Daten, Daten und kein Ende - Erfolgsfaktor Information

20.03.1998

ESCHBORN: Im Überfluß vorhanden sind Daten in jedem Unternehmen. Die Crux besteht darin, die richtigen Daten auszuwählen, zu kombinieren und zu interpretieren, kurz Informationen daraus zu machen. Welche Methoden sich für den jeweiligen Zweck anbieten, erläutert Volker Marx*.

Die DV-Struktur in Unternehmen weist oft genug chaotische Strukturen auf: Verschiedene Betriebssysteme laufen parallel, Dateiformate sind nicht kompatibel und wer was wo speichert, ist auch nicht ganz klar. Szenarien wie folgende sind Realität: Der Produktmanager muß seinem Vorgesetzen möglichst schnell die Verkaufszahlen des letzten Quartals vorlegen. Ohne die Mithilfe der EDV-Abteilung, des Vertriebs und des Marketings kommt er nicht weiter. Seine Kollegen haben jedoch keine Zeit und vertrösten ihn auf nächste Woche. Da es dann zu spät ist, bleibt ihm nichts anderes übrig, als auf der Grundlage der alten Zahlen des vorletzten Quartals "Daumen-mal-Pi" eine Hochrechnung zu machen. Die Entscheidungen, die daraus resultieren, dürften wohl nur mit einer großen Portion Glück zum Erfolg führen.

"Daumen-mal-pi" ist an der Tagesordnung

Dabei sind die nötigen Daten ja vorhanden. Um sich Vorgänge wie plötzliche Umsatzrückgänge in einer Region zu erklären, müßte man nur mit einem geeigneten Werkzeug das Nötige aus den Daten herausziehen. Schließlich fallen bei jedem Vorgang - sei es in der Produktion, dem Vertrieb, dem Marketing oder dem Kundendienst - Daten an.

Unternehmen, die mehr aus ihren Daten machen wollen, brauchen intelligente Analysewerkzeuge, die sich mit dem Begriff "Business Intelligence" zusammenfassen lassen. Dr. Peter Drucker von "The Harvard Business Review" beschreibt Business Intelligence als den Zugriff auf Informationen aus den unterschiedlichsten Quellen und deren Analyse. Das Ziel ist ein umfassender Überblick über vorhandene Daten und Informationen, um fundierte, faktenbasierte Entscheidungen treffen zu können. Mit anderen Worten: Business Intelligence ist Zugriff, Analyse und Mehrwert von Daten.

Überblick über den Desktop via Tabellenkalkulation

Je nachdem, wie komplex die Informationen sein sollen, kommen verschiedene Methoden in Betracht. Die sicherlich beliebteste ist Spreadsheet oder Tabellenkalkulation, die sich als Front-End für die Abfrage einer Datenbank eignet.

Die Preise für Tabellenkalkulationen sind so niedrig, daß sie nahezu jeder auf seinem Desktop hat. Ihre Technologie ist recht weit entwickelt, das heißt, sie enthalten Middleware, die die Applikation mit Datenquellen verbindet, und sie beherrschen in Ansätzen sogar Analysetools wie Pivot-Tabellen. Nicht zu vergessen, daß viele Benutzer sowieso mit Spreadsheets umgehen können und an das "Look-and-Feel" gewohnt sind. Spreadsheets sind daher optimal für die spontane, individuelle Verarbeitung von Daten, die nur auf dem jeweiligen Desktop liegen, zum Beispiel: "Bitte erstelle eine Liste meiner Kunden, mit denen ein Umsatz über 10.000 Mark erzielt wurde". Auf einem Desktop lassen sich zwangsweise nur kleine Datenmengen handhaben. Und es besteht kein direkter Bezug zu Unternehmensdaten, die im unternehmensweiten Netz verteilt liegen.

Einstieg in Business-

Intelligence über Query- und Reporting-Tools

Daß die Möglichkeiten dieser Vorstufe zu Business Intelligence jedoch recht beschränkt sind, zeigen auch die nur langsam wachsenden Zuwachsraten. Der Tag, an dem mehr verlangt wird, wird kommen, und das betrifft vor allem Funktionen für Endanwender und Management.

Endanwender legen Wert auf Geschäftsterminologie und nicht auf die dürre SQL-Sprache aus der Datenbank. Grafikfunktionen sind gefragt, um die Ergebnisse ansprechend zu gestalten. Multidimensionale Analyse, Drill-Down-Fähigkeiten für mehr Details sowie Statistik sind Eigenschaften, die dem Endanwender eine große Hilfe in der Betriebspraxis sind. Was das Management betrifft, sollte das Tool skalierbar sein und mit dem Unternehmen wachsen. Sicherheit und Auditing sollen der Datenintegrität dienen. Da sich Abfragen verselbständigen und in eine Endlosschleife geraten können, sollte das Tool jede Abfrage überwachen und gegebenenfalls Abhilfe schaffen können.

Anwender als Entscheider:

Zugriff auf Unternehmensdaten nötig

Werkzeuge, die diese Forderungen erfüllen, sind sogenannte Query und Reporting Tools, die teilweise sogar OLAP-Funktionen haben. Reporting ermöglicht das Erstellen von Berichten. Entweder erstellt sie der Anwender selbst für seinen Bedarf oder er verwendet bereits für die betriebliche Praxis vordefinierte Berichte. Daß die meisten Unternehmen tatsächlich über Abfrage-Tools und Report-Generatoren in Business Intelligence einsteigen, belegt eine Studie der Gartner Group. Danach werden bereits heute etwa 63 Prozent der durchgeführten Business-Intelligence-Analysen mit Hilfe von Query und Report durchgeführt. Laut Gartner Group wird die Zahl der weltweiten Anwender bis 1998 voraussichtlich um 120 Prozent steigen. Bis zum Jahr 2000 soll der Markt für Query und Reporting allein in Deutschland von 79 (1997) auf 131 Millionen Dollar anwachsen.

