"Das PC-Geschäftsmodell wird so nicht überleben"

02.08.2001
Die Zeiten als reiner UE-Hersteller sind für Sony vorbei: Neben den Notebooks brachte das Unternehmen 2001 auch PCs und PDAs auf den deutschen Markt. Über die Entwicklung der neuen Produktbereiche, Trends und Prognosen für das zweite Halbjahr sprach Leopold Bonengl, Vorsitzender der Geschäftsführung der Sony Deutschland GmbH, mit ComputerPartner-Redakteurin Cornelia Hefer.

Herr Bonengl, gegen den allgemeinen Trend konnten Sie Ihr Geschäftsjahr 2000/01 (Ende 31. März) mit einer Umsatz- und Ergebnissteigerung abschließen. Hatten Sie keine Probleme im vergangenen Jahr?

Bonengl: Wir konnten beim Umsatz ein Rekordergebnis erzielen und den Nettoprofit im Vergleich zum Vorjahr nochmals erhöhen. Und das trotz großer Währungsschwankungen: Aufgrund unserer internationalen Produktionsstätten kaufen wir unsere Ware in japanischen Yen, US-Dollar und britischen Pfund ein. Gerade diese drei Währungen haben sich teilweise sehr schlecht gegen den Euro dargestellt. Das erste Mal in unserer Geschichte musste Sony innerhalb eines Jahres drei Mal die Preise anheben.

Welche Segmente waren für Sony erfolgreich, und wo hat das Geschäft geschwächelt?

Bonengl: Stark waren die Bereiche IT, Digitalfotografie, Camcorder und DVD. Nicht zufrieden waren wir mit dem Fernsehgeschäft. Hier mussten wir aufgrund der Profitabilität ein Zwischenjahr einlegen: Wir haben Technologien verändert und die Preise angehoben, wodurch auch unser Marktanteil zurückgegangen ist.

Laut GfK haben Sie im UEBereich Anteile verloren.

Bonengl: Das ist richtig. Im klassischen Consumer-Electronics-Bereich ist unserer Marktanteil um 0,8 Prozent zurückgegangen, weil hier das Fernsehgeschäft sehr stark ist. Wir haben auch im Cam-corder-Segment aufgrund von Lieferengpässen minimale Anteile verloren - allerdings halten wir hier einen Marktanteil von fast 50 Prozent.

Im Bereich Digitalfotografie konnten Sie Ihren Marktanteil um 7,6 Prozent auf 20,4 Prozent in Deutschland erhöhen. Allerdings soll dieser Zugewinn auf massiven Preissenkungen basieren.

Bonengl: Das entspricht nicht der Realität. Erstens sind wir nicht im Einstiegssegment präsent, B-Brand- und C-Brand-Preispunkte besetzen wir nicht. Zweitens hat Sony seine Preise zwar dem Markt angepasst, aber wir waren damit immer noch nicht Preisführer. Kein Mensch lässt sich gerne die Butter vom Brot nehmen: Wir mussten auf Mitbewerber reagieren.

In der Digitalfotografie streben Sie die Marktführerschaft an - dafür müssen Sie aber die Nummer eins Olympus überrunden.

Bonengl: Wir wollen mittelfristig die Markführerschaft in Deutschland. Das Segment der Digitalfotografie wächst rasant: Sie haben hier noch eine Steigerung zwischen 80 und 100 Prozent. Kein Anbieter kann hier von heute auf morgen stabil die Nummer eins sein. Laut GfK waren wir in der Berichtsperiode Dezember/Januar Marktführer. Auch in diesem Jahr werden wir in der einen oder anderen GfK-Auswertung auf Platz eins liegen. Ob wir das für das Gesamtjahr auch schaffen, ist derzeit schwer zu sagen. Aber mittelfristig werden wir unser Ziel erreichen.

Das laufende Geschäftsjahr ist geprägt von einem schlechten Konsumklima. Wo sehen Sie die Ursache?

