CTI eröffnet Chancen für Softwareentwickler und PC-Händler

20.03.1998

MÜNCHEN: Die Öffnung des deutschen Telekommunikationsmarktes, gepaart mit der bestehenden ISDN-Infrastruktur, bietet gute Voraussetzungen für die schnelle Verbreitung von CTI-Anwendungen. Trotzdem haben viele Softwareentwickler und VARs die Möglichkeiten des Telefons als PC-Eingabegerät noch nicht erkannt. Diese Ansicht vertritt Friedrich-Wilhelm Uthe, Prokurist bei der Susi Technology GmbH in Heidelberg, einem Anbieter von CTI-Entwicklungs-Tools. Das Interview führte CP-Mitarbeiter Siegfried Dannehl.

? Das Engagement in der Computerbranche, sich mit PC-basierende CTI-Anwendungen zu beschäftigen ist bisher gering. Sind Berührungsängste gegenüber der Telekommunikationstechnik die Ursache dafür?

UTHE: Es besteht zuviel Ehrfurcht vor dem Telefon. Die Gründe hierfür liegen in der Vergangenheit: Bis vor kurzem war halt alles rund um die Telekommunikation genehmigungspflichtig. Man durfte ja noch nicht einmal eine Telefondose aufschrauben. Berührungsängste würde ich es allerdings nicht nennen. Fast jeder Händler hat schon ISDN-Karten installiert. Eine ISDN-Karte ist heute keine Telefonie-Hardware mehr, sondern eine Standardkomponente. Es sind zwischen 3,5 und vier Millionen davon in Deutschland im Einsatz. Der Respekt kommt erst auf, wenn man Worte wie Telefon oder CTI benutzt. Da herrscht noch eine Blockade in den Köpfen.

? Das heißt, Aufklärung ist der entscheidende Faktor für den erfolgreichen Einstieg der PC-Branche in den CTI-Markt und nicht umfangreiches Telekommunikations-Know-how?

UTHE: Richtig. Es gibt kaum etwas, wovor die großen TK-Anbieter wie Alcatel, Bosch oder Siemens mehr Angst haben, als vor Aufklärung. Viele EDV-ler glauben, um mit CTI zu arbeiten, müsse man Kurse besuchen. Die Anbieter aus dem TK-Bereich halten sie in diesem Glauben. Sie wollen ihre Pfründe sichern. Aufgrund ihrer Trägheit ist die gesamte TK-Branche der modernen, schnellebigen und innovativen Computerbranche weit unterlegen.

? Bedeutet das, daß Computerlösungen traditionelle TK-Anlagen früher oder später ersetzen werden?

UTHE: Im Moment ist die TK-Anlage noch unersetzlich. Es gibt keinen PC, der nur annähernd so stabil läuft wie eine TK-Anlage. Man benötigt sie als Switch, als eine Art Schaltgerät. Sie erhält zukünftig allerdings zusätzliche Intelligenz durch einen per ISDN angeschlossenen PC. ISDN ist eine Grundvoraussetzung. Die ISDN-Karte und der ISDN-Anschluß sind nicht teuer. Wer noch keinen ISDN-Anschluß hat, wird aufrüsten müssen.

? Die Hersteller von TK-Anlagen versuchen immer mehr Intelligenz und CTI-Features in ihre Anlagen zu integrieren. Steht dieser Trend der Entwicklung PC-basierender CTI-Lösungen nicht entgegen?

UTHE: TK-Anbieter können nur horizontale CTI-Anwendungen in ihre Anlagen integrieren, das heißt die Funktionen einer klassischen Telefonzentrale mit Vermittlung, VoiceMail und Ansagediensten.

Ein riesiges Potential liegt allerdings in vertikalen Anwendungen. Dabei geht es nicht darum, komplett neue Anwendungen zu entwickeln, sondern bestehende bewährte Anwendungen von der Branchensoftware bis zur komplexen Datenbank "telefoniefähig" zu machen.

? Was verstehen Sie unter "telefoniefähig"?

UTHE: Es gibt eine Fülle von vertikaler Software, die hochgradig spezialisiert ist, das heißt auf die Bedürfnisse des Anwenders angepaßt. Mit einem CTI-Toolkit haben Händler die Möglichkeit, diese Software mittels Spracherkennung an ein Telefon anzukoppeln. Das kann zum Beispiel für eine Kalkulationssoftware bedeuten, daß ich über Telefon per Spracheingabe einige Parameter eingebe, und dann das Ergebnis per Sprachausgabe, wiederum telefonisch, mitgeteilt bekomme.

