Datumsumstellung: Händler müssen Problembewußtsein schaffen

08.08.1997
MüNCHEN: Das neue Jahrtausend steht vor der Tür. Die Frage ist allerdings, inwieweit der Datumswechsel von den Computern akzeptiert wird. Unternehmen jeder Größenordnung stehen vor der Wahl, teuer nachzurüsten oder den bevorstehenden Crash noch weitaus teurer zu ignorieren. Obwohl die Zeitbombe tickt, stecken zu viele Unternehmer den Kopf in den Sand. Was ein Dienstleister beachten muß, der sich vom Umstellungskuchen ein Stück abschneiden möchte, zeigt Reinhold Scheu*) auf.31. Dezember 1999: Genau um Mitternacht stellen die Computer ihre korrekte Tätigkeit ein. Gehälter werden nicht mehr abgerechnet, Produktionsunternehmen verspätet, gar nicht oder mit falscher Rohware versorgt, Rechnungen nicht mehr automatisch fakturiert. Der "größte anzunehmende Unfall" reicht weit in den Privatbereich hinein: Babys erhalten Rentenbescheide, Rentner ihre Einberufung. Und fast überall steuern "embedded chips" mit Zeitmechanismen wichtige Funktionen: angefangen vom - unwichtigen - Videorekorder über medizinische Geräte bis hin zu Supertankern und Kraftwerken.

MüNCHEN: Das neue Jahrtausend steht vor der Tür. Die Frage ist allerdings, inwieweit der Datumswechsel von den Computern akzeptiert wird. Unternehmen jeder Größenordnung stehen vor der Wahl, teuer nachzurüsten oder den bevorstehenden Crash noch weitaus teurer zu ignorieren. Obwohl die Zeitbombe tickt, stecken zu viele Unternehmer den Kopf in den Sand. Was ein Dienstleister beachten muß, der sich vom Umstellungskuchen ein Stück abschneiden möchte, zeigt Reinhold Scheu*) auf.31. Dezember 1999: Genau um Mitternacht stellen die Computer ihre korrekte Tätigkeit ein. Gehälter werden nicht mehr abgerechnet, Produktionsunternehmen verspätet, gar nicht oder mit falscher Rohware versorgt, Rechnungen nicht mehr automatisch fakturiert. Der "größte anzunehmende Unfall" reicht weit in den Privatbereich hinein: Babys erhalten Rentenbescheide, Rentner ihre Einberufung. Und fast überall steuern "embedded chips" mit Zeitmechanismen wichtige Funktionen: angefangen vom - unwichtigen - Videorekorder über medizinische Geräte bis hin zu Supertankern und Kraftwerken.

Der Grund für den bevorstehenden Crash ist relativ simpel: Am 31.12.1999 um 24.00 Uhr wechselt die Jahreszahl allein in mindestens 30 Prozent der weltweit arbeitenden Groß-Computer von "99" auf "00" statt korrekterweise von "1999" auf "2000". Rechenoperationen, die auf der Datumsangabe nach "tt.mm.jj" basieren, brechen dann zusammen oder liefern abstruse Ergebnisse.

Der Datums-Gau entspringt einer simplen Sparmaßnahme der Programmierer in den 60er Jahren. Damals rechnete man noch mit jedem Byte Speicherplatz und hielt deshalb ein Datumsfeld mit einer zweistelligen Jahreszahl für angemessen. Die Programm-Designer setzten voraus, daß bis zum Jahr 2000 andere, bessere Lösungen gefunden werden. Speziell im Groß-Rechner-, aber auch im PC-Bereich überdauerten jedoch Programme, Betriebssysteme, Dateiformate und Datenstrukturen diesen Gedankengang; die "Weichware" erwies sich quasi als "härter" als die Hardware. Selbst "moderne", zehntausendfach eingesetzte Anwendungen arbeiten immer noch mit der Zweistellen-Lösung. Die Tragweite dieser Darstellung offenbart sich kaum auf den ersten Blick, wird aber bei einer Unmenge von Rechenvorgängen relevant: beispielsweise bei Finanztransaktionen, Verfallsdaten, Mahnwesen und so weiter. Demzufolge sind die Konsequenzen in ihrer Größenordnung noch gar nicht abzusehen.