Bonengl: Bereits im vergangenen Oktober hat sich abgezeichnet, dass 2001 ein schwieriges Jahr wird. Das liegt an der Euroumstellung, an BSE, das zu einem Anstieg der Lebenshaltungskosten führte, und an massiv gestiegenen Energiekosten. Die Dramatik dieser Entwicklung hat viele überrascht.

Gerade in diesem Jahr ist Sony ins flaue PC-Geschäft eingestiegen.

Bonengl: Das PC-Geschäftsmodell - mit dem Hersteller und Wiederverkauf seit längerem im Markt agieren - wird so nicht überleben. Es kann nicht sein, dass weder Industrie noch Handel bei einem Absatz von 7,5 Millionen PCs Geld verdienen. Unser Ansatz in den nächsten Monaten und Jahren ist, zwar geringere Stückzahlen als die Wettbewerber zu verkaufen, diese aber mit Mehrwert zu generieren. Und dieser Mehrwert soll nicht nur von der Prozessorgeschwindigkeit abhängen, sondern auch von Themen wie Vernetzung und Funktionalität. Ich möchte hier jetzt nicht den Propheten spielen, da Sony im PC-Geschäft noch am Anfang steht. Aber dieser Bereich macht für uns nur Sinn, wenn wir hier noch Geld verdienen können, und dafür ist die Zeit jetzt reif.

Die Media-Markt-Saturn-Gruppe, einer Ihrer größten Kunden, musste im April/Mai Einbußen von 15 Prozent hinnehmen und hat mit einer Lagerabwertung reagiert. Spüren Sie das?

Bonengl: Sicher, obwohl Media-Markt hier kein Einzelschicksal ist. Wir haben in allen Absatzkanälen die Situation, dass Händler ihre Lager abbauen müssen. Abbauen heißt zwar weniger Risiko, aber auch weniger Umsatz. Allerdings zeigt das erste Halbjahr 2001 auch eine positive Entwicklung: Indus-trie und Handel denken jetzt gemeinsam darüber nach, wie man Segmente stimulieren kann.

Sony ist sehr Consumerlastig. Wird das 2001 nicht zum Problem?

Bonengl: Sony ist ein klassischer Consumer-Brand. Parallel dazu haben wir unser Engagement im Projektgeschäft verstärkt. Vor eineinhalb Jahren haben wir die Entscheidung getroffen, dass wir Vaio-Competence-Center (VCC) aufbauen. Das sind IT-Fachhändler, die im Markt gut etabliert sind und im Endkunden- wie auch im Projektgeschäft aktiv agieren. Mittlerweile arbeiten wir mit 60 Vaio-Competence-Centern bundesweit zusammen. Und wir unterstützen das Engagement im B2B-Geschäft auch mit internen Strukturen: Seit März haben wir eine eigene Corporate-Vertriebsmannschaft. Gerade im Notebook-Segment leiden wir damit nicht so stark unter der derzeitigen Schwäche des Consumer-Bereichs.

Wie laufen denn die Vaio-Notebooks im professionellen Umfeld?

Bonengl: Wir haben hier unsere ersten Sporen verdient. Unser Potenzial ist allerdings noch nicht ausgeschöpft. Schließlich ist es auch notwendig, dass wir hier eine Balance zwischen Consumer- und B2B-Geschäft herstellen und nicht alle Energie ausschließlich auf das Projektgeschäft konzentrieren.

Wie beurteilen Sie die derzeitige Entwicklung im Notebook-Markt?

Bonengl: Das Laptop-Geschäft wird gerade verstärkt von ungesunden Faktoren beeinflusst: Faktoren, die den PC-Markt dorthin geführt haben, wo er heute ist. Mit Anbietern, die Mogelpackungen anbieten, Desktop-CPUs in Note-books einbauen, um damit die Preisspirale immer weiter nach unten zu drehen ...

... Sie meinen damit Gericom und Co. ...