? Das bedeutet, ihre Vorstellung einer CTI-Anwendung ist eine Mensch-zu-Maschine-Kommunikation, basierend auf elektronischer Spracheingabe und Sprachausgabe?

UTHE: Ja. Wir verwenden eine Sprachtech-nologie von Lernout & Hauspie. Sie ist die intelligenteste und gleichzeitig preiswerteste Sprachtechnologie derzeit. Wir haben sie so in

die Oberfläche unseres Sprachgenerators integriert, daß der Anwender oder Programmierer keinerlei speziellen Kenntnisse von Spracherkennung haben muß.

? Welches Angebot können Sie Entwicklern, VARs und Fachhändlern machen, die in das CTI-Marktsegment einsteigen möchten?

UTHE: Wir bieten Interessenten ein gestaffeltes Angebot. Da gibt es zum einen die fertige horizontale Lösung für die vier Bereiche: Telefonzentrale, Nachrichten/Voice-Mail, Auskunftsystem und Faxabruf. Der Händler bestellt bei uns ein System, das bestimmte Schlüsselworte wie Müller, Meier oder Schulz versteht. Wir liefern die angepaßte Komplettlösung, der Händler verkauft es und bekommt eine Händlermarge, die in der Größenordnung von 25 bis 35 Prozent liegt.

In der zweiten Stufe bereitet der Händler, basierend auf unserem Toolkit, die oben beschriebene Lösung selbst auf. Das heißt, er hat einen eigenen Sprecher und entwirft die Texte selbst nach Kundenwünschen. Solche Vertriebspartner bezeichnen wir als Systemhändler.

Letztlich gibt es die erfahrenen Softwareentwickler. Sie integrieren beispielsweise unsere Sprachmodule in eine bestehende Software und machen sie "telefoniefähig". Unser Toolkit ist dann innerhalb der neuen Anwendung gar nicht mehr zu erkennen.

? Wie sieht ihr derzeitiges Vertriebskonzept aus?

UTHE: Wir haben derzeit etwa 80 ausschließlich qualifizierte Vertriebspartner, das heißt Systemhändler und Softwareentwickler.

? Garantieren Ihre 80 Partner eine flächendeckende Betreuung des gesamten Marktes?

UTHE: Nein. Wir stehen erst am Anfang und wollen jetzt verstärkt den Fachhändler als reinen Vertriebspartner einbeziehen. Bis zur Systems, im Herbst diesen Jahres, möchten wir die Zahl um mindestens 500 Partnerfirmen aus dem EDV-Sektor vergrößern. In der Vergangenheit haben wir gefordert, daß man sich mit dem Toolkit auseinandersetzt und selbst in der Lage ist, für einen Endkunden eine Lösung zu realisieren. Ab der CeBIT gibt es die Möglichkeit, fertige Systeme komplett über uns zu beziehen und in der reinen Vermarktung mitzuarbeiten. Ich habe festgestellt, daß auf einen Systemhändler, der den Aufwand auf sich nimmt und sich in das CTI-Toolkit einarbeitet, fünf Händler kommen, die es anbieten würden, wenn sie denn eine fertige Lösung und Unterstützung bekämen. Deshalb haben wir das jetzt geändert und unser Vertriebskonzept geöffnet.

? Wie schätzen Sie die Zukunft computerbasierender CTI-Lösungen ein?

UTHE: Ich war im Herbst letzten Jahres auf einer CTI-Tagung in Budapest, da waren auch führende TK-Anbieter vertreten. Hinter verschlossenen Türen haben sie der These zugestimmt, daß in fünf bis sieben Jahren keine TK-Anlagen mehr verkauft werden, sondern nur noch IP-Switches. Die kommen dann zwar immer noch von den TK-Herstellern, sind allerdings offen und ohne jedes Geheimnis. Ich denke, das zeigt, welches enorme Potential speziell für die EDV-Branche im CTI-Markt vorhanden ist.

Susi-Technology-Manager Uthe verspricht den Telekommunikations-anbietern schwere Zeiten. Vorausgesetzt die PC-Branche nutzt ihre Chancen.

Zur Startseite