Citrix-Manager Peter Goldbrunner

"Das Internet wird zur Kontext-Maschine"

26.06.2012

CP: Wie hat sich der Einzug mobiler Endgeräte in die Unternehmen (Consumerization, ByoD) bislang auf die Virtualisierungsstrategie der Unternehmen ausgewirkt?

Goldbrunner: Diese Entwicklung lenkt den Fokus der Unternehmen vermehrt auf Desktop-Virtualisierung. Bereits rund die Hälfte der deutschen Unternehmen ermöglicht aktuell mobiles Arbeiten, wie unsere Untersuchung gezeigt hat. Der Trend zu flexiblen Arbeitsplätzen ist ungebrochen. Der Desktop-Virtualisierung kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.
Einerseits macht sie es möglich, dass jeder Mitarbeiter von überall aus auf seine gewohnte, produktive Arbeitsumgebung zugreifen kann. Andererseits sind mit virtuellen Desktops Betriebssystem und Endgerät vollständig entkoppelt, so dass mobile Devices kein allzu großes Sicherheitsrisiko mehr darstellen. Gerade die IT-Abeilungen in Unternehmen sehen sich bei beiden Punkten großen Herausforderungen ausgesetzt, die zusätzliche Kapazitäten oder anderes Arbeiten erfordern. Deswegen wird gerade hier die Desktop-Virtualisierung als die ideale Lösung gesehen.

CP: Welche Auswirkungen erwarten Sie hier künftig?

Goldbrunner: Durch die zunehmende Mobilität wird sich auch das Internet als solches ändern und zu einer Art großen Kontextmaschine werden. Wir werden erleben, dass jeder eine digitale Identität besitzt, die unabhängig von den benutzten Endgeräten wird. Die Geräte tauschen sich in einem Internet der Dinge untereinander aus und sorgen dafür, dass die Technologie schnell und kontextabhängig auf die Handlungen der Nutzer reagiert.
Für Unternehmen heißt das, dass die IT stärker zentralisiert sein muss. Anwendungen, Desktops, all das wird zentral gehostet und somit jederzeit und von überall aus erreichbar sein. Dabei spielen Cloud-Technologien natürlich eine wichtige Rolle.
Möglicherweise erleben wir auch wieder einen starken Trend hin zu offenen Architekturen, weil verschiedene Komponenten einfach integriert werden müssen. Die Cloud wird die IT von heute nachhaltig verändern und das Thema steht erst am Anfang mit seinen Möglichkeiten. Wie auch bei anderen Technologien in der Vergangenheit, wird es auch bei der Cloud nicht um alles oder nichts gehen, sondern die Cloud wird als Dienst, Service, Infrastruktur oder Anwendung in die bestehende IT der Kunden aufgenommen und integriert. Davon ausgehend wird es sich die Entwicklung dann ausweiten, also ein gesteuerter Prozess mit mehr Ratio als Revolution. Die Client-Virtualisierung spielt dabei eine wichtige Rolle und wird weiterhin ein wichtiger Baustein bleiben.

CP: Welche Folgen hat das für die Vertriebspartner - worauf müssen sie sich einstellen?

Goldbrunner: Die Vertriebspartner sollten sich mit dieser Entwicklung auseinandersetzen und ihre Geschäftsmodelle einer kritischen Betrachtung unterziehen. Trends wie Consumerization und ByoD-Programme bedeuten nämlich ganz konkret, dass Unternehmen möglicherweise keine großen Hardware-Posten mehr abnehmen. Nutzen die Mitarbeiter ihre eigenen Geräte, dann werden sie diese auch privat über andere Handelskanäle beziehen.
Auch das Geschäft mit Softwarelizenzen steht im Cloud-Zeitalter unter Druck. Hier wird es verstärkt darum gehen, Services zu entwickeln und anzubieten, sei es nun wie bei SaaS in Form gehosteter Anwendungen, als Support oder auf andere Weise. Das Thema ist vielen Systemhäusern bewusst und dort wird längst an neuen Strategien gearbeitet beziehungsweise sie sind schon lange in der Umsetzung.
Mit unseren Lösungen, verschiedene Cloud-Dienste miteinander zu kombinieren, bieten wir vielen Systemhäusern einen sehr guten Einstieg in die Cloud-Welt, ohne das bestehende Business-Modell von heute auf morgen verändern zu müssen.