Bonengl: ... Ich möchte hier keine Namen nennen. Aber wir werden diese Entwicklung nicht mitmachen. Wir setzen konsequent auf Qualitätsanreicherung. Der deutsche Notebook-Markt macht nach Stückzahlen nur ein Fünftel des PC-Absatzes aus. Und Sony wird den dünnen Ast, auf dem wir alle sitzen, nicht absägen. Wir sollten uns hier - Hersteller und Wiederverkauf - auf#s Geldverdienen konzentrieren.

Wie lautet denn Ihre Prognose für das zweite Halbjahr - navigieren Sie auch im Nebel wie HP-Chefin Fiorina oder sehen Sie Licht am Ende des Tunnels?

Bonengl: Ab September wird sich der Gesamtmarkt langsam erholen, wobei Hersteller und Handel das durchaus beeinflussen können: unter anderem durch technologische Innovationen, die zum Beispiel im August auf der IFA präsentiert werden.

Auf der Cebit 2001 hat Sony PCs und PDAs in Deutschland ein-geführt. Wie sind diese beiden Bereiche bisher angelaufen?

Bonengl: Auf kleinster Flamme, so wie wir es auch geplant hatten. Das erste PC-Produkt nutzen wir für das Test-Marketing. Wir haben den Vaio-Desktop vor drei Wochen selektiv an unsere VCCs und auch - in kleinen Stückzahlen - an den Retail-Kanal ausgeliefert. Aber Sie werden uns sicher nicht in den neuen GfK-Charts finden.

Und die PDAs?

Bonengl: Trotz guter Testergebnisse des Clié in der Fachpresse waren die Verkaufszahlen nicht zufrieden stellend.

Lag es am Preis?

Bonengl: Einerseits am Preis, den wir gerade gesenkt haben, aber leider auch an dem englischen Betriebssystem, mit dem wir hier gestartet sind. Der deutsche Konsument möchte nun mal ein deutsches Betriebssystem. Das muss man akzeptieren und respektieren. Im zweiten Halbjahr werden wir mit einem neuen Clié - mit deutschem Betriebssystem - dann richtig Gas geben.

Werden Sie im Weihnachtsgeschäft mit PCs und PDAs auch andere Preispunkte besetzen, die eine breitere Käuferschicht ansprechen?

Bonengl: Ja, die Produkte kommen im Herbst auf den deutschen Markt. Aber Sony wird keinen PC im unteren Preissegment anbieten. Allerdings erwarte ich für das zweite Halbjahr dann auch einen höheren Stückzahlenabsatz zwischen 1.000 und 3.000 verkauften Desktops im Monat.

Auf welche Vertriebskanäle setzen Sie für PDAs und PCs den Fokus - die Consumer-Electronic-Stores?

Bonengl: Wir wollen die beiden Produktsegmente an der Consumer-Front etablieren und testen, verkaufen sie aber auch über unsere VCCs. Und über unsere Distributoren beliefern wir natürlich auch den Fachhandel.

Vor rund einem Jahr hat Sony Deutschland rund 70 Prozent über die Distribution verkauft (inklusive Systemhausabsatz) und zirka 30 Prozent über Retailer. Sind die Zahlen so noch korrekt?

Bonengl: Daran hat sich nichts geändert.

Sie haben bereits gesagt, dass sich Sony mit den Vaio-Notebooks im B2B-Geschäft erste Sporen verdient hat. Wie hoch ist hier bereits der Anteil im Projektgeschäft?

Bonengl: Zehn Prozent, die direkt bei uns aufschlagen. Allerdings engagieren sich unsere VCCs ja auch im Projektgeschäfte: Insgesamt dürfte sich der Anteil auf rund 30 Prozent belaufen.

Wollen Sie das weiter ausbauen?

Bonengl: Ja, insbesondere das Großkundengeschäft. Eine genaue Prozentzahl zu nennen ist allerdings schwierig. Denn gerade bei den großen Projekten gilt: Mal gewinnt man, mal verliert man im letzten Moment.

