Von Bernhard Haluschak,
tecChannel.de
Der Lithium-Ionen-Akku gehört zu den empfindlichsten und problematischsten Komponenten in einem mobilen Gerät. Er besitzt eine begrenzte Lebensdauer und reagiert äußerst empfindlich gegenüber extremen Temperaturen sowie mechanischen Belastungen. Zusätzlich ist das Aufladen und Entladen des Energiespenders ein Prozess mit sehr engen Toleranzvorgaben.
Nichtsdestotrotz gehört der Lithium-Ionen-Akku zu den sichersten und erfolgreichsten Energiespendern auf dem Markt. Doch der Produktionsprozess des Energiespeichers ist sehr kompliziert und aufwändig, sodass Fehler bei der Produktion zwar gering sind, aber durchaus auftreten. Die Rückrufaktionen verschiedener Notebook-Hersteller belegen dies. Wobei Sony als Akku-Hersteller die Alleinverantwortung übernahm.
Nach diesem Debakel fürchteten einige Unternehmen um ihren guten Ruf. So ist es nicht verwunderlich, dass jetzt das Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) die einheitlichen Richtlinien zur Gestaltung und Herstellung von Notebook-Batterien überarbeitet.
Rückrufaktionen im Überblick
Aufgrund von fehlerhaften Akkus aus der Produktion von Sony mussten zahlreiche Notebook-Hersteller Austauschprogramme der schadhaften Batterien veranlassen. Wir haben den Verlauf der Rückrufaktionen seit Beginn am 14. August 2006 für Sie chronologisch aufbereitet (siehe Kasten).
Insgesamt wird davon ausgegangen, dass 9,6 Millionen fehlerhafte Akkus auf dem Markt sind, fast alle wurden mittlerweile zurückgerufen oder werden im Rahmen des freiwilligen Umtauschprogramms von Sony ausgewechselt. Das Akku-Debakel stellt nicht nur einen empfindlichen Imageschaden für Sony dar, es wird auch ein großes Loch in die Firmenkasse reißen. Das Unternehmen schätzt die Kosten für die Umtausch- aktion derzeit auf umgerechnet etwa 340 Millionen Euro.
Aufbau und Funktion eines Lithium-Ionen-Akkus
Der Lithium-Ionen-Akku ist die jüngste Evolution in der Akku-Technologie. Er besitzt mit 90 bis 110 Wh/kg die höchste spezifische Energie unter den wiederaufladbaren Systemen. Ein zusätzliches Plus besteht in der geringen Selbstentladung und somit in einer relativ langen Lagerfähigkeit ohne erneutes Aufladen der Zellen. Ein besonderer Vorteil der Lithium-Ionen-Technologie ist, dass weder Memory-Effekt noch Lazy-Battery-Effekt auftreten. Auch liefert die Lithium-Ionen-Zelle über den gesamten Entladezeitraum eine nahezu konstante Ausgangsspannung, die deutlich über der Nennspannung von zirka 3,6 V liegt.
Anders als NiCd- oder NiMH-Akkus verfügt ein Li-Ion-Energiespeicher über eine Systemspannung von typisch 3,6 V statt 1,2 V. Verantwortlich dafür ist der besondere Aufbau. So enthält der Li-Ion-Akku als Material für die Kathodenelektrode eine Lithiumverbindung, die aus Kobalt-, Mangan- oder Nickeloxid bestehen kann. Die Anode setzt sich aus einer Graphitverbindung zusammen. Die Isolierung zwischen den beiden Elektroden besteht aus einer mikrodurchlässigen Kunststoffmembran. Als Elektrolyt dient ein gelöstes Lithiumsalz in einem organischen Lösungsmittel.
Lithium ist ein hoch reaktives Leichtmetall, sodass bei starker Erwärmung das leicht entzündliche Material explodieren kann. Aus diesem Grund verwenden die heutigen Akkus - wie oben beschrieben - ein organisches Elektrolyt. Trotzdem besitzt jeder Lithium-Ionen-Akku aus Sicherheitsgründen ein Ventil zum Druckabbau und ein besonders druckfestes Gehäuse.
Zusätzlich muss jeder Lithium-Akku mit einer speziellen Ladeelektronik ausgestattet sein. Sie verhindert einen zu hohen Stromfluss vom und zum Akku, regelt das Lade- und Entladeverhalten und schützt die Energiezelle vor Überhitzung. Alle diese Sicherheitsmaßnahmen schlagen sich im Preis nieder. So ist eine wiederaufladbare Lithium-Ionen-Batterie gegenüber einem NiMH-Akku um zirka 30 Prozent teurer.