Konsequenzen nicht vorherzusehen

Beispiel: Der Computer errechnet den im Jahr 1930 geborenen Bundeskanzler Helmut Kohl am 31.12.1999 als 69 Jahre alt: "99" minus "30" (Geburtsjahr) ist "69" - korrekt. Einen Tag später wird Helmut Kohl elektronisch verjüngt: "00" minus "30" ist "-30"! Das System unterdrückt das negative Rechenvorzeichen und gibt nur die Zahl "30 Jahre" aus. Nicht ganz so offensichtliche Rechenfehler fallen im Alltag des Geschäftsbetriebes möglicherweise gar nicht auf. Wenn das System bei der Verarbeitung der inkonsistenten Werte einfach "nur" abstürzt, kann man deshalb sogar noch von Glück sprechen. An weitaus tödlichere Gefahren, etwa ausgehend von völlig veralteten militärischen Computern in der ehemaligen Sowjetunion, wagt man in diesem Zusammenhang gar nicht zu denken.

Die Zündschnüre brennen bereits: Alle Kreditverträge, Hypotheken, Versicherungen, Geldanlagen - um nur einige zu nennen - mit Laufzeiten über das Jahr 2000 sind vom Crash bedroht. Eine Untersuchung der Gartner Group belegt, daß mindestens 90 Prozent aller computerbasierten Systeme falsche Daten ausgeben oder versagen werden. Diese horrende Zahl ergibt sich in hohem Maße auch aus der rasant steigenden internationalen Vernetzung der Rechner. Im Klartext: Daten werden unkontrolliert verschoben. Ist aber nur in einem einzigen verbundenen Computer das Datumsproblem nicht gelöst worden, führt die Nutzung dieser Quelle in allen anderen, sauberen Rechnern zwangsläufig zum Kollaps. Die Malaise kann potentiell alle treffen: vom Buchhaltungs-PC des Freiberuflers bis zu den Großanlagen der Verteidigungsministerien.

Mainframe-Anwendungen sind vor allem betroffen

Tangiert sind zwar in erster Linie - aus historischen Gründen - Mainframe-Anwendungen, durch den regen Datenaustausch aber sekundär alle Anbindungen zu allen niedrigeren Plattformen.

Das Grundproblem wird durch die Tatsache verschärft, daß sehr viele der tangierten Anwendungen oder Betriebssysteme in antiquierten Sprachen wie etwa Cobol, Assembler, 4GL oder gar in selbstgestrickten Derivaten programmiert wurden. Die Werte "99" oder "00" stellen zudem oft keine Jahreszahl dar, sondern ein spezielles Befehlskürzel. Horst Müller, EDV-Chef der R+V-Versicherung in Wiesbaden, ist deshalb überzeugt, daß "die Hälfte der Programme schon 1999 abstürzen wird". Programmierer Reinhard Wittmann nennt ein weiteres Problem: "Wir haben bei der Umstellung schon Datumsfelder gefunden, die mit ,Daisy Duck oder ,Tarzan gelabelt wurden."

Rein theoretisch gesehen dürfte die Verhinderung des Jahrtausend-Crash dennoch kein Problem darstellen. Man muß "lediglich" das Programm ändern sowie alle Daten und Routinen, die auf das Datumsfeld bezug nehmen. Allein die Größenordnung bestimmt das Ausmaß der Katastrophe. Pro eingesetzter Software kommen bis zu 1200 Befehlszeilen in Frage, die durchsucht, geändert und getestet werden müssen, multipliziert mit mehreren tausend Anwendungen, wie sie etwa Großunternehmen installieren. So schätzt der Ölkonzern Shell, daß im eigenen Hause bis zum Stichtag rund 100 Millionen Programmzeilen zu durchforsten sind.

Schäden teurer als Umstellung

Dabei wäre die Umstellung sogar termingerecht machbar -___allerdings unter erheblichem zeitlichen und finanziellen Aufwand. Die Umfrage der Gartner Group schätzt die Kosten allein für die USA auf rund 600 Milliarden und weltweit auf bis zu 1,5 Billionen Dollar. Deutsche Experten gehen für die inländische DV-Basis von einer Summe zwischen 70 und 150 Milliarden Mark aus. Andererseits dürften sich die potentiellen Schäden weitaus höher belaufen und sehr schnell existenzbedrohlich werden.

Nach einer Untersuchung der deutschen Versicherungswirtschaft beträgt aber die Überlebensdauer eines sehr stark DV-basierten Unternehmens, das nicht auf seine gespeicherten Daten zugreifen kann, maximal 20 Tage. Dann treten irreparable Schäden auf.

