Comtechs letztes Kapitel: die Geschichte des Michael Märtens

19.06.2003
Der tiefe Fall des einstigen Vorzeigeunternehmens Comtech beschäftigt noch immer die Gemüter - und bald wohl auch noch die Gerichte. Erstmals spricht nun der Inhaber der PC-Kette, Michael Märtens, exklusiv in ComputerPartner über die Hintergründe der Insolvenz, die Rolle der Ex-Mutter Mobilcom und über seinen Traum, mal ein ganz Großer zu werden.

Ist der Mann mutig, naiv oder einfach nur irre, fragte sich die IT-Branche im vergangenen Sommer, als Michael Märtens auf der Bildfläche erschien, um die lädierte Comtech-Kette von der Mobilcom zu übernehmen. Mit seiner verhältnismäßig kleinen Trend-e-Pak-Gruppe schien er keinesfalls die finanzielle Kraft für mehr als 60 zusätzliche Filialen, 300 Mitarbeiter und ein paar Millionen Miese zu haben. Dass er keinesfalls blauäugig, sondern mit einer durchdachten Strategie an die Sache rangegangen ist, beteuert Michael Märtens noch heute. Und dass die Branche eine Erfolgsgeschichte hätte gut gebrauchen können: "Hätte alles geklappt, hätte Comtech die größte Komponentenkette Deutschlands werden können."

Wer hat wie viel Schuld?

In ComputerPartner schildert der Manager, der mit seinem Traum, ein ganz Großer zu werden, gescheitert ist, erstmals seine Sicht der Dinge. Eine Geschichte, die wohl kein Happy End haben wird: Die Comtech-Gruppe ist insolvent, die Aussichten auf einen positiven Ausgang sind gering. Märtens hat eine eigene Theorie, warum es schief gegangen ist: "Wir haben uns als Kleiner wohl mit zu vielen Großen angelegt."

Wer wie viel Schuld an der Pleite trägt, beschäftigt derzeit aber nicht nur ihn, sondern auch zwei Insolvenzverwalter und demnächst wohl auch die Gerichte. Geklärt werden soll unter anderem, ob sich Michael Märtens der Insolvenzverschleppung schuldig gemacht hat, wie einige Mitarbeiter behaupten. Und warum es die Mobilcom bis heute nicht geschafft hat, eine Schlussbilanz für die Kette abzuliefern, wie Märtens beklagt. Die Insolvenzverwalter prüfen, ob es Mitarbeiter gab, die in die eigene Tasche gewirtschaftet haben und ob es bei der Ex-Mutter Mobilcom vielleicht noch Geld zu holen gibt.

Ein tragisches Ende für eine Firma, deren Entwicklung einst als Vorzeige-IT-Erfolgsstory galt: 1985 wurde die PC-Kette vom damals erst 25-jährigen Joachim Bäurle gegründet, zehn Jahre später feierte man die Eröffnung der hundertsten Filiale. Nach dem Kauf von Escom und Partnerschaften mit Branchengrößen wie IBM krönte 1998 die Kooperation mit der Mobilcom die Entwicklung. Die Mehrheitsübernahme durch den Konzern folgte 1999. 40 bis 50 neue Filialen pro Jahr wollte der neue Eigentümer entstehen lassen, stattdessen wurde im Sommer 2002 die bevorstehende Schließung der Kette verkündet. Der Sozialplan war fertig, die Mietverträge waren gekündigt, da kam Märtens.

Innerhalb von nur vier Tagen sei die Übernahme abgewickelt worden, hieß es damals hinter vorgehaltener Hand. Viel Zeit zum Nachdenken habe er nicht gehabt, bestätigt Michael Märtens jetzt: "Es musste sehr schnell gehen. Die Auflösung von Comtech war beschlossene Sache, die Kündigungen waren schon geschrieben, hätten wegen der Kündigungsfristen noch am selben Tag verschickt werden müssen." Während der Verhandlungen habe er immer auf den Kasten mit den Kündigungsschreiben geblickt, sagt Märtens: "An diesem Freitag musste klar sein, ob die Übernahme stattfindet oder nicht - und zwar quasi, bevor die Post abgeholt wird."

Einen symbolischen Euro habe er für die PC-Kette bezahlt, meldeten die Medien. Tatsächlich waren es zwei. Er sei keinesfalls naiv an die Sache rangegangen, sagt der Manager. "Wir haben alles durchgespielt, die Strategie war auch wirtschaftlich sinnvoll, es hätte sich gerechnet." Sagten jedenfalls die Unternehmensberater, die sich Märtens zur Unterstützung geholt hat.

Sein Unternehmen, die Trend-e-Pak-Gruppe, kannte zu diesem Zeitpunkt allerdings kaum jemand in der IT-Branche. 25 Mitarbeiter und etwa 12,5 Millionen Euro Umsatz hatte das Unternehmen 2001 verbucht. Trend-e-Pak startete 1996 als Logistiker, in den IT-Sektor rutschten die Wolfsburger eher zufällig hinein. Als Sys-temhaus entwickelte und betreute die Firma abgeschlossene Marktplätze - zum Beispiel den Siemens-Onlineshop und auch den PC-Werksverkauf für FSC. Märtens wäre zufrieden, wenn er heute an dem Punkt von damals anknüpfen könnte: "Trend-e-Pak hat Geld verdient", sagt er.