In Bezug auf Gewicht und Volumen hat die Lithium-Ionen-Technologie das höchste Energiespeichervermögen gegenüber den herkömmlichen Akkus wie NiCd und NiMH. Die bevorzugten Einsatzgebiete für Lithium-Ionen-Akkus sind Handys, Digitalkameras und Notebooks.
Gründe für die Rückrufaktion
Laut Sony Energy haben Untersuchungen ergeben, dass die Ursachen für die "defekten" Lithium- Ionen-Batterien im Herstellungsprozess liegen.
Für eine fertige Batterie wird Lithium-Ionen-Flüssigkeit in ein zylindrisches Metallgehäuse gefüllt. Dabei besteht die Möglichkeit, dass kleine Metallteilchen in die Zelle gelangen. Diese Teilchen können beim Laden oder Entladen des Akkus durch die dünne Separatorfolie im Inneren der Zelle zwischen den Elektroden wandern und einen elektrischen Kurzschluss erzeugen.
In den meisten Fällen würde sich die Batterie dann automatisch abschalten. Versagt diese Schutzfunktion aber, steigt die Temperatur in der Zelle sehr schnell an, und es kommt zu einem "thermischen Durchgehen". Im harmlosesten Fall erfolgt ein Gasaustritt aus einem Überdruckventil der Batterie. Im schlimmsten Fall kommt es zu einer gefährlichen Feuerexplosion.
Das Problem bei Lithium ist, dass es auf Wasser unter Entwicklung von Wasserstoff sehr aggressiv zu Lithiumhydroxid (LiOH) reagiert. Wie alle Alkalimetalle ist das weiche, silberweiße Leichtmetall sehr reaktionsfähig. Kommt es zu Beschädigungen oder Defekten an oder in den Lithium-Batterien - wie oben beschrieben - , kann dies verheerende Folgen haben.
Normalerweise sind Lithium-Ionen-Akkus beziehungsweise die Akku-Packs durch zahlreiche Sicherheitsmechanismen vor unkontrollierbaren Vorgängen innerhalb der Akku-Zelle geschützt. So verhindern spezielle Widerstände - sogenannte PTCs - hohe Stromspitzen. Bei übermäßigem Zellendruck, bedingt durch eine hohe elektrische Spannung, unterbricht eine spezielle integrierte Schutzvorrichtung den Stromkreis. Zusätzlich kann durch ein Sicherheitsventil der überschüssige Zellendruck abgebaut werden. Darüber hinaus besitzt ein Akku-Pack weitere elektrische Schutzschaltungen, die den Strom, die Spannung und die Zellentemperatur überwachen und bei Störungen entsprechend reagieren.
Akku-Rückrufaktionen auch künftig nicht vermeidbar
Nahezu alle namhaften Notebook-Hersteller hatten in der Vergangenheit schon Probleme mit Akkus, die nicht korrekt funktionierten oder fehlerhaft waren. Diese zwangen die Hersteller zu kostspieligen Rückrufaktionen. Daran wird sich in den kommenden Jahren zunächst nichts ändern, so die Meinung der Branchenanalysten.
Zwar arbeiten Firmen wie Toshiba, Sony, Matsushita, Hitachi und MIT Micro Fuel Cells fieberhaft daran, alternative Energiespender für Notebooks oder Handys zu entwickeln. Allerdings benötigen diese Technologien noch Jahre bis zur Marktreife.
Stephen Baker, Analyst bei der NPD-Gruppe, meint zu diesem Thema, es gebe keine technische Entwicklung bei Akkus beziehungsweise Batterien, die in naher Zukunft auch nur annähernd alle Anforderungen erfüllen würde, die an eine moderne mobile Stromversorgung gestellt werden. Hierzu gehört, dass die Energiepakete leicht und klein sein müssen. Außerdem sollen sie eine lange Lebenszeit haben und zudem noch sicher zu handhaben sein. "Eine chemische Grundlage, die all diese Anforderungen erfüllen würde, haben die Fachleute noch nicht gefunden", sagt Baker.
Trotz vieler innovativer Akku-Technologien sind die Analysten skeptisch, dass die Entwicklungen im Akku-Bau mit den technischen Fortschritten und damit den Anforderungen solcher Geräte, in denen die Stromversorger zum Einsatz kommen, Schritt halten können. Zwar sei es möglich, Energiequellen zu entwerfen, die zehnmal so leistungsstark sind wie heutige Produkte und die in kürzester Zeit wiederaufgeladen werden können. Von einer Massenproduktion solcher Geräte sei die Industrie aber noch weit entfernt.