Eingedenk dieser fundamentalen Erkenntnis handelte die Münchner Zen

trale der Bayerischen Hypotheken und Wechselbank schon vor Jahren. Man investierte eine dreistellige Millionensumme, die Umstellung ist mittlerweile abgeschlossen. Unternehmenssprecherin Christine Krepold: "Durch den rechtzeitigen Beginn konnten wir das Projekt in Ruhe abwickeln und die Kosten in kalkulierbaren Grenzen halten." Quasi nebenbei präparierte man die Bank-Rechner für den wahrscheinlich kommenden EURO - allerdings "ein Westentaschen-Problem im Vergleich mit der Datumsumstellung".

Auch die Bausparkasse Schwäbisch Hall gehört aus klar erkannten Wettbewerbsgründen zu den schon aktiven Firmen. Wolfgang Denz aus dem Rechenzentrum: "Wir arbeiten daran und sind sicher, die Umstellung bis zum Stichtag abgeschlossen zu haben." Der Augsburger Wirtschaftsjournalist Detlev Drewes sieht die heute noch gar nicht bezifferbaren Argumente für rechtzeitige, sprich baldigste Aktion: "Firmen, die am 1. Januar 2000 über eine funktionierende DV verfügen, gewinnen einen fast nicht aufholbaren Vorteil vor der Konkurrenz." Zwingend also: Wie hoch die Kosten auch immer sind - deutsche Firmen und Behörden müssen die Zeitbombe entschärfen, um schlicht zu überleben.

Datums-Gau - eine Chance für den Handel?

Der Millenium-Crash gewährt im Gegensatz zur vergleichsweise einfachen Umstellung auf den Euro die Übergangsfrist "Null": Es wird kein "Projekt 2001 zur Datumsumstellung" geben. Im Gegenteil: Der Zeitrahmen ist nach Ansicht von Paul Santner, Vorsitzender der Geschäftsführung bei Digital Equipment, noch wesentlich enger zu sehen: "Bis zum 31. Dezember 1999 sind es weniger als 1000 Tage. Deshalb sollten die Planungsarbeiten unverzüglich aufgenommen werden und bis spätestens Ende des Kalenderjahres 1997 abgeschlossen sein. Die Umstellungsarbeiten sollten vorzugsweise im Kalenderjahr 1998 durchgeführt werden. Damit stünde das Kalenderjahr 1999 für ausgiebige Tests im Produktionsumfeld und gegebenenfalls für Nacharbeiten zur Verfügung."

Rein theoretisch ist deshalb an Dienstleister, Händler und Systemhäuser noch vor Ende des Jahrtausends ein Umsatzkuchen im dreistelligen Milliardenwert zu verteilen. Doch in der Praxis und zum jetzigen Zeitpunkt spricht der Ist-Zustand dagegen. Es zeigt sich eine absolut pikante Situation: Auf der einen Seite ein exi

stentieller Bedarf, der - je später, je schwerer - gedeckt werden muß, auf der anderen Seite eine Branche, die diesen Bedarf nur zu gerne decken würde und dafür bereits auch rüstet. In der Mitte jedoch stehen Entscheidungsgewaltige in den Chefetagen, die sich in ihrer Mehrheit aus diversen Gründen weigern, die angebotene Dienstleistung anzunehmen. Klartext dazu spricht ein Papier der Neamand Bond Associates.

Entscheider nehmen das Problem nicht ernst

Im Auftrag von Softlab forschte man Anfang 1997 in rund 700 europäischen Unternehmen - das Urteil der Analysten zeigte sich vernichtend. Knapp 70 Prozent der Befragten glaubten grundsätzlich nicht, daß ihre Datenbestände überhaupt betroffen seien. Weniger als ein Viertel erklärte, bis dato ein Budget auch nur für die Status-Analyse oder gar für die Umstellung eingerichtet zu haben. Nur rund 14 Prozent der relevanten Unternehmen sind bisher aktiv geworden, weitere 4 Prozent befinden sich wenigstens in der konkreten Planungsphase.