Wichtiges Thema im B2B- wie auch im Consumer-Geschäft sind Service und Support. In der Vergangenheit war Sony hier nicht gut aufgestellt: schlechte Erreichbarkeit und zu lange Reparaturzeiten haben manchen Partner verärgert. Hat sich das verbessert?

Bonengl: Es ist zwar besser geworden, aber ich bin noch nicht zufrieden.

Warum nicht?

Bonengl: Die Durchlaufzeiten sind immer noch zu lang. Außerdem ist der IT-Markt für Sony, trotz unserer Erfolge in den zweieinhalb Jahren, noch relativ neu. Wir werden in Kürze unsere VCCs für spezifische Service- und Supportleis-tungen bei gewerblichen Kunden autorisieren.

Im Consumer-Bereich arbeiten wir daran, die Durchlaufzeiten weiter zu verkürzen. Außerdem haben wir im vergangenen Jahr ein deutsches Call-Center in Bochum aufgebaut, das gute Arbeit leistet. Schließlich sind wir das als Markenanbieter unseren Kunden schuldig. Unser Ziel ist es, nicht nur bei den Produkten die Nummer eins zu werden, sondern auch im Service.

Sony ist bereits seit längerem kein reiner UE-Hersteller mehr. Wie wird sich ein globaler Konzern wie Sony weiterentwickeln?

Bonengl: Sie werden von uns keine Überraschungen erleben. Sony wird sich nicht plötzlich darauf konzentrieren, Waschmaschinen zu produzieren. Wir bleiben bei unseren Stärken: Electronic-Entertainment, Musik, Film und Game. Die einzelnen Technologien stärker zu vernetzen - Stichwort: Konvergenz - wird ein klares Ziel sein. Der ganze Bereich, der beispielsweise rund um das Digitalfernsehen entsteht, ist für uns natürlich interessant: Hier wollen wir Services anbieten, die der Konzern aus seinen eigenen Kapazitäten entwickeln kann.

Ein anderes Thema ist das B2B-Geschäft: Unternehmenskunden bessere Lösungen anzubieten ist eine weitere Aufgabe für uns. Und da gehören neben der Hardware auch beispielsweise Software, Netzwerke und Services wie Consulting dazu.

Sie sprachen gerade Services an. Können Sie da ein Beispiel aufzeigen?

Bonengl: Nehmen wir den Bereich Digitalfotografie. Einerseits werden hier Servertechnologien benötigt. Andererseits gehört zum Spaßfaktor für den Kunden aber auch, dass er seine Fotos mit anderen teilen kann: im Rahmen von Foto-Chatgroups im Internet zum Beispiel.

Auf der IFA stellen wir einen Service unter dem Namen "Image-Station" vor. Damit stei-gern wir das Interesse des Konsumenten und bieten ihm einen Mehrwert neben der reinen Hardware an.

Sie sind ja Österreicher und kommen aus Wien. Wie lange werden Sie denn noch in Köln bleiben?

Bonengl: Als Manager muss man heutzutage flexibel sein. Aber ich arbeite jetzt schon seit zehn Jahren in Deutschland und habe gerade in Köln ein Haus gekauft. Ich plane also nicht, so schnell wieder um-zuziehen.

www.sony.de

Who is who?

Leopold Bonengl

Der heutige Sony-Deutschlandchef Leopold Bonengl, 46, kommt aus Wien, wo er auch Schule und Studium absolvierte. 1992 und 1993 arbeitete er für die Apple Computer GmbH als Marketing-Leiter. 1995 wechselte Bonengl zur Sony Deutschland GmbH als Marketing-Leiter für Consumer-Audio. Zwei Jahre später stieg er zum Director-Business-Manager auf und wurde gleichzeitig zum Mitglied der Geschäftsleitung in Köln berufen. Nach dem Weggang von Karl Pohler 1999 übernahm der Manager die Position des Geschäftsführers. Seit vergangenem Jahr ist Bonengl Vorsitzender der Geschäftsführung bei der Sony Deutschland GmbH. (ch)

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