Im Gegensatz zu den Entwicklungssprüngen bei Prozessoren oder Festplatten gebe es bei den Technikentwürfen für Batterien keine vergleichbar rasanten Fortschritte. Peng Lim, CEO von MTI Micro Fuel Cells, erklärt, Forscher hätten hier mit chemischen Reaktionen zu tun. Auf diesem Wissenschaftsfeld seien Entwicklungen einfach viel schwerer zu erzielen und dauerten länger bis zu ihrer Realisation.
Neue Richtlinien sollen Akkus sicherer machen
Als Folge der letzten Rückrufaktionen haben führende Notebook-OEMs und Akku-Hersteller wie Apple, Dell, Gateway, Hewlett-Packard, IBM, Intel, Lenovo, Panasonic, Sanyo and Sony Interesse an einer Mitarbeit an neuen Richtlinien und Standards für Akkus bekundet. Diese Aufgabe obliegt dem Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE). Die Unternehmen erhoffen sich einen einheitlichen und verbindlichen Qualitätsstandard für die Akkus, um somit künftig kostspielige Rückrufaktionen zu vermeiden.
Das IEEE hat bereits im Sommer 2004 den IEEE-1625-Standard verabschiedet, der Richtlinien zur Gestaltung und Herstellung von Notebook-Batterien festlegt. Die neue Fassung des Standards, an dem Her-steller ihre Akku-Produktion anlehnen und die Qualitätskontrolle der Batterien durchführen können, soll in rund 18 Monaten fertig sein.
Die IEEE-Arbeitsgruppe wird sich bis zur Verabschiedung des neuen Standards zukünftig alle zwei Monate abwechselnd in den USA und in Asien treffen. Neben den Herstellervertretern hat die Cellular Telecommunications Industry Association (CTIA) als potenzieller Partner ihre Mithilfe angeboten. Die CTIA hat erst kürzlich den IEEE-1725-Standard verabschiedet, der entsprechende Richtlinien für Design und Fertigung von Akkus in Mobiltelefonen definiert. Mit dem IEEE P1825 existiert ein weiterer Standard für Batterien in digitalen Kameras und Camcordern, der sich allerdings noch in der Entwicklungsphase befindet. Alle verabschiedeten Richtlinien dieser genannten Kategorien münden in die IEEE-Livium-Standards. Dieses industrieorientierte Programm hat sich eine schnelle Entwicklung von Standards - mit einer durchschnittlichen Entwicklungszeit von zirka 16 Monaten - als Ziel gesetzt.
Fazit
Entgegen allen Rückrufaktionen gehören die Lithium-Ionen-Akkus zurzeit zu den leistungsfähigsten und sichersten mobilen Energiequellen. Allerdings ist schon die Herstellung dieser Akku-Zellen durch das stark reaktive Lithiummetall sehr kompliziert. Darüber hinaus müssen die Zellen beziehungsweise die Akku-Packs mit umfangreichen Sicherheitsmechanismen ausgestattet sein, um unter Extrembedingungen die Energiezelle vor einer Beschädigung oder sogar Explosion zu schützen.
Die Akku-Hersteller versuchen, den Produktionsprozess so kostengünstig wie möglich zu halten. Zusätzlich soll die gespeicherte Energie durch eine entsprechende Modifikation der Chemie in einer Akku-Zelle maximiert werden. Trotz einer sorgfältigen Herstellung können sich immer wieder Fehler durch verunreinigte Rohstoffe oder durch Störungen im Fertigungsprozess "einschleichen", wie der jüngste Fall bei Sony zeigt. Das veranlasst auch die IEEE, die bisherigen Standards für das Design und die Fertigung von Akkus in Zusammenarbeit mit den Akku-Herstellern zu überarbeiten.
Die Analysten gehen davon aus, dass gerade bei den mobilen Energiespeichern die Entwicklung mit den technischen Fortschritt nicht Schritt halten kann. Zwar können die Unternehmen die Energiekapazität der Akkus stetig erhöhen, aber dies geschieht zu langsam. Alternativlösungen wie etwa die Brennstoffzelle oder neuartige Akku-Technologien befinden sich noch in der Entwicklungsphase und sind noch meilenweit von einer Massenproduktion entfernt. Experten prognostizieren, dass es noch fünf bis zehn Jahre dauert, bis eine neue Akku-Technik die herkömmliche ablöst - und dass Rückrufaktionen von Akkus auch in Zukunft vorkommen können.
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