Das Urteil und die Diskussion: Die Weiterveräußerung von Software-Lizenzen ist und bleibt zulässig

24.05.2006

Zweitens:

Gelegentlich wird die Auffassung vertreten, von dem Urteil seien nicht nur Lizenzverträge von Oracle betroffen, sondern auch Lizenzrechte anderer Hersteller. Auch dies ist falsch. Tatsächlich betrifft das Urteil ausschließlich Oracle-Lizenzen. Und hier auch nur solche, die per Online-Übertragung erworben wurden. Auf den übrigen Handel mit bereits genutzten Software-Lizenzen hat der genannte Urteilsspruch keinerlei Einfluss. So stellt Peter Guntz, Richter und Pressereferent des LG München als Reaktion auf eine entsprechende Falschmeldung klar, dass eine Weiterveräußerung von auf Datenträgern vertriebener Software weiterhin zulässig sei.

Drittens:

In einem Rechtsgutachten hat Prof. Thomas Hoeren, einer der führenden deutschen Urheberrechtsexperten (Universität Münster), zum Oracle-Urteil Stellung bezogen. Hoeren kommt in seinem Gutachten - entgegen der Auffassung des Landgerichts München - zu dem Schluss, dass der Erschöpfungsgrundsatz analog auch bei der Online-Übertragung von Computerprogrammen Anwendung finden muss. Schließlich führten beide Vertriebswege zum gleichen Erfolg - also zur Installation eines Programms auf einer Festplatte. Die Online-Übertragung sei demnach ein "funktionales Äquivalent" zum Erwerb eines körperlichen Vervielfältigungsstücks und müsse dementsprechend gleich behandelt werden. Würde man hingegen der Argumentation des LG München folgen, so hätte die Art und Weise des Erwerbs eines Computerprogramms erheblichen Einfluss auf seine wirtschaftliche Wiederverwertbarkeit. Der Urheber könnte allein durch die Wahl des Vertriebsweges über das Recht des Ersterwerbers zur Weiterveräußerung bestimmen - und dies sei nicht mit deutschem Recht vereinbar.

Darüber hinaus hat der Hersteller selbst den Vertriebsweg der Online-Übertragung gewählt - in der Regel, um sich einen wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen. Es könne aber nicht Aufgabe des Urheberrechtsgesetz sein, freiwillig und bewusst eingegangene wirtschaftliche Risiken der Online-Übertragung dadurch zu verringern, dass die Weiterveräußerung des Computerprogramms untersagt wird, so Hoeren.

Fazit:

Aufgrund dieser von führenden deutschen Rechtsgelehrten geteilten Rechtsauffassung, ist es durchaus wahrscheinlich, dass die Entscheidung des Landgerichts in der nächsten Instanz aufgehoben wird. Aber selbst wenn das Oberlandesgericht das Urteil in nächster Instanz bestätigen würde, werden den Käufern "gebrauchter" Lizenzen dadurch keine Nachteile entstehen. Denn genauso wenig wie das Urteil des Landgerichts den Handel mit bereits genutzten Lizenzen für unzulässig erklärt hat (sondern lediglich eine "streitbare" Ausnahme für online übertragene Programme sieht), sitzt das Oberlandesgericht über das grundsätzliche Geschäftsmodell von usedSoft zu Gericht. Denn erstens gilt das Urteil nur für den Handel mit "gebrauchten" Oracle-Lizenzen. Und zweitens besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass die Weiterveräußerung von Datenträgern mit Software auch weiterhin zulässig ist.

Der Autor: Rechtsanwalt Andreas Meisterernst ist Seniorpartner der auf Wettbewerbsrecht spezialisierten Münchner Rechtsanwaltskanzlei meyer//meisterenst. (mf)

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