Ein Blick auf den Strukturwandel in Unternehmen zeigt, daß im Zuge flacherer Hierarchien der Endanwender zusehends mehr Entscheidungen fällt und fällen muß. Dazu braucht er selbst Zugriff auf Unternehmensdaten, und nicht über die DV-Abteilung, die lange Zeit als Lieferant von Entscheidungsgrundlagen tätig war. Da er dazu möglichst wenig Spezialwissen benötigen sollte und sich auf seine eigentlichen Aufgaben zu konzentrieren hat, muß der einfache Umgang mit Reporting-Tools gewährleistet sein.

Reporting Tools werten Trends und Fakten aus, gruppieren sie und bereiten sie auf Wunsch grafisch auf. Die Drill-Down-Technologie gestattet eine exaktere Betrachtung verschiedener Teilbereiche, so daß sich die Beziehung zwischen den Fakten erfassen läßt. Damit läßt sich nicht nur feststellen, daß etwa der Umsatz von Joghurt mit Vanillegeschmack um 50 Prozent gestiegen ist, sondern auch die Gründe dafür. Ist der Report einmal erstellt, kann ihn der Anwender immer wieder auf aktualisierte Daten anwenden. Darüber hinaus ist auch die Ausgabe der Berichte in Form von Serienbriefen, Etiketten oder Formularen möglich.

Reporting eignet sich aber nicht nur für einzelne Anwender, die von ihrem Desktop aus auf unternehmensweite Daten zugreifen, sondern auch für Client-Server-Umgebungen. Hier wird die Berichterstellung auf den Server verlagert, so daß die Berichte definierten Gruppen von Anwendern zugänglich sind, vollautomatisch nach Zeitplan generiert werden und auch über Internet und Intranet verteilt werden können.

"Stelle eine Liste sämtlicher Verkäufer zusammen, deren Umsatz unter dem Durchschnitt liegt und die dazu überdurchschnittlich hohe Rabatte geben." Für Abfragen wie diese ist das Reporting eine sehr effiziente und effektive Methode, um von Daten zu Informationen zu gelangen. Sollen dazu jedoch weitere Kriterien, die auch als Dimensionen bezeichnet werden, wie Umsätze nach Produktkategorie, nach Marke, nach Quartal, nach Region, nach Verkäufer und das alles im Vergleich zum Vorjahr kommen, haben sich die Möglichkeiten des Reportings erschöpft.

Sogenannte multidimensionale Abfragen erfordern den Einsatz von OLAP-Technologie. On-Line Analytical Processing ist in der Lage, komplexe Geschäftsanalysen vorzunehmen. Dazu werden relationale Daten entweder in relationalen Tabellen oder in einer speziellen Form abgespeichert, die als Cube oder Würfel bezeichnet wird, so daß Werte für Kriterien wie Quartal, Umsatz, Region, Verkäufer und dergleichen enthalten sind. Dieser Datenwürfel läßt sich nun beliebig manipulieren. Um den Würfel zu navigieren, verwendet man "Slice and Dice"-Techniken. "Dice" beschreibt die Rotation des Würfels und "Slice" die Isolierung einzelner Schichten und damit spezieller Werte. Die bereits erwähnte "Drill-Down"-Technologie gibt den Blick auf Detail-Informationen einer Dimension frei. Man kann sich das als umgekehrte Pyramide vorstellen, deren Spitze ins Innere des Würfels ragt: Oben fällt der Blick auf sämtliche Produkte, dann nach unten gehend auf eine Produktgruppe, anschließend auf ein Produkt und am Schluß auf die neueste Version des Produkts.

Jede dieser Schichten läßt sich wiederum mit Werten wie "Umsatz im 2. Quartal 1997 bezogen auf die neuen Bundesländer" in Beziehung setzen. OLAP eignet sich für sehr komplexe Anwendungen des Vertriebs- oder Finanz-Controllings, für die Analyse von Kunden, Interessenten oder von Waren. Ein Einzelhändler könnte so etwa herausfinden, welche Waren bevorzugt zusammen gekauft werden und sein Sortiment danach ausrichten.

Multidimensionale Abfragen erfordern OLAP

Aus einem mehr oder weniger strukturierten Datenbestand lassen sich sogar dann Informationen ziehen, wenn der Anwender eigentlich gar nicht weiß, wonach er sucht. Dazu eignet sich das sogenannte Data Mining. Wie der Ausdruck schon nahelegt, geht es um "Tiefschürfendes". Data-Mining-Tools suchen nach unbekannten Zusammenhängen: Das können voneinander abhängende Daten sein oder statistische Ausreißer, die klassifiziert und auch prognostiziert werden. Dafür werden Methoden aus der Statistik oder dem maschinellen Lernen, zum Beispiel neuronale Netze, benutzt.

Wie sich zeigt, gibt es viele Wege, aus Daten Informationen zu machen. Je fundierter die Informationen sind, die ein Unternehmen zur Verfügung hat, desto besser und schneller kann dieses auf Marktbewegungen reagieren. In Zeiten ausgeprägten Wettbewerbs kann das überlebenswichtig sein.

Mit Reporting- und Analyse-Tools wie dem in Microsoft Backoffice Server 4.0 integrierten Seagate Crystal Info lassen sich Berichte über Intranet verteilen.

*Volker Marx ist Marketing Manager Central Europe bei Seagate Software IMG in Eschborn.

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