Das Ende einer Ehe

20.07.2007
Der Stuttgarter VAD Magirus verkauft überraschend die "Enterprise Infrastructure Division" an den amerikanischen Distributor Avnet. Man werde sich nun auf Security, Storage (EMC), Open Source und Systemmanagement konzentrieren, sagen die Stuttgarter.

Von Dr. Ronald Wiltscheck und Wolfgang Leierseder

Die Branche verfolgte schon länger die Versuche von Magirus, sich von seinem angestammten Geschäft mit Servern von Hewlett-Packard und IBM zu trennen. Mehrere Interessenten, darunter die britische Firma Arrows, wurden ins Spiel gebracht. Als nun der amerikanische Distributor Avnet bekannt gab, er sei mit Magirus handelseinig geworden und werde die Enterprise Infrastructure Division (EID; Jahresumsatz: eine halbe Milliarde Dollar) mitsamt 140 Mitarbeitern erwerben, hielt sich die Überraschung in Grenzen.

"Magirus ist seit einiger Zeit in eine andere Richtung gegangen", kommentierte ein Branchenkenner den Verkauf. Das bestätigte Christian Magirus, Vorstandsmitglied der Stuttgarter, gegenüber ChannelPartner. "Wir haben uns schon länger prinzipiell überlegt: Entweder wir kaufen zu, oder wir trennen uns von diesem Geschäft. Wir haben uns für Letzteres entschieden, nachdem sich unsere Auffassung von Value Added - spezifischen Mehrwert für Kunden anzubieten - im Servergeschäft nicht mehr widerspiegelt."

Mit diesem Verkauf konzentriert sich Magirus auf seine Enterprise Solution Division (ESD) und die IT-Advisory Group (ITAG), also auf die Segmente Security, Storage (EMC), Netzwerke, Open Source und Systemmanagement sowie "High-End-Consulting" (Magirus) bei Endkunden. Dass die Stuttgarter sich von mehr als der Hälfte ihres Umsatzes trennen, stört Vorstand Magirus zufolge nicht: "Wir werden jetzt rund 300 Millionen Euro groß. Aber wir agieren in einem Markt, in dem Umsatzzuwächse von 60 bis 80 Millionen Euro in einem Jahr nichts Ungewöhnliches sind." Er kündigte an, dass "die neue Magirus" sehr schnell wachsen wolle - "organisch" und "durch Zukäufe".

Neuorientierung und Kontinuität

Nach der Akquise des Security-Distributors Allasso stellt der Verkauf der kompletten EID für Magirus eine völlige Neuorientierung dar. Denn mit diesem Schritt gibt Magirus sein gesamtes Geschäft mit Server- und Storage-Systemen, Software und Services von HP und IBM in Deutschland, Österreich, Schweiz, Großbritannien, Italien, Dänemark, Schweden und im Nahen Osten an Avnet ab.

Der Vollzug des Verkaufs ist für Anfang Oktober 2007 geplant und abhängig von der - sehr wahrscheinlichen - Zustimmung der Kartellbehörden. Insgesamt werden etwa 140 Magirus-Mitarbeiter von EDI aus Vertrieb, Einkauf und Marketing durch Avnet übernommen. "Wir geben ein sehr starkes Team ab", warb Vorstand Magirus für den Teilbetriebsübergang. Das heißt, Avenet übernimmt die Mitarbeiter zu den Konditionen, zu denen sie bei Magirus gearbeitet haben. Und hofft, dass sie auch bleiben wollen. "Bei einem kapitalstarken Distributor, der anstrebt, weltweit die Nummer eins zu werden, können sie ihr spezifisches Know-how sehr gut einsetzen", sagte Magirus.

Magirus selbst will nun im Distributionsgeschäft als VAD von komplexen IT-Lösungen wahrgenommen werden. Fabian von Kuenheim, Vorsitzender des Vorstandes der Magirus AG, sagte dazu: "Wir haben schon immer schnell auf wechselnde Technologietrends und neue Geschäftsmodelle reagiert. Der Verkauf unserer erfolgreichen Enterprise Infrastruktur Division aus einer Position der Stärke setzt Mittel- und Managementkapazitäten für die neuen Wachstumsfelder frei und erlaubt uns, den Fokus auf das rasch wachsende und erfolgreiche IT- Solution-Geschäft zu richten."

Dies beinhalte auch weitere Akquisitionen, um das angestrebte Wachstum zu unterstützen. Künftig werde sich Magirus "auf die Bereiche Security, Virtualisierung, Open Source, Storage, System und Information Lifecycle Management konzentrieren" (von Kuenheim). Vorstandskollege Magirus erklärte dazu: "Wir kehren dorthin zurück, von wo wir gekommen sind: Wir bieten Mehrwert, wir verkaufen Lösungen und können eigene Serviceangebote bereitstellen."

Avnets Marktstellung

Avnet-CEO Roy Vallee kommentierte die Akqusition so: "Mit dieser Übernahme wird Avnet Technology Solutions zum größten Value Added Distributor für Enterprise-Lösungen in Europa."

"Damit verstärken wir unsere Präsenz und unser Produktangebot sowohl mit IBM als auch mit HP in Europa", ergänzt Dick Borsboom, Präsident von Avnet Technology Solutions EMEA, die Ak-quisition. "Wir verknüpfen die Stärken beider Unternehmen. Während Magirus den High-End-Server-Markt mit HP-Lösungen in Deutschland anspricht, fokussierte sich Avnet bisher auf Wiederverkäufer von Intel-orientierten Servern. Durch die Verbindung beider Bereiche können unsere Kunden die Lösung auswählen, die ihre Anforderungen am besten erfüllt. Avnet erhält eine wesentlich breitere Reseller-Basis für das weitere Wachstum", so Borsboom weiter.

Für Gerhard Hundt, Geschäftsführer Avnet Technology Solutions Deutschland, ist der Kauf der HP- und IBM-Abteilung von Magirus ein Zeichen für die fortschreitende Konsolidierung im Markt: "Das wissen auch die Hersteller. HP hat bereits vor zwei Jahren die Anzahl seiner Distributoren verringert." Seiner Meinung nach ist aber auch für IBM der Deal sinnvoll, denn mit Avnet bekäme nun Big Blue einen europaweit vertretenen VAD als Partner, ähnlich wie DNS.

Durch den Teilverkauf von Magirus sieht Hundt den Wettbewerb unter den Distributoren nicht als gefährdet an, es gebe noch genügend Konkurrenten am Markt. Für Avnet ergibt die Akquisition schon Sinn, denn in Deutschland gab es bis dato kaum sich mit Magirus überlappende HP- und IBM-Kunden.

Aus diesem Grund wird Avnet die von Magirus übernommenen Mitarbeiter weiterbeschäftigen. Wie jedoch die Betreuung der Reseller in Zukunft aufgeteilt wird, steht laut Hundt noch nicht fest: "Das können wir erst nach dem Vollzug der Transaktion frühestens im Oktober 2007 festlegen."

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