Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz birgt Tücken

28.05.1998

HAMBURG: Viele Unternehmen bis hin zu Großkonzernen verzichten heute darauf, einzelne freie Mitarbeiter anzuheuern, nehmen dafür aber kleinere Softwarehäuser in ihre Dienste. Damit wollen sie der Problematik der verdeckten Arbeitnehmerschaft ein Schnippchen schlagen. Wie ein Urteil des Landgerichts Münchne zeigt, ist aber auch dieses Vorgehen nicht untürkisch.Für viele mittelständische, aber auch große Softwarehäuser ist der Einsatz von Subunternehmern unablässig geworden. Hohe Personalkosten sowie die unsichere Auftragslage führen dazu, erst bei einem konkreten Vertragsverhältnis mit dem Endkunden Verstärkung einzuschalten. Die Personalknappheit in der EDV-Branche tut ein übriges, um diesen Trend zu verstärken.

Nachdem nun das "Gespenst" der verdeckten Arbeitnehmerschaft die Softwarebranche aufschrecken ließ, gab es firmeninterne Weisungen, auf freie Mitarbeiter als Subunternehmer zu verzichten und sich statt dessen kleinerer Softwarehäuser zu bedienen. Auf diese Weise wurde versucht, die arbeitsrechtliche Komponente mit seinen bekannten Problematiken zu umschiffen und so in sicheres Fahrwasser zu gelangen. Als positiven Nebeneffekt versprach man sich, den Auftragnehmer in die Verantwortung bei der Erstellung von Programmen nehmen zu können. Im Gewährleistungsfall könnte außerdem jederzeit auf das jeweils beauftragte Softwarehaus zurückgegriffen werden.

Mit einem Rahmenvertrag ist es nicht getan

Der Einsatz kleinerer Softwarehäuser birgt jedoch - wie ein Urteil des Landgerichts München zeigt - gewisse Tücken. In dem zu entscheidenden Fall hatten sich zwei Softwarehäuser auf der Grundlage eines sogenannten Rahmenvertrags ihre Zusammenarbeit zugesichert. Auch wurde nicht vergessen - wohl aus der Erfahrung mit Freiberuflern heraus - innerhalb des Rahmenvertrags entsprechende Klauseln aufzunehmen, daß der Auftragnehmer für Sozialabgaben und Steuern eigenverantwortlich Sorge zu tragen habe. Ebenfalls im Rahmenvertrag ließ sich die vielfach in derartigen Verträgen zu findende Bestimmung lesen, daß der Auftraggeber alle erforderlichen Hilfsmittel, beispielsweise Räumlichkeiten, Hardware etc., zur Verfügung stelle. Die jeweils erteilten Einzelaufträge verpflichteten das zur Hilfe geholte Softwarehaus dann zur Erstellung spezifizierter Programme und anderer Werke. Der Einzelvertrag sah dabei die monatliche Abrechnung nach Aufwand vor.

Entscheidend ist der Werkvertrag

Das Landgericht München beurteilte den vorbezeichneten und in der Branche nicht gerade seltenen Vertrag als nichtige Arbeitnehmerüberlassung (Urteil vom 4. 9.1997 - 7 O 23817/96). Die Folge: Die eigentlich gewünschten werkvertraglichen Gewährleistungsrechte des Auftraggebers kamen nicht zum Tragen.

Ausgangsbasis für die Beurteilung, ob eine erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, ist, daß Arbeitnehmer einem anderen Arbeitgeber überlassen werden und kein Werkvertrag nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches gegeben ist (ñ 9 Nr. 1 AÜG). Denn nur ein Werkvertrag - so das Landgericht München - könne eine Arbeitnehmerüberlassung ausschalten.

Von einem solchen Werkvertrag ging die Kammer in dem zu entscheidenden Rechtsstreit trotz der Formulierung, daß der Beauftragte Programme und andere Werke zu erstellen habe, nicht aus. So sei es nach Ansicht des Landgerichts München "ohne Belang, mit welchen rechtlichen Termini die an der Überlassung Beteiligten den Vorgang bezeichnen". Als Indiz für erlaubnispflichtige Arbeitnehmer-überlassung stünde vielmehr, daß der Arbeitnehmer ganz oder teilweise den Weisungen des Entleihers für das jeweilige Projekt unterworfen war. Ferner sei es mit einem Werkvertrag schwer vereinbar gewesen, daß der Auftraggeber alle Voraussetzungen zur Erstellung des "WerksË einschließlich der erforderlichen Arbeitsmittel bereitstellte. Auch diese Bestimmung spreche, so das Landgericht München, eher für eine erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung. Zusätzlich stünde eine Vergütung, die nicht nach Werkfortschritt, sondern ausschließlich nach Zeitaufwand erfolgen solle, gegen das Wesen eines Werkvertrags.

Auf der Grundlage dieser Vertragsbestandteile qualifizierte das Landgericht München den fraglichen Vertrag als unwirksame Arbeitnehmerüberlassung und sprach sich implizit gegen eine Gewährleistungspflicht des Auftragnehmers aus.

An die Folgen denken - auch Arbeitnehmer können leer ausgehen

Gleichzeitig mit der Qualifizierung des Vertrags als unwirksame Arbeitnehmerüberlassung treten bei Geltendmachung die Rechtsfolgen des ñ 10 AÜG ein. Danach gilt das Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen - und zwar nach den für den Betrieb des Entleihers geltenden Vorschriften und sonstigen Regelungen. Ferner können auch die Vorschriften des § 16 AÜG greifen. Das heißt, bei einer unwirksamen Arbeitnehmerüberlassung kommen die Bußgeldvorschriften des AÜG zum Tragen.

Diese juristischen Folgen sollten bedacht werden, bevor Rechtsverhältnisse oberflächlich eingegangen werden. Gerade die EDV-Branche, die zunehmend auf Personal von außen angewiesen ist, sollte darauf achten, die vorbezeichneten Verträge als Werkverträge zu gestalten und soweit wie möglich auch als solche zu "leben". Stellt das beratende Gericht in einem anhängigen Prozeß etwa durch Zeugenvernehmung fest, daß der Vertrag lediglich "TarnvereinbarungenË enthält, wird der Vertrag für unwirksam erklärt. Dies kann überdies für den Auftragnehmer zur Folge haben, daß er seine Vergütung gar nicht oder nur in geringem Umfang geltend machen kann.

*Stefanie Wegener ist Rechtsanwältin der Kanzlei Schubert &

Dr. Müller in Hamburg.

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