Das Ende der Marketingsprüche

13.12.2001

Freitag Nachmittag, 4. Januar 2002: Beim IT-Fachhändler A. Meyer klingelt das Telefon: "Computerhaus Meyer, was kann ich für Sie tun", meldet sich der Chef persönlich. "Ich habe gestern einen neuen Laserdrucker der Firma XY bei Ihnen gekauft. Er soll 20 Seiten pro Minute drucken können. Bis er aber damit überhaupt mal anfängt, dauert es schon knapp eine Minute. Und dann noch mal eine, bis er gerade zehn Seiten ausgegeben hat. Das Gerät ist kaputt. Ich bringe es gleich vorbei und möchte einen neuen Drucker."

So oder ähnlich wird im neuen Jahr eine Reklamation beim Handel aussehen. Und der Kunde wird Recht bekommen. Schließlich wirbt der Hersteller im Handbuch mit der Aussage: "20 Seiten pro Minute". Der Produzent muss in Zukunft dafür sorgen, dass Marketingversprechen auch eingehalten werden. Dass der Drucker erst eine gewisse Aufwärmzeit benötigt und er die 20 Seiten pro Minute nur im Kopiermodus schafft, wird in den Handbüchern und den Prospekten meistens verschwiegen. "Das machen alle so", lautet die Entgegnung der Druckerhersteller. Ob sich aber auch ein Richter damit zufrieden geben wird, ist fraglich. Denn er geht nach den Buchstaben des Gesetzes vor und hier steht im Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (Paragraph 434 BGH neue Fassung), dass Versprechen aus der Werbung auch einzuhalten sind.

Da der Drucker nicht die versprochene Eigenschaft, nämlich 20 Seiten in der Minute drucken zu können, erfüllt, kann der Käufer auf einer Minderung des Preises bestehen oder ganz vom Kauf zurücktreten. Gut für den Händler, er kann die Forderung seines Kunden an seinen Vorlieferanten weiterreichen. Und der hat Ansprüche gegenüber dem Hersteller. Das nützt aber alles nichts, wenn der Hersteller in Fernost sitzt und somit nicht greifbar ist. Dann ist der Händler in der Pflicht!

Marketingstrategen müssen sich künftig nach Einführung des neuen Gesetzes mit kernigen und vollmundigen Werbeaussagen zurückhalten. Denn alle Leistungsdaten eines Produktes, die auf der Website des Herstellers, im Prospekt oder im Handbuch zu finden sind, müssen eingehalten werden. Anderenfalls kann der Käufer auf Minderung des Kaufpreises klagen, und das wird er beim Handel tun. Denn schließlich ist der Fachhändler für ihn der erste Ansprechpartner.

Das gilt aber nicht nur für das entsprechende Gerät, sondern auch für die mitgelieferten Handbücher und Gebrauchsanweisungen. Ab dem 1. Januar werden bei uns amerikanische Verhältnisse eintreten. Dann wird beispielsweise im Handbuch zum Einzugsscanner explizit stehen, dass das Gerät nicht zum Scannen von Kleintieren geeignet sei. Analog zu den amerikanischen Gebrauchsanweisungen von Mikrowellen, wo ausdrücklich das Trocknen von Kleintieren in der Mikrowelle untersagt wird.

Auf jeden Fall wird im nächsten Jahr eine Prozesslawine auf die deutschen Gerichte zurollen. Dass ein Hersteller freiwillig zu allen Werbeaussagen seiner Prospekte, die heute noch keinerlei rechtliche Handhabe bedeuten, steht, glaube ich nicht. Hier gibt es noch viel zu tun. Eines ist jedenfalls sicher, die jetzigen Preise für IT-Produkte werden sich nicht halten lassen. Denn mit der nun längeren Gewährleistungspflicht entstehen auch höhereKosten und die werden sich auf den Kaufpreis niederschlagen.

Hans-Jürgen Humbert

hhumbert@computerpartner.de

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