Vor allem Fujitsu Siemens bescherte der Firma nach Angaben von Märtens Millionenumsätze. Auch weil die Geschäfte hier so gut liefen, habe man über die Ausweitung der eigenen Kanäle nachgedacht und Comtech als große Chance empfunden. Denn dass es mit Fujitsu Siemens gerade nach der Expansion gut laufen würde, davon war Märtens überzeugt: "Das war eine sehr gute Kombination, deshalb gab es da für mich auch kein Risiko", sagt er. Doch plötzlich brach das Standbein weg, erzählt Märtens. Es habe einen Personalwechsel an entscheidender Stelle gegeben und "man stand danach nicht mehr hinter diesem Geschäft".

Kein Vertrauensvorschuss

Auch an anderer Stelle wurde es eng: Banken, Lieferanten und Kreditversicherer, die ihr Vertrauen in die Comtech zu Mobilcom-Zeiten verloren hatten, begrüßten den neuen Besitzer keinesfalls mit offenen Armen: "Zu Mobilcom-Zeiten wurden Comtech die Kreditlinien gestrichen und nach der Übernahme auch nicht neu bewilligt", erzählt Märtens. Das habe ihn sehr überrascht, schließlich habe er ein gutes Konzept vorlegen können. "Ich habe gedacht, es kann nicht sein, dass es an solchen Lächerlichkeiten scheitert."

Zu den "Lächerlichkeiten" trug nach Aussage von Märtens vor allem die Ex-Mutter Mobilcom eine Menge bei. So habe ihm der Konzern wichtige Unterlagen vorenthalten: "Wir haben bis heute keine Schlussbilanz bekommen", sagt Märtens. "Ohne Schlussbilanz kann man keine Eröffnungsbilanz erstellen und auch keine Jahresbilanz. Und ohne Unterlagen gibt es natürlich auch keine Kredite."

Und weil kein Geld floss, ging Märtens nach eigener Aussage zuletzt auch mit dem größten geplanten Projekt baden: der Übernahme von 150 T-Punkten in Deutschland. Seit Oktober habe er mit der Telecom verhandelt, erzählt Märtens. Man sei sich einig gewesen, hätte ein gemeinsames Logo und Einrichtungen entworfen, sogar schon gemeinsame Läden angemietet, darunter einen in München und habe nur noch da-rüber gesprochen, ob die gemeinsamen Shops in Form einer Kooperation, als Franchise-System oder als neue Firma betrieben werden sollten.

Etwa 1.000 Arbeitsplätze hätte man damit retten können, sagt Märtens. Sein Konzept, TK und PC-Handel zu vereinen, wäre aufgegangen, da ist sich der Manager sicher. Allerdings hat auch die Telekom dem angeblichen neuen Partner nicht über die Ebbe in der Kasse hinweghelfen wollen. Es tue ihm vor allem für seine Mitarbeiter leid, die informiert waren und sich für diese Idee engagiert hätten, sagt Märtens. "Natürlich wären wir eine ernst zu nehmende Konkurrenz für die Mobilcom gewesen." Bei der Telekom will man die T-Punkt-Geschichte und die gemeinsamen Pläne nicht bestätigen, aber auch nicht dementieren: "Wir äußern uns dazu prinzipiell nicht", so das Statement.

Mobilcom: vorteilhafte Lösung für die Mitarbeiter

Auch die Vorstände der Mobilcom möchten nicht mehr mit der Comtech-Saga in Verbindung gebracht werden. "Für ein eventuelles Missmanagement kann nicht der Altgesellschafter verantwortlich gemacht werden", lässt der Vorstand deshalb über einen Unternehmenssprecher mitteilen. Man habe den Verkauf als Chance betrachtet, das Unternehmen wieder in die Profitabilitätszone zu führen. Als Alternative hätte es jedenfalls nur noch die Schließung gegeben. "Rückblickend war der Verkauf die für die Mitarbeiter vorteilhaftere Lösung, da sie im neuen Unternehmen für weitere acht Monate Gehalt bezogen haben", heißt es in der Erklärung der Mobilcom. "Um über den Sozialplan einen ähnlich hohen Betrag zu erzielen, hätte ein Mitarbeiter über 13 Jahre bei Comtech beschäftigt sein müssen." Ansonsten, betont der Vorstand, habe man mit der Sache nichts mehr zu tun.

Das ist so nicht ganz richtig: Denn zwischen der Comtech und einer Mobilcom-Tochter bestand ein so genannter "Beherrschungsvertrag". Der verpflichtete Comtech zur Abführung aller Gewinne an die Tochter und damit an die Mobilcom, den Konzern im Gegenzug aber auch dazu, mögliche Verluste auszugleichen. Der inzwischen gekündigte Vertrag soll auch nach dem Verkauf noch gegolten haben, berichten Insider. Man streite sich nun um etwa 14 Millionen Euro. Mobilcom-Mitarbeiter bestätigen, dass es zwischen dem Konzern, Märtens und den Insolvenzverwaltern bereits Gespräche über eine finanzielle Lösung gegeben hat; auch die anderen Beteiligten dementieren nicht. Der Ausgang sei noch offen, berichtet ein Insider. "Die Mobilcom strickt aber schon an einer Legende, wie sie diese Zahlung der Öffentlichkeit als sozialen Akt gegenüber den Comtech-Mitarbeitern verkaufen kann." (mf)

www.trend-e-pak.de

www.mobilcom.de

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