Jahresrückblick

Das IT-Jahr 2017 brachte Ärger, aber auch viel Staunen über neue Technik

Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Im IT-Jahr 2017 ging es hoch her. Das lag nicht nur an der schillernden Figur im Weißen Haus, die so manchen IT-Riesen aus der Fassung brachte, sondern auch an einigen Softwarehäusern, die sich mit ihren Kunden anlegten. Andererseits bahnten sich spannende neue Technologien, darunter Machine Learning und Blockchain, ihren Weg.

Das internationale IT-Jahr 2017 brachte einiges Ungemach mit sich. Gleich zu Jahresanfang verstörte der frischge­backene US-Präsident Donald Trump die internationale IT-Szene mit seiner Absicht, per Dekret ein Einreiseverbot für Flüchtlinge und Besucher aus verschiedenen Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit durchzudrücken. Viele Verantwortliche der großen IT-Konzerne, die traditionell Mitarbeiter aus aller Herren Länder beschäftigen, liefen Sturm gegen diesen Versuch, die freiheitlichen Grundwerte der USA zu untergraben.

Manches im IT-Jahr 2017 war schlichtweg zum Weinen.
Manches im IT-Jahr 2017 war schlichtweg zum Weinen.
Foto: bomg - shutterstock.com

Amazon-CEO Jeff Bezos bemühte sich, Staatsbeamte und Abgeordnete zu formieren, um den Beschluss zu Fall zu bringen. Auch Apple-Chef Tim Cook, Facebook-Gründer Mark Zuckerberg sowie Googles Sundar Pichai und Microsofts Satya Nadella protestierten vehement. Das juristische Tauziehen rund um das Einreiseverbot zog sich durch das ganze Jahr. Nachdem einzelne Bundesrichter das Dekret immer wieder zu Fall brachten, errang die Trump-Regierung zuletzt einen Teilsieg. Der Supreme Court kippte die Entscheidungen der unteren Instanzen. Experten werten dies als Signal, dass eine mehrfach korrigierte Version des Dekrets letztendlich doch in Kraft treten könnte.

Trump lässt Kritik abprallen

Im Sommer eskalierte der Streit zwischen Trump und Wirtschaftsvertretern erneut. Nach rechtsradikalen Ausschreitungen in Charlottesville, Virginia, bei denen eine Demonstrantin getötet wurde, weigerte sich der US-Präsident tagelang, Nazi-Gewalt öffentlich zu verurteilen. Schließlich zog Intel-Chef Brian Krzanich die Konsequenzen und verabschiedete sich aus Protest aus dem American Manufacturing Council, einem Beratergremium der Wirtschaft für die US-Regierung.

Viele in Washington seien damit beschäftigt, jeden anzugreifen, der nicht ihrer Meinung sei, schrieb Krzanich in einem Blog-Beitrag. „Wir sollten diejenigen ehren, die für Gleichheit und amerikanische Werte eingestanden sind – und sie nicht attackieren.“ An Trump prallte die Kritik jedoch ab. Der US-Präsident löste das Beratergremium kurzerhand auf, nachdem weitere Mitglieder ihren Austritt erklärt hatten.

US-Präsident Donald Trump ließ kaum ein Fettnäpfchen aus, und schaffte es immer wieder, Industrie und Wirtschaft gegen sich aufzubringen.
US-Präsident Donald Trump ließ kaum ein Fettnäpfchen aus, und schaffte es immer wieder, Industrie und Wirtschaft gegen sich aufzubringen.
Foto: VILevi - shutterstock.com

Das Verhältnis der amerikanischen IT-Industrie zu ihrem Präsidenten blieb indes zwiegespalten. Neben den Protesten gegen Trump bemühten sich etliche Bosse auch darum, sich beim Republikaner lieb Kind zu machen. Dabei drehte es sich in erster Linie darum, Produktionskapazitäten zurück in die USA zu holen. Schließlich hatte Trump seinen Wählern Tausende neue Arbeitsplätze versprochen und US-Unternehmen an den Pranger gestellt, die in Billiglohnländern fertigen ließen.

Und der Slogan "America first" zog: Gleich nach der Amtseinführung Trumps im Januar hatte Intel-Chef Krzanich bei einem Treffen mit dem US-Präsidenten angekündigt, sieben Milliarden Dollar in den Bau einer Halbleiterfabrik in den USA investieren zu wollen. Auch Apple erklärte, gemeinsam mit dem chinesischen Auftragsfertiger Foxconn Milliarden Dollar in den Bau von Fabriken in den USA stecken zu wollen. Allerdings blieb es bis dato bei den Ankündigungen.

Mehr zu den Konflikten zwischen der IT-Industrie und Donald Trump lesen Sie hier:

Silicon Valley applaudiert US-Berufungsgericht
Amazon-CEO Bezos prüft juristische Mittel gegen Trump-Dekret
Donald Trump schafft auch im ITK-Markt Fakten

Home, sweet Home

Die neu erwachte Heimatliebe Apples dürfte auch daran liegen, dass dem iPhone-Hersteller in Europa ein schärferer Wind ins Gesicht bläst. Die EU-Kommission hat im Oktober 2017 eine Klage gegen Irland vor dem Gerichtshof der Europäischen Union eingereicht. Der Hintergrund: Die Wettbewerbshüter ordneten die Steuervereinbarungen zwischen Apple und Irland als unrechtmäßige staatliche Beihilfen ein.

