Datawarehouses versprechen oft mehr, als Sie halten

09.03.1998

MÜNCHEN: Nackte Daten alleine sind wertlos - erst deren sinnvolle Verknüpfung schafft den Informationsvorsprung, der zum Wettbewerbsvorteil gereichen kann. Für eine intelligente Verbindung der Datensätze eignen sich am besten Datawarehouses. Was man bei deren Installation beachten sollte, schildert Hubert Borgmeier*.Datawarehouse-Projekte haben sich als besonders beratungsintensiv herausgestellt. Für Dr. Wolfgang Martin, Vice President der Meta Group, kommt die IT-Branche hier in eine neue Phase. Denn nach der Definition des technologisch Machbaren gehe es nun darum, unternehmensspezifische Lösungen zu entwickeln.

Und genau an dieser Stelle setzt das Thema Consulting an: "Der Erfolg von Datawarehouse-Projekten steht und fällt mit der Beratung", faßt Martin die Situation zusammen. Sind doch für immerhin 25 Prozent der gescheiterten Projekte nicht technische Unzulänglichkeiten, sondern überzogene Erwartungen des Kunden verantwortlich (siehe obere Grafik ). Das heißt, daß noch im Vorfeld der Implementierung zu wenig Beachtung auf eine klare Definition der Ziele des Datawarehouse-Projektes gelegt wird.

Organisatorische Mängel aufdecken

Die Annahme, die Einführung von unternehmensweiten Datenbankprojekten würde das Unternehmen selbst unverändert lassen, ist ebenfalls ein - häufig nicht reflektierter - Trugschluß. Eine Installation dieser Größenordnung steht ja keinesfalls isoliert da. Im Gegenteil: Gerade im Rahmen solcher Projekte werden organisatorische Defizite eines Unternehmens offenbar. Und sie werden durch technische Lösungen keinesfalls abgefangen, sondern eher noch verstärkt.

Dabei sind die gefährlichsten Klippen, die einer erfolgreichen Einführung und Nutzung von Datawarehouses entgegenstehen, der Branche wohl bekannt. "Organisatorische Fehler sind mit Abstand die häufigsten Ursachen für Probleme. Dabei sind mangelnde Datenqualität und -hygiene, also fehlende oder nur unzureichend qualifizierte Daten das größte Ärgernis", macht Martin das Dilemma deutlich. Diese Mängel, die den Unternehmen selbst oft nicht bekannt sind, vermag ein Consultant bereits im Vorfeld abzufangen.

Noch mehr verwundert die Tatsache, daß technische Probleme, etwa ein schlechtes Tuning der Datenbank, erst an sechster Stelle der Mängelliste erscheinen. Das ist ein Hinweis mehr darauf, wo der Consulting-Schwerpunkt bei der Einführung anspruchsvoller Datenbankprojekte liegen muß: bei der Pflege der Datenbestände, in der Identifizierung der organisatorischen Abläufe und der Vermittlung einer realistischen Erwartungshaltung auf Seite des Kunden.

Relationale Datenbank als Rückgrat des Warehouses

Als Kernkomponente einer erfolgreichen Datawarehouse-Architektur kommt dem relationalen Datenbanksystem eine herausragende Bedeutung zu. Die entscheidenden Merkmale eines solchen DBMS sind Skalierbarkeit und Leistungsfähigkeit, da die Datenmengen schnell bis in den Terabyte-Bereich hineinwachsen können.

Für eine bedarfsgerechte Lösung muß neben speziellen Techniken für die parallele Verarbeitung auch das entsprechende Beratungs-Know-how zur Verfügung stehen, damit das Datawarehouse wirklich die zentrale IT-Schaltstelle eines Unternehmens werden kann.

Wie der typische Aufbau eines Datawarehouses vonstatten geht, zeigt unsere Grafik auf Seite 48.

Vorgehensweise beim Aufbau eines Datawarehouses

Phase eins klärt die Anforderungen ab. Dabei sind alle Bereiche, also Aufbau, Pflege, Wartung, Entwicklung des Systems aber auch der laufende Betrieb zu berücksichtigen. Die Schritte gliedern sich wie folgt:

- Extraktion der Anforderungen an das Datawarehouse, ausgehend von den bestehenden operativen Systemen des Kunden.

