"Das geht auch mal ohne Rechnung"

10.05.2000
"Welt am Sonntag"-Redakteurin Christiane Haag führte ein Interview mit Wolf Liebich von der Unternehmensberatung Liebich & Partner in Baden-Baden.

Herr Liebich, Sie sind selbst Mittelständler und beraten mittelständische Firmen. Ist wirklich immer Hilfe von außen nötig?

Liebich: Sich einen Unternehmensberater ins Haus zu holen, ist sicher keine Modeerscheinung, sondern entspricht dem Bedürfnis nach Hilfe und Problemlösung. Die Herausforderungen an mittelständische Unternehmen werden immer größer und komplexer. Damit steigt die Nachfrage nach unabhängiger und professioneller Beratung. Einige Probleme, vor allem technischer und organisatorischer Art, lassen sich aber durchaus auch ohne Hilfe von außen in den Griff bekommen. Manche Chefs trauen ihren Mitarbeitern einfach zu wenig zu und unterstellen ihnen, dass sie Vorschläge mehr zu ihrem eigenen Interesse, denn zugunsten der Firma machten. In so einem Fall braucht oft eher der Unternehmer als Persönlichkeit eine Beratung, denn die Firma ein neues Konzept.

Wann sollte ein Unternehmensberater einspringen?

Liebich: In allen Fällen der strategischen Neuausrichtung, bei Strukturveränderungen, EDV-Projekten, bei Kostensenkungsmaßnahmen, bei Sanierungsbedarf, in der Nachfolgeregelung, bei der Rekrutierung von Führungskräften - überall dort, wo sich Sach- und Personenthemen mischen, sprich: da, wo es ungewohnt oder schmerzhaft für den Betrieb und die Mitarbeiter wird. Dann muss ein unbelasteter Mensch von außen mitdenken und mitarbeiten.

Lassen sich die Betriebe denn auch wirklich in die Karten schauen?

Liebich: Ja, unbedingt. Das war vielleicht vor zwanzig Jahren noch anders, als Unternehmensberatung für Mittelständler noch kein so wichtiges Thema war. Wenn heutzutage das persönliche Verhältnis zwischen Berater und Mandant stimmt, sind Firmenchefs und Mitarbeiter sogar extrem offen und kooperativ.

Keine Berührungsängste also?

Liebich: Doch, die gibt es sicher. Aber nicht aus Angst voreinander, sondern davor, den richtigen Berater für das individuelle Problem zu finden. Der Markt ist extrem unübersichtlich, die Angebote sind kaum vergleichbar. Anstatt sich durch dicke Nachschlagwerke zu wühlen, sollte der Mittelständler seine Kollegen, seinen Steuerberater oder seinen Verband nach einem zuverlässigen Berater mit gutem Ruf fragen. Empfehlungen durchbrechen Misstrauen und schaffen Transparenz.

Welche sind die häufigsten Fehler bei der Beraterwahl?

Liebich: Kleine und mittlere Firmen neigen dazu, sich an große Beratungsfirmen zu wenden, deren Namen Qualität und Solidität suggerieren. Doch viele dieser Beratungsmultis gehen mit Modelllösungen an spezifische Firmen- probleme heran. Zudem werden häufig praxisunerfahrene Hochschulabsolventen auf die Firmen losgelassen. Meiner Erfahrung nach haben Berater, die selbst Mittelständler sind und vor ihrer Beratertätigkeit verantwortliche Positionen in der Wirtschaft inne- hatten, mehr Verständnis für die Führungskräfte und Mitarbeiter, für deren Belastung und Abhängigkeiten und nehmen auch mehr Rücksicht auf das Umfeld und das Tagesgeschäft. In kleinen und mittleren Betrieben sind oft nicht so viele aussagekräftige Daten und Fakten vorhanden wie in einem Großunternehmen.

Was machen Ihrer Meinung nach Unternehmer und Berater in ihrer Zusammenarbeit am häufigsten falsch?

Liebich: Die Erwartungen des Unternehmers sind oft zu hoch und zu undifferenziert. Ein Problem soll möglichst schnell und möglichst günstig gelöst werden, ohne dass es vorher ausreichend durchdacht und präzisiert wurde. Wenn dann ein Consultant nach Schema F den Betrieb umkrempeln will, kann eine kleine Firma daran kaputtgehen.

Wie erkennt man einen schlechten Berater?

Liebich: Auf den ersten Blick sicherlich am Auftreten. Wer laut auftritt, mit rhetorischer Brillanz besticht und außer Hochglanzprospekten wenig Inhaltliches bietet, fällt aus. Wer seine Kunden zunächst mit kostenlosen Beratungsangeboten anlockt, ist unseriös. Auch ständig wechselnde Kunden sind ein Zeichen für Unseriosität. Rufen Sie ruhig die in der Referenzliste der Beratungsfirma aufgeführten Kunden an, informieren Sie sich über die Leistungen, haken Sie nach!

Und was macht einen guten Berater aus?

Liebich: Wenn er sich in allen Lebenslagen Zeit für den Unternehmer nimmt, Stellung bezieht und das offene Gespräch sucht, die Menschen wichtig nimmt und nicht nur Konzepte vorschlägt, sondern auch die Umsetzung begleitet. Ganz wichtig: Ein Berater muss eine Persönlichkeit sein.

Warum haben Sie persönlich sich auf die Beratung des Mittelstandes spezialisiert?

Liebich: Das Erfolgserlebnis ist meist direkter und intensiver als bei der Beratung von Großunternehmen, weil Entscheidungen viel schneller fallen und damit eine raschere Umsetzung möglich ist. Und der enge persönliche Kontakt mit dem Unternehmer macht Spaß, oft entwickeln sich daraus sogar Freundschaften fürs Leben.

Dieses Interview erschien zuerst in der "Welt am Sonntag" vom 14. Mai 2000.

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