Der US-Konzern habe auf der grünen Insel nur einen Bruchteil der sonst üblichen Steuern entrichtet. Daher müsse der irische Staat rund 13 Milliarden Dollar von Apple einfordern. Der US-Konzern wehrt sich dagegen, genauso wie die irische Regierung, die fürchtet, Apple könnte sein europäisches Headquarter inklusive der daran hängenden Arbeitsplätze kurzerhand in ein anderes Land verlegen.

Mit seiner Steuerreform, die vor allem den Konzernen zu Gute kommt, will US-Präsident Donald Trump, die in ausländische Steuerparadise geflüchteten US-Unternehmen wieder nach Hause locken.
Mit seiner Steuerreform, die vor allem den Konzernen zu Gute kommt, will US-Präsident Donald Trump, die in ausländische Steuerparadise geflüchteten US-Unternehmen wieder nach Hause locken.

Steuervermeidung war überhaupt ein heiß diskutiertes Thema in den zurückliegtenden Monaten. Nachdem 2016 bereits die Panama Papers für Aufsehen gesorgt hatten, heizten weitere Veröffentlichungen eines Netzwerks investigativer Journalisten, die Paradise Papers, die Diskussionen rund um die Machenschaften international agierender Konzerne neu an. Den Recherchen zufolge steuern Firmen wie Apple, Facebook und Twitter ihre Geldflüsse so, dass nahezu jedes Steuerschlupfloch ausgenutzt wird. Immerhin lenken einige Anbieter angesichts des wachsenden öffentlichen Drucks ein. So erklärte sich Google im Steuerstreit mit Italien bereit, über 300 Millionen Euro nachzuzahlen.

Die Lizenz zum Ärgern

Geärgert haben sich im ablaufenden Jahr auch viele Anwenderunternehmen – und zwar darüber, wie ihre angeblichen IT-Partner mit ihnen umspringen. So eskalierte im Sommer der Streit zwischen Oracle und seinen Kunden. Anwendervertreter warfen dem US-amerikanischen Datenbankspezialisten vor, die Beziehungen massiv zu beschädigen.

Stein des Anstoßes waren Ora­cles Lizenzkonditionen, speziell in virtualisierten Umgebungen. Anwender, die Oracles Virtualisierungstechniken einsetzen, müssen deutlich weniger bezahlen als Kunden mit gängigen Lösungen anderer Anbieter wie VMware, Hyper V oder Xen. Mit ihrem Anliegen, über diese Lizenzpolitik zu sprechen, stießen die Anwender bei ihrem Softwarelieferanten allerdings auf taube Ohren. Oracle habe den Dialog abgebrochen, hieß es. Dieses Geschäftsgebaren kritisierten die Anwendervertreter als nicht akzeptabel und drohten Konsequenzen an. Umfragen zufolge soll die Hälfte der Kunden an Exit-Strategien arbeiten, um Oracle-Produkte abzulösen.

Auch SAP hat seine Kunden in den zurückliegenden Monaten geärgert, vor allem aber auch massiv verunsichert. Im Zentrum der Diskussionen: die indirekte Nutzung von SAP-Software. So droht dem britischen Getränkehersteller Diageo eine saftige Nachzahlung in Höhe von 55 Millionen britischen Pfund. SAP zufolge gelten allein Named User als Abrechnungsbasis für den Zugriff auf SAP-Systeme. Dieser Maßstab sei auch für die von Diageo eingesetzten Cloud-Lösungen von Salesforce anzuwenden, die mit SAP Daten austauschten. Den Einwand des Diageo-Managements, dass man über "SAP Process Integration" (PI) bereits Gebühren dafür bezahle, wollte Richterin Finola O‘Farrell nicht gelten lassen.

Alle Informationen zu SAPs Lizenzregeln und der indirekten Nutzung finden Sie in einem kostenlosen Insider-PDF der COMPUTERWOCHE:

Durchblick im SAP-Lizenzdschungel

Um 600 Millionen Dollar geht es in dem Streit zwischen SAP und dem weltweit größten Bierbrauer Anheuser-Busch InBev. SAP wirft dem Konzern vor, mehrfach gegen ein Software-License-Agreement verstoßen zu haben. Das InBev-Management räumte ein, dass man dementsprechend Rücklagen bilden musste, machte aber auch klar, sich gegen die Forderungen aus Walldorf zur Wehr setzen zu wollen.

Die SAP-Verantwortlichen bemühten sich zwar, Dampf aus dem Kessel zu nehmen, doch das misslang. Der Versuch, Klarheit in lizenzrechtlichen Grauzonen zu schaffen, sei unzureichend, kritisierten Vertreter der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG). Grundsätzlich scheint vielen Anwendern vor einer Auseinandersetzung mit SAP nicht bange. Man glaube gar nicht, welche Dynamik in die Gesprächs­bereitschaft komme, wenn man den Support-Vertrag kündige, erzählte mit einem süffisanten Lächeln ein Anwender, der nicht namentlich genannt werden möchte.

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