Das Internet und sein Einfluss auf die internationalen Kapitalmärkte

14.03.2002
Die internationalen Kapitalmärkte haben in den vergangenen 20 Jahren nicht nur von den Liberalisierungstendenzen im Finanzwesen profitiert, sondern auch von den enormen Fortschritten im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologien. Das ist das Ergebnis einer Studie von Deutsche Bank Research.

Wenn DB Research im Vorwort zu einer Studie die internationalen Kapitalmärkte und das Internet mit den "Chiffren der Macht und apokalyptischen Reitern des Kapitalismus" gleichsetzt, nimmt das Forschungsinstitut der Deutschen Bank den Kritikern gleich den Wind aus den Segeln. Tatsächlich hat das Internet die internationalen Kapitalmärkte mindestens ebenso beflügelt wie die weltweiten Liberalisierungstendenzen zum Ende des 20. Jahrhunderts.

So ist das Volumen der internationalen Ausleihungen einschließlich Bankkredite und Anleihen an Nicht-Banken nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich nicht zuletzt dank des Internet in den zurückliegenden zwei Dekaden um rund 15 Prozent gestiegen. Die digitale Revolution hat den internationalen Kapitalmärkten nicht nur zu mehr Volumen verholfen, sondern zum Wohle der Anleger und Anbieter auch mehr Qualität und Transparenz gebracht.

Vor allem aber rücken die Finanzmärkte durch die Fortschritte in der IuK-Technik immer näher zusammen. Futures, Optionen und Swaps haben laut DB Research "eine blühende Derivate-Industrie entstehen lassen", die aus dem täglichen Kapitalmarktgeschäft nicht mehr wegzudenken sei.

"Globale Dimension"

Das Internet hat nicht nur den Kreis der Marktteilnehmer drastisch erweitert, sondern auch den Grad der Connectivity zwischen den Kapitalgebern und -nehmern - und das weltweit. Somit habe die Transparenz auf den Kapitalmärkten "eine globale Dimension" bekommen, heißt es in der Studie. Außerdem habe das Internet auch die Markteintrittsbarrieren gesenkt. Direktanlagebanken und Online-Broker schossen wie Pilze aus dem Boden und fordern die traditionellen Geldinstitute heraus.

Auf Konditionenvorteile bedachtes Transaktions-Banking tritt in den Vordergrund und löst die alten Hausbankbeziehungen ab. Dabei schlüpfen die Banken immer mehr die Rolle des Türöffners zu den internationalen Kapitalmärkten, womit eine Entwicklung vom bilanzwirksamen Zinsgeschäft hin zum bilanzunwirksamen Provisionsgeschäft einsetzt - Stichwort Investment-Banking.

Schätzungen zufolge sollen im Jahr 2003 im Investment-Banking zirka 15 Prozent aller Erträge aus dem Neuemissionsgeschäft über das Internet generiert werden. Anfang 2000 hat die Weltbank die erste rein virtuelle Globalanleihe aufgelegt, die ausschließlich über das Internet geordert werden konnte und erstmals auch Privatanlegern offen stand. Tatsächlich kam dann nur etwas mehr als die Hälfte des Emissionsvolumens von insgesamt drei Milliarden über das World Wide Web herein.

"Bricks & Clicks" dominieren den Wertpapierhandel

Obwohl das Internet schon so manchem Initial Public Offering (IPO) zu ungeahnter Größe verholfen hat, hält sich die Zahl der Eigenemissionen in Grenzen. Denn erstens fehlt es den meisten Emittenten an dem entsprechenden Know-how und zweitens auch am Bekanntheitsgrad, weshalb sie sich in der Regel an eine Investmentbank oder einen Venture Capitalist wenden, der dann nach eingehender Überprüfung (Due Diligence) für die Neugründung Investoren sucht.

Während sich die Auswirkungen des Internet auf den Primärmarkt noch in Grenzen halten, ist der Einfluss auf den Sekundärmarkt, sprich den Wertpapierhandel, bereits immens. Laut Schätzung von Forit Internet Business Research (in Deutschland Forrester Research) werden bis zum Jahr 2004 nahezu eine Million Privatkunden weltweit fast 50 Millionen Wertpapiertransaktionen jährlich über einen direkten Zugang zu einer Börse verfügen oder ein so genanntes Electronic Communications Network (ECN) abwickeln.

Um im Wettbewerb mit den Discountbrokern und Direktbanken, die bei den Neukunden zum Teil monatliche Wachstumsraten im oberen zweistelligen Bereich verzeichnen konnten, das Wertpapiergeschäft nicht völlig zu verlieren, haben die traditionellen Bankhäuser in den vergangenen Jahren massiv in Online-Banking investiert. Tatsächlich können die deutschen Privatbanken mit mehr als fünf Millionen Online-Konten heute schon einen Marktanteil von fast 50 Prozent vorweisen.

Mittlerweile ist auch die Interneteuphorie einer gewissen Ernüchterung gewichen, und die reinen Direktbanken und Online-Broker sind stark unter Druck geraten, da die wegen der hohen Fixkosten existenziell wichtigen Wachstumszahlen bei den Neukunden ausblieben. An die Stelle der technologiebegeisterten Jungen, die von den Höhenflügen der Dotcoms profitierten, rückt laut DB Research eine neue Welle von Online-Investmentkunden. Gemeint sind die vermögenden Anleger im Alter zwischen 40 und 60 Jahren, die neben der Bequemlichkeit und Zeitersparnis, die das Internet bietet, auch Beratung und maßgeschneiderte Lösungen suchen.

Und wer die Gewinner dieser Entwicklung sind, weiß das Forschungsinstitut der Deutschen Bank natürlich auch schon: Es sind die so genannten "Bricks & Clicks", das heißt Banken, die eine Multichannel-Strategie fahren, indem sie das Konzept des traditionellen Filialgeschäfts mit den Vorzügen des Online-Banking verbinden.

www.db-reasearch.de

www.forrester.de

ComputerPartner-Meinung:

Mögen sich die traditionellen Geldinstitute, die Direktbanken und Online-Broker noch um die Vorherrschaft im Online-Geschäft kloppen - den privaten Anlegern kann das egal sein, denn sie sind die eigentlichen Gewinner der internetinduzierten Entwicklung auf den internationalen Kapitalmärkten, stehen ihnen doch heute viele Möglichkeiten offen, die vor wenigen Jahren noch ausschließlich den professionellen Marktteilnehmern vorbehalten waren. (kh)

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