- Gemeinsame Analyse der Anforderungen.

- Aufnahme der vom Endbenutzer gewünschten Funktionalitäten.

- Erfassung der Maßnahmen zur Aktualisierung des Systems.

- Berücksichtigung der Wünsche bezüglich Leistungssteigerung.

- Erstellung eines Plans zur Evaluierung der Tools

- Untersuchung der einzelnen Softwarewerkzeuge und deren Hersteller auf mögliche Schwächen.

- Bewertung der so gewonnen Ergebnisse und Weitergabe von Empfehlungen an den Kunden.

Diese Vorgehensweise profitiert von bereits abgeschlossenen Projekten. Außerdem erhält der Kunde einen realistischen Anforderungskatalog.

Phase zwei ist die Machbarkeitsanalyse, auch "Health Check" genannt. Bei diesem Schritt werden die vorhandenen Informationssysteme mitsamt ihren jeweiligen Datenbestände erfaßt. Hierbei nimmt der Berater selbstverständlich schon Rücksicht auf die in Phase eins beschlossenen Kundenanforderungen. Nun vergleicht er den Ist-Zustande der vorhandenen Daten mit deren Soll-Beschaffenheit innerhalb des Datawarehouse. Er bewertet das Ganze und stellt fest, ob der Soll-Zustand überhaupt erreicht werden kann. Falls dies zutrifft, kann er mit der Planung des eigentlichen Datawarehouse-Projekts beginnen.

Folgende Vorgaben sollten bei der ganzen Prozedur umgesetzt werden:

- Berücksichtigung von vorhandenen Hardwareumgebungen.

- Beachtung der Datenbestände und deren Datenbankmanagementsyteme.

- Abschätzung des Aufwands für die automatisierte Datenextraktion.

- Gewinn eines Überblicks über die Komplexität des Datenmodells.

- Aufnahme von Anforderungen der Endanwender in das Gesamtprojekt.

- Prüfung von Einsatzmöglichkeiten der auf dem Markt erhältlichen Datenbanktechnologien.

Nach abgeschlossener Phase zwei erhält der Kunde eine erste Einschätzung über den zeitlichen Aufwand des Datawarehouse-Projektes.

In Phase drei erfolgt die Installation eines Prototyps, auch "5-Day Challenge" genannt. Im Rahmen eines Kurzprojektes führt das beauftragte Systemhaus eine beispielhafte Implementierung des Datawarehouses über alle Projektphasen hindurch. Danach sollten folgende Aufgaben zur Zufriedenheit beider Seite vollendet sein:

- Analyse der Anforderungen.

- Datenmodellierung.

- Planung und Durchführung der Datenextraktion.

- Pflege, Wartung und Tuning.

Hierfür installiert der Berater gemeinsam mit dem Kunden ein lauffähiges Datawarehouse-System. Innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens lernen so Firmenmitarbeiter die Schritte kennen, die zum Aufbau eines solchen Systems notwendig sind. Dies ist die Grundlage für das "Think big, start small"-Konzept bei der Durchführung von Datawarehouse-Projekten.

In Phase vier entsteht das eigentliche Datawarehouse-Projekt. Nachdem Anforderungen des Kunden aufgenommen und erste Erfahrungen mit einem Prototypen gemacht worden sind, reduziert sich das Risiko eines solchen Projektes auf ein Minimum. Die Implementation des Systems selbst ist nach dieser intensiven Vorbereitung nur noch der letzte zum funktionsfähigen Datawarehouse.

Erst in einer geeigneten Verbindung von Technologie und Consulting kann die Datenbank als Teil der Wertschöpfungskette eines Unternehmens ihren vollen Wert entfalten. Nur dort, wo aus Informationen als Produktionsfaktor das Wissen erzeugt wird, um punktgenaue, zielgerichtete Aktionen auslösen zu können, wird Datenbanktechnologie zum positiven Wettbewerbfaktor.

* Hubert Borgmeier, Leiter Professional Services Informix Deutschland GmbH.

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