preisgestaltung kräftig Marktanteile zu gewinnen. Und genau das machen wir hier auch. Wenn dann noch das Know-how und der After-Sales-Service dazukommt, kann ich doch nur noch gewinnen.

? Trotzdem hielt sich der Erfolg anderer PC-Handelsketten mit dem Verkauf von Marken-PCs in Grenzen, was vor allem an der Preisgestaltung lag.

BÄURLE: Ich habe vor einigen Wochen über die Comtech-Läden ein IBM-Gerät für 1.990 Mark angeboten. Der Abverkauf war überragend. Und wir haben dadurch eine Zielgruppe in die Läden bekommen, die normalerweise nicht bei uns kauft.

? Im vergangenen Jahr hat die IBM lediglich 10.000 Consumer-PCs in Deutschland verkaufen können. Was haben Sie für Absatzerwartungen für die Aptiva-Geräte?

BÄURLE: Ich denke, daß wir in den ersten zwölf Monaten der Kooperation ohne größere Anstrengungen zwischen 50.000 und 100.000 IBM-PCs auf den Markt bringen werden. Und auch meine eigene Handelsmarke wird weiterhin eine große Rolle spielen.

?Die IBM-PCs sollen außer in den Comtech- und Escom-Shops zusätzlich über weitere Vertriebskanäle verkauft werden. Wagen Sie damit nicht den riskanten Spagat zwischen Endkundengeschäft und Distribution?

BÄURLE: Nein, weil sich die Distribution lediglich auf die vertraglich festgelegte Aptiva-E-Serie bezieht.

? Welche weiteren Vertriebskanäle haben Sie im Auge?

BÄURLE: Das können sowohl Flächenmärkte als auch Kaufhäuser sein. Und natürlich Einkaufskooperationen, wie Interfunk oder Ruefach. Gerade die kleinen Fachhändler sind prädestiniert dafür, Consumer-PCs wie die von IBM zu verkaufen.

? Ein weiteres Mammutprojekt für Ihr Unternehmen ist die Integration der 90 Escom-Geschäfte, die Sie im vergangenen Jahr übernommen haben.

Wie geht es damit voran?

BÄURLE: Wenn wir früher eine neue Filiale aufgemacht haben, war die bereits nach etwa vier Monaten profitabel. Bei den Escom-Geschäften ist das in dieser Zeit nicht zu schaffen. Dafür gab es zu viele

Probleme, die bei der Übernahme aufgetaucht sind. Trotzdem denke ich, daß die Filialen in zwölf bis 16 Monaten schwarze Zahlen schreiben.

? Warum haben Sie die Läden überhaupt gekauft?

BÄURLE: Betrachten Sie Escom als Investition in die Zukunft und setzen Sie über das Thema gedanklich die IBM.

Zumal ist es spannender, solch ein Projekt, wie wir es jetzt angegangen sind, mit 200 als mit 100 Läden zu starten.

? Wie steht es um die Profitabilität Ihres Unternehmens? Neuerdings hüllen Sie sich diesbezüglich in Schweigen.

BÄURLE: Wenn wir rote Zahlen schreiben würden, hätte die IBM niemals solch einen Vertrag mit uns gemacht. Was glauben Sie, wie hoch deren Imageschaden wäre, wenn solch ein Projekt nicht funktioniert. Was die Veröffentlichung der Zahlen angeht, habe ich dem Wunsch meines Gesellschafters Pallas entsprochen, der mich bat, mit Zahlen dosierter umzugehen.

?Sie haben sich einmal das Ziel gesetzt, beim Umsatz bis zum Jahr 2000 die Ein-Milliarden-Mark-Grenze zu überspringen. 1996 lagen Sie bei 432 Millionen Mark, dieses Jahr läuft es nicht so gut. Halten Sie dennoch an diesem Ziel fest?

BÄURLE: Ja, diese Vorgabe ist nach wie vor zu schaffen.

? Woher soll denn aber das Wachstum kommen?

BÄURLE: Vor allem in den Escom-Filialen steckt ein erhebliches Potential. Die sind noch lange nicht da, wo man sie hinbringen kann. Unser zweites wichtiges Standbein wird die IBM-Kooperation sein.

? Ein wichtiger Wachstumsträger war auch immer das Kompontengeschäft. Wie entwickelt sich dieser Bereich?

BÄURLE: Früher lag der Umsatzanteil mit Komponenten bei 35 und mit PCs bei 65 Prozent. Dieses Verhältnis hat sich in Richtung PCs verschoben, was auch durch das Escom-Engagement verursacht wurde. Zum anderen spielen Komponenten heute nicht mehr die Rolle wie noch vor zwei Jahren. So etwas wie Windows 95 hat es eben seitdem nicht mehr gegeben.

? Wie soll denn das angestrebte Wachstum finanziert werden?

BÄURLE: Die Finanzierung ist durch die Investorengruppe Pallas gesichert, an die ich vor zwei Jahren 25 Prozent der Anteile an Comtech verkauft habe. Außerdem haben wir eine vernünftige Unternehmensstruktur, flache Hierarchien und arbeiten mit SAP R/3. All das sind gute Voraussetzungen, um auch einmal schwierige Zeiten durchzustehen.

? Ein weiteres Vorhaben, das Sie verfolgten, war der Börsengang Ihres Unternehmens. Ist das heute noch aktuell?

BÄURLE: Für mich als Mehrheitsgesellschafter ist es nach wie vor das große Ziel, einmal an die Börse zu gehen. Damit könnte ich das Unternehmen endgültig finanziell absichern. Wann das aber so weit sein wird, kann ich nicht sagen. Vielleicht zur Jahrtausendwende. Bis dahin, so denke ich, steht Comtech sicher und sauber da.

? Sie sind nach dem Zusammenbruch von Escom Deutschlands zweitgrößter Computerhändler. Nach dem Willen von Media-Markt-Chef Walter Gunz soll sich das ändern. Er will innerhalb von zwei Jahren Marktführer werden. Halten Sie das für realistisch?

BÄURLE: Die Konzeption vom Media Markt ist gut. Durch die Flächenkonzeption und die Produktvielfalt hat das Ganze sicher Zukunft. Die Frage ist nun, ob es nicht unserem Unternehmen gelungen ist, die Flächendeckung mit der Marke zu verbinden. Vielleicht ergibt sich ja aus dem IBM-Deal ein Gegengewicht zum Media Markt. Eines aber weiß ich sicher: Wer in den nächsten Jahren das Thema PC-Marke verschläft, wird gnadenlos den Bach runter gehen. Ich habe diese Waffe und kann Comtech jetzt in aller Ruhe straffen, umbauen und neu ausrichten.

? Haben Sie in dieser Richtung schon konkrete Pläne?

BÄURLE: Wir sind im Moment dabei, dem Unternehmen einen neuen, einheitlichen Firmenauftritt zu verpassen. Danach wird es nicht mehr die Filialketten Comtech und Escom 2001, sondern nur noch eine neugestaltete "comtech" geben. Gleichzeitig wollen wir die Escom Blackline wiederbeleben und aus den Pacomp-PCs wird die Handelsmarke "comtech".

Außerdem gibt es künftig in 160 Läden auch PC-Spiele-Software zu kaufen. Und dieses neue Segment, da bin ich mir sicher, wird uns einen zusätzlichen Wachstumsschub verleihen.

Ist mit der Entwicklung der zugekauften Escom-Filialen noch nicht zufrieden: Comtech-Gründer und -Geschäftsführer Joachim Bäurle.

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