Das Ende einer Ära

16.12.2004
Vergangene Woche teilte Ingram Micro mit, dass Michael Kaack das Unternehmen verlassen wird. Die ComputerPartner-Redakteure Beate Wöhe und Damian Sicking sprachen mit dem Manager über seine Zeit bei Ingram und über seine Pläne für die Zukunft.

Für Außenstehende kam die Nachricht von Ihrem Ausstieg überraschend. Insider aber mutmaßten schon seit Monaten, dass Sie Ingram verlassen werden. Wollten Sie nicht mehr oder wollten die Amerikaner Sie nicht mehr?

Kaack Ich wollte nicht mehr. Ich hatte mich schon länger mit dem Gedanken getragen, meinen Vertrag, der Anfang 2005 endet, nicht zu verlängern. Das habe ich mit dem Europa-Präsident Hans Koppen besprochen und wir sind uns sehr schnell einig geworden.

Wenn man zurückblickt, habe ich mich bereits Ende 2001 entschieden, die Geschäftsführung der deutschen Distributionsgesellschaft abzugeben.

Zwei Jahre vorher habe ich Gerhard Schulz als Vertriebsleiter eingestellt. Dann schlug ich ihn in Brüssel als Geschäftsführer der deutschen Gesellschaft vor. Damals auch schon im Hinblick darauf, dass ich mich irgendwann verabschieden will und einen Nachfolger brauche.

Warum wollten Sie nicht mehr?

Kaack Rückblickend muss man sagen, dass ich den Distributionsbereich der Macrotron von Null gestartet und mit aufgebaut habe. Das war eine große unternehmerische Aufgabe. Kurz darauf fragten mich die Amerikaner, ob ich es mir zutrauen würde, die Konsolidierung der zwischenzeitlich über zehn unterschiedlichen zugekauften Unternehmen inklusive der verschiedenen Lager zu übernehmen. Das war eine komplexe, vertragliche Aufgabe, die ich inzwischen abgewickelt habe.

Das heißt, Ingram bietet jetzt für Sie keine spannenden Herausforderungen mehr?

Kaack Das stimmt. Im Moment jedenfalls bietet die Distribution mir keine spannenden Herausforderungen mehr. Eigentlich alles, was jetzt passiert oder was ich in den vergangenen zwei Jahren gemacht habe, habe ich bereits das zweite oder dritte Mal gemacht.

Sie waren in Ihren verschiedenen Funktionen bei Ingram Micro für das amerikanische Management nicht immer ein bequemer Gesprächspartner. Sind die Amerikaner froh, dass sie Sie los sind?

Kaack Diese Frage kann ich natürlich nicht direkt beantworten, aber den Eindruck habe ich nicht. Ich bin auch gerührt über die vielen Mails von Kunden und Lieferanten und vor allen Dingen von meinen Mitarbeitern, die mir schrieben, dass sie traurig sind über meinen Weggang. Auch Ingram Micro Europa-Chef Hans Koppen hat sich positiv geäußert. Ich scheide in allerbestem Einvernehmen aus und glaube, Ingram Micro kann auch wirklich zufrieden sein mit der Gesellschaft, die ich hier auf- und dann ausgebaut habe. Und ich bin auch zufrieden mit den Stock-Options, die ich bekommen habe. Es bleibt nichts Negatives übrig.

Herr Kaack, wenn Sie auf Ihre Zeit in der Distribution zurückblicken, worauf sind Sie persönlich besonders stolz?

Kaack Am stolzesten bin ich auf den Weg, den ich für die Personalarbeit gefunden habe. Um mit einem Unternehmen erfolgreich zu sein, muss man eine Atmosphäre schaffen, in der sich jeder wohl fühlt. Man muss seine Mitarbeiter respektieren, um zu erreichen, dass das umgekehrt auch der Fall ist. Und es ist auch klar, dass sich das nicht über Maximalgehälter erreichen lässt - schon gar nicht in der Distribution. Man muss es über andere Kriterien wie Führung, Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz und natürlich auch über Freiräume schaffen. Das ist uns mit Abstand besser gelungen als allen anderen Wettbewerbern. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir im vorigen Jahr von der Zeitschrift "Capital" auf den 32. Platz von Deutschlands besten Arbeitgebern gewählt worden sind.

Wenn Sie zurückblicken, gibt es auch etwas, wovon Sie sagen: Das hätte ich besser machen können?

Kaack Natürlich glaube ich, dass ich auch Fehler gemacht habe. So habe ich zum Beispiel 1985 den neuen Unternehmensbereich für die Distribution von Druckerprodukten an Wiederverkäufer entwickelt. Mit dieser Fokussierung haben wir als erster deutscher Distributor HP-Distributionsrechte bekommen. Das waren die Vorteile. Dann aber habe ich beinahe den Zeitpunkt verschlafen, noch weitere Standardprodukte dazuzunehmen. Ich habe somit möglicherweise ein oder zwei Jahre zu spät eine Diversifikation vorangetrieben.

