Das große Aufräumen bei Network Associates

01.03.2001
In schwere Seenot geraten, schwankt das NAI-Schiff beträchtlich. Ob der neue Kapitän einen sicheren Kurs einschlagen kann, wird sich in spätestens drei Monaten zeigen.

George Samenuk, der neue Chef bei Network Associ-ates (NAI), will nur noch die Nummer eins oder Zwei sein: "Alle Produktbereiche, in denen wir diese Marktposition nicht erzielen können, werden wir abstoßen", so der CEO. Um seine Aufgabe ist Samenuk wahrlich nicht zu beneiden, sind doch schon seine Vorgänger daran gescheitert. Und das vierte Quartal schloss das Unternehmen mit 127,2 Millionen Dollar Verlust (siehe ComputerPartner 5/01, Seite 15).

Große Stücke hält der frühere IBM-Manager hingegen von neuen Technologien in der drahtlosen und optischen Datenübertragung: Für diese Art von Netzwerken will nun NAI verstärkt Produkte aus den Bereichen PGP (Netzwerksicherheit), Sniffer (Netzwerküberwachung) und McAfee (Antiviren-Software) anbieten.

Dies alles aus einer Hand anzubieten dürfte aber schwierig sein, denn zu den genannten drei kommt noch die Business Unit Magic (Helpdesk) hinzu, und alle vier Bereiche werden von nun an getrennt geführt, auch was die Betreuung von Vertriebspartnern angeht. "Bei größeren Projekten mit mehreren Personen bei uns Kontakt zu halten, ist sicherlich ein Nachteil", gibt der neue CEO unumwunden zu. "Doch wir arbeiten daran".

PGP-Erfinder streicht die Segel

Dieses Hindernis aus dem Weg zu räumen, dürfte Samenuk allerdings noch die geringsten Kopfschmerzen bereiten. Viel wichtiger wird es für ihn sein, wieder Vertrauen innerhalb seiner Belegschaft zu erwecken. Denn nachdem zum Jahresende die komplette Unternehmensführung von Bord ging, hat nun jetzt auch Phil Zimmermann, geistiger Vater des Verschlüsselungsverfahrens PGP (Pretty Good Privacy) Network Associates verlassen.

"Alles nicht so schlimm", wiegelt hier Samenuk ab. "Phil Zimmermann war für uns nur noch an einem Tag die Woche tätig, und dies nur als Berater. Eigentlich hat Phil Network Associates bereits vor zwei Jahren verlassen." Dies mag zwar alles seine Richtigkeit haben, aber nach außen hin hat dieser endgültige Abschied doch für einigen Aufruhr gesorgt.

Anwender befürchten, dass die neueste Version der PGP-Verschlüsselung-Software doch einige Hintertüren aufweist. Damit könnte dann der Systemadministrator oder Geheimdienste die verschlüsselten und eigentlich nur für den Empfänger entschlüsselbaren E-Mails mitlesen. Dem ist aber nicht so, versichert Zimmermann in einer Stellungnahme. Die jüngste PGP-Version 7.0.3 wurde noch unter seiner Oberaufsicht entwickelt - definitiv ohne Hintertüren.

In Zukunft wird sich Zimmermann verstärkt dem Open-PGP-Konsortium widmen und dafür Sorge tragen, dass keine Hintertüren in Verschlüsselungsprogrammen eingebaut werden. Das geht natürlich am einfachsten, indem man den Quellcode der betreffenden Software veröffentlicht.

Derartiger Open-Source-Initiative steht George Samenuk natürlich kritisch gegenüber: "Wir wollen doch schließlich Geld verdienen und können keinen Quellcode veröffentlichen". Immerhin möchte Network Assiociates spätestens in der zweiten Jahreshälfte 2001 wieder profitabel werden. Welche Produktbereiche Samenuk zu diesem Zweck aufgeben muss, wird man spätestens in drei Monaten sehen. Bis dahin möchte der Firmenboss endgültig wissen, wo er nicht die Nummer eins beziehungsweise zwei werden kann.

www.networkassociates.de

ComputerPartner-Meinung:

Es ist schon wirklich ein Kreuz mit Network Associates: Kaum jemand außerhalb der Branche kennt diese Firma, umso mehr können aber Anwender mit Brands wie PGP, McAfee, oder Sniffer anfangen. Wohl deshalb stärkt die Company diese Marken als eigenständige Business-Einheiten. Eine Trennung des indirekten Vertriebs in vier unterschiedliche Bereiche ist aber nicht sinnvoll. Die berühmten Synergie-Effekte bei größeren Projekten verpuffen dabei völlig. So können NAI-Partner gleich eine Anti-Virus-Lösung von Symantec mit der Firewall-1 von Checkpoint koppeln, dann haben sie genauso viele Ansprechpartner wie bei NAI, nämlich zwei. Hier muss sich die Company etwas anderes überlegen: entweder einige Produktbereiche ganz abstoßen oder den indirekten Vertrieb wieder zentralisieren. (rw)

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