CP: Inwiefern ist Desktop-as-a-Service schon ein marktrelevantes Thema?

Goldbrunner: Das Thema wird sicherlich noch interessant werden. Wie erwähnt, sind Services ja ein Zukunftsthema. Schon heute haben alle globalen Systemintegratoren - beispielsweise Fujitsu, IBM, HP, Atos, um nur einige zu nennen - solche Angebote im Portfolio. Allerdings gibt es im Moment noch einige Hürden, die einer schnellen Akzeptanz im Massenmarkt im Wege stehen. Dazu gehören beispielsweise ungeklärte Fragen rund um Windows-Lizenzen.

CP: Wie lässt sich gewährleisten, dass virtuelle Desktops auch sehr schnell bereitgestellt werden können?

Goldbrunner: Dabei spielen zwei Punkte eine Schlüsselrolle: Zum einen muss die virtuelle Umgebung im Rechenzentrum gut strukturiert und verwaltet sein. Dann ist es ein leichtes, schnell standardisierte Desktops bereitzustellen, etwa für neue Mitarbeiter. Optimieren lässt sich das dann zum Beispiel durch eine Art internen App-Store, in dem die Mitarbeiter sich ihr spezielles Paket an Anwendungen und Services zusammenstellen können. Mit Citrix CloudGateway bieten wir eine Lösung, mit der sich Anwendungen und Services zentral koordinieren und bereitstellen lassen. v
Der zweite wichtige Punkt ist die reibungslose Bereitstellung der Desktops und Anwendungen ohne Unterbrechungen und Latenzzeiten. Lösungen zur Netzwerkoptimierung wie beispielsweise Citrix NetScaler gehören hier schon fast zum Pflichtprogramm. Damit lassen sich die vorhandenen Kapazitäten hinsichtlich Netzwerk und Bandbreite optimal nutzen, so dass die Mitarbeiter möglichst immer und überall produktiv arbeiten können. Des Weiteren gibt es hier einen großen Bedarf an Automatisierung, die in der Regel individueller gestaltet werden muss und für einige Systemintegratoren ein sehr interessantes Geschäft darstellt.

CP: In welchen Bereichen setzen hierzulande Mittelstands- bzw. Enterprise-Kunden tatsächlich Virtualisierungslösungen ein?

Goldbrunner: Das eine klassische Einsatzszenario gibt es eigentlich nicht mehr. Das Interesse und die Nachfrage nehmen aus den verschiedensten Bereichen und Branchen zu. Selbst in besonders sensiblen Bereichen wie Krankenhäusern oder der öffentlichen Verwaltung kommt Virtualisierungstechnologie von Citrix zum Einsatz. Die Asklepios-Kliniken Nordhessen planen derzeit, alle ihre 1.200 Anwender an sieben Standorten mit virtuellen Desktops zu versorgen. Und die Kreisstadt Bergheim bezieht schon seit 2010 alle Applikationen als Services. Doch Virtualisierung ist längst schon kein "Prestige-Projekt" für einige wenige Großanwender mehr, sondern wird immer häufiger auch bei kleinen und mittelständischen Firmen eingesetzt.
Mit Citrix VDI-in-a-Box haben wir ein Produkt im Portfolio, das auch kleineren Unternehmen den Einstieg in die Desktop-Virtualisierung erleichtert. Herkömmliche Desktop-Virtualisierungslösungen waren dort in der Vergangenheit meist zu komplex und zu kostenintensiv. Um den Channel hier zu unterstützen, haben wir kürzlich das "SMB Specialist Program" auf den Weg gebracht. So wollen wir unseren Partnern dabei helfen, künftig neue Kundensegmente in diesem Umfeld zu adressieren und für Virtualisierungsprojekte zu gewinnen.

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