Bedeutet der Ausstieg von Michael Kaack bei Ingram Micro auch gleichzeitig der Ausstieg von Michael Kaack aus der Branche?

Kaack Die Branche wird ja immer größer. Der Begriff IT-Konvergenz spielt zum Beispiel eine zunehmend große Rolle. Wie sich dieses Segment und die Märkte weiterentwickeln, interessiert mich. Auch E-Commerce und elektronische Vertriebswege, die ich bei Macrotron auch schon vorangetrieben habe, sind Bereiche, in denen ich weiterhin tätig bleiben möchte.

Sie hatten gesagt, dass Distribution für Sie nicht mehr in Frage kommt.

Kaack Nicht in Frage kommen ist übertrieben gesagt. Distribution ist ja auch eine interessante Branche. Aber in der gleichen Funktion wie jetzt, sicher nicht, schon gar nicht kurzfristig.

Gibt es dann vielleicht ein Wunschunternehmen oder eine besondere Aufgabe, die Sie interessiert?

Kaack Nein, eigentlich nicht. Ich führe natürlich verschiedene Gespräche und orientiere mich. Aber ich denke noch darüber nach, was ich machen will. Es gibt verschiedene interessante Angebote. Eine Aufgabe in beratender Funktion könnte ich mir zum Beispiel auch vorstellen. Auch den Handel und das Retail-Business finde ich sehr interessant.

Wollen Sie zukünftig wieder operativ tätig sein oder eher eine beratende Funktion übernehmen?

Kaack Wenn sich eine interessante Möglichkeit ergibt, wieder operativ zu agieren, würde ich sie nicht von der Hand weisen. Aber ich habe es im Moment für mich selbst noch nicht entschieden. Angebote für Jobs habe ich bereits. Sie kamen schneller, als ich gedacht habe. Es ist jedoch keiner dabei, für den ich mich jetzt kurzfristig entscheiden werde.

Was werden Sie nach Ihrem Weggang von Ingram vermissen?

Kaack Am ehesten die Mitarbeiter und Kollegen hier in München, in Österreich, der Schweiz und in Ungarn. Ingram Micro ist ein Konzern, aber das Verhältnis zu den Kollegen war eher ein familiäres.

Es gibt keinen anderen Manager in Deutschland oder sogar in Europa, der so lange in der Distribution gearbeitet hat wie Sie. Wie sehen Sie die Zukunft der Distribution? Ist das ein Geschäftsmodell, das Zukunft hat?

Kaack Ich sehe es nach wie vor sehr positiv. Die Modelle werden sich vielleicht in Bezug auf mehr Dienstleistung etwas verändern. Aber dieser Prozess wird sich über viele Jahre hinziehen. Heute ist unsere hauptsächliche Daseinsberechtigung die Supply-Chain, das können wir besser als die meisten Hersteller selbst. Ich glaube, dass es heute noch viele direkte Vertriebswege an verschiedene Handelskanäle gibt, die die Distribution effizienter machen könnte als die Hersteller.

Jeder Mensch ist ersetzbar. Gilt das auch für Michael Kaack?

Kaack Natürlich gilt das auch für mich. Daran habe ich ja selbst gearbeitet. Mein Ehrgeiz war immer, dass ich in jedem einzelnen Feld, das im Unternehmen besetzt ist, einen Mitarbeiter habe, der das besser kann als ich. Es gibt keine Geschäftsführer oder Unternehmensleiter, die jedes Feld perfekt beherrschen.

Wenn das Arbeitstier Kaack in naher Zukunft von früh bis spät zuhause ist - wer fürchtet sich mehr vor dieser Situation? Sie oder Ihre Familie?

Kaack Eher ich. Ich habe oft zu wenig an meine Familie gedacht und habe jetzt viel Nachholbedarf. Die Kinder werden immer älter und man kann mit 20-Jährigen nicht mehr so gut kuscheln wie mit 8-Jährigen. Das hat man dann einfach versäumt. Ich habe eine gute Beziehung zu meinen Kindern, die von 14 bis 30 eine große Bandbreite haben und freue mich darauf, mehr Zeit für sie zu haben.

Stimmen aus der Branche zum Abschied von Michael Kaack

"Mit Michael Kaack verlässt nicht nur ein Urgestein die deutsche Distributionslandschaft, sondern auch jemand, der sie über Jahrzehnte unmittelbar mit geprägt hat. Nicht hoch genug kann man seinen persönlichen Einsatz und sein Engagement während des Mergers von Marcotron mit Ingram Micro bewerten. Ihm ist es zu verdanken, dass die Eigenständigkeit und Kultur der "alten" Macrotron erhalten blieb. Gewiss eine der Grundvoraussetzungen für den heutigen Erfolg von Ingram Micro in Deutschland."

Alessandro de Bochdanovits,

Verlagsleiter ComputerPartner und früherer Mitarbeiter von Michael Kaack

"Er ist die Krone der deutschen Distribution. Michael Kaack ist viele Risiken eingegangen, die sich aber meist ausgezahlt haben. Gleichzeitig hat er mit dem Aufbau seines Nachfolgers Gerhard Schulz dafür Sorge getragen, dass er mit seinem Abgang kein Loch hinterlässt."

Joachim Prinz, Vorstand bei ADA-HAS

"Mit Michael Kaack geht eine Ära zu Ende. Er hat als glänzender Stratege dem Distributionsgeschäft seinen ganz persönlichen Stempel aufgedrückt und dies sicher nicht zum Nachteil der Branche. Kaack hat sich von nichts und niemanden beeindrucken lassen, sondern sich stets den Luxus einer eigenen Meinung geleistet. Mit Kaack verbindet uns mehr als eine langjährige Geschäftsbeziehung. Er zeichnete den ersten Distributionsvertrag über einen HP-Laserdrucker und war wesentlich am Erfolg unseres Partnervertriebs beteiligt. Er erkannte, dass es noch andere Stärken gibt, als nur über den Preis zu verkaufen. Kaack hat aus seinem Herzen nie eine Mördergrube gemacht. So konnte man mit ihm auch mal wunderbar streiten. Gleichzeitig war er als äußerst liebenswürdiger und unterhaltsamer Gast bei gesellschaftlichen Anlässen stets von der Damenwelt umringt. Da es stark weihnachtet, dürfen wir uns wünschen, dass dies alles so bleibt. Und wir Michael Kaack bald wieder in einem neuen Umfeld so erleben dürfen, wie wir ihn kennen."

Regine Stachelhaus, Geschäftsführerin bei HP

"Michael Kaack steigt auf dem Höhepunkt seiner Karriere aus. Dabei hatte er es bestimmt nicht leicht mit den Amerikanern und es ist bewundernswert, wie lange er das ausgehalten hat. Ich glaube nicht, dass es in der Branche eine vergleichbare Karriere gibt. Michael Kaack ist ein sehr ruhiger Mensch, keiner, der dumm quatscht, sondern in seinen Aussagen sehr qualifiziert ist. Das heißt aber nicht, dass er keinen Humor hat. Er verfügt über eine gehörige Portion Sarkasmus."

Jürgen Rakow, Vorstandsvorsitzender bei Vobis

"Der Weggang des Kollegen Kaack hat mich nicht überrascht. Man hat in der Branche schon länger darüber gemunkelt. Er hat die gesamte deutsche Distribution gezeichnet und als Person die Szene belebt."

Marcus Adä, Geschäftsführer bei Tech Data

"Es ist schon traurig. Michael Kaack ist einer meiner langjährigsten Wegbegleiter in der IT-Branche. Er verkörpert wie kaum ein anderer das positive Bild eines echten IT-Partners. Außerdem ist er ein Synonym für Zuverlässigkeit - er hat immer seine Versprechen gehalten."

Uli Kemp, Chief Sales und Service Officer für T-Systems Business Services

"Michael Kaack war mein erster Kunde, den ich damals bei HP betreut habe. Er ist das Urgestein des deutschen Distributionsmarktes, den er maßgeblich mit aufgebaut hat. Sein Weggang ist ein wirklich großer Verlust für unsere Branche. Ich zolle ihm aber nicht nur deshalb größten Respekt, sondern auch, weil er darüber hinaus eine große soziale Kompetenz hat. Er bringt sich in viele Gebiete mit ein und engagiert sich unter anderem sehr stark für die Jugend. Michael Kaack ist nicht nur ein verlässlicher Geschäftspartner, den ich in unserem Business sehr vermissen werde, sondern ist mir im Laufe der Jahre auch ein wirklich guter Freund geworden, mit dem ich hoffentlich auch in Zukunft noch den einen oder anderen Wein trinken gehen werde. Ich wünsche ihm und seiner Familie viel Gesundheit und vor allem Zeit. Zeit, um all die Dinge zu machen, die in unserem Job immer zu kurz kommen: Zeit für die Familie, für Hobbys, Zeit für sich. Michael: Alles, alles Gute!"

Bärbel Schmidt, Geschäftsführerin bei Actebis Peacock

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