Eine weitere, "nur" in Deutschland getätigte Umfrage bestätigt diese Aussage: 62 Prozent der Unternehmensleiter gaben an, von ihren IT-Leitern überhaupt nicht informiert worden zu sein. Von den restlichen 38 Prozent warten 61 von 100 bis heute auf eine verbindliche Kostenkalkulation für die Umstellung. Bedenkt man das durchaus dokumentierte Schadenspotential, provoziert diese Vorgehensweise der Mehrheit der DV-Leiter eine dringliche Frage: Ahnungslosigkeit, Fahrlässigkeit oder gar gezielter Boykott? Der mittelständische Händler Christian Haupt bringt das Akzeptanzproblem auf den Punkt. "Viele DV-Leiter wissen um das Manko seit Jahren und haben nie etwas gesagt. Beantragen sie jetzt bei den Unternehmern Investitionen in Millionenhöhe, müssen sie sich von diesen zu Recht eklatante Versäumnisse vorwerfen lassen." Eine Ausgabe übrigens, die buchhalterisch weder amortisiert noch kapitalisiert werden kann, sondern schlicht den Kosten zuzurechnen ist.

Dienstleister müssen Problembewußtsein schaffen

Doch der Schlafmützigkeit beim Anwender stehen wachsende Aktivitäten auf der Seite der potentiellen Dienstleister gegenüber. Eben weil bisher kaum etwas passierte, gründete der Frankfurter Unternehmensberater Frank Sempert zusammen mit anderen namhaften Software-Häusern (siehe Kasten) die "Initiative 2000". Der Zusammenschluß will aufklären, beraten und für seine Klientel den Crash vermeiden oder zumindest erheblich mildern (und natürlich den eigenen Bestand sichern). Einer der Experten stellt klar: "Was nützt uns ein Kunde, der im Juli 2000 todsicher wirtschaftlichen Konkurs

anmeldet, weil er die Umstellung verschlafen hat?" Trost spendet Frank Sempert allein den Firmen und Behörden, die ausschließlich moderne PCs und neue Software von der Stange einsetzen. Aktuelle Microsoft-Anwendungen etwa sind laut Unternehmensaussage für den Jahrtausendwechsel gerüstet.

Grundlegend konstatiert der frühere Gartner-Group-Chef, daß erst einmal ein durchgehendes Problembewußtsein bei den letztendlichen Entscheidungsträgern, also im Management, geschaffen werden muß. "In den deutschen Chefbüros ist das Problem noch gar nicht angekommen." Das dürfte aber mit Sicherheit auf die unternehmensinterne Kompetenztrennung zwischen Fachmann und Geldgeber zurückzuführen sein. Winfried Gruhnwald, Geschäftsbereichsleiter der Applikationsentwicklung und

-integration bei Digital Equipment, definiert die (im Wortsinn!) Sprachlosigkeit: "Die potentiellen Risiken der Jahr-2000-Problematik werden in vielen Unternehmen weitgehend ignoriert. Der Grund: Die Unternehmensführung betrachtet das als rein technisches Problem, das der IT-Bereich rechtzeitig lösen wird. Im IT-Bereich dagegen führt eine Kombination aus unzureichendem Problembewußtsein und besänftigenden Aussagen von Anwendungsentwicklern und Systemspezialisten dazu, daß die Arbeiten im Blick auf das Jahr 2000 nicht mit der gebotenen Eile geplant und gestartet werden." Wobei die genehmigende Instanz, sprich die Buchhaltung, grundsätzlich ihr Lebensziel im Sparen sieht und damit auch noch ein Budget-Problem aufwirft.

Über diese mentale Blockade müssen Handel und Dienstleister hinweg, wenn sie an der Umstellung Geld verdienen wollen. Christian Haupt sieht allerdings wenig Sinn in den klassischen Marketing-Aktionen. "Was nützt zur Zeit und noch in den nächsten Monate etwa eine Aktion mit Inseraten, wenn das potentielle Opfer sein Problem überhaupt nicht erkennen will?" Das aber will Microsoft-Pressesprecher Thomas Baumgärtner nur bedingt und nur für Neueinsteiger in diesen Dienstleistungssektor gelten lassen. "Die niedergelassenen Fachhändler und Systemhäuser werden natürlich zuerst die eigenen Kunden ansprechen. Mainframes zum Beispiel genießen ohnehin kontinuierliche Betreuung." Dennoch bleibt seiner Ansicht nach genug für die Newcomer übrig.

Was ein Dienstleister beachten sollte

Wenn ein Dienstleister wirklich einsteigen will, kann er für zwei Jahre ausgezeichnet verdienen. Er muß aber auch vorab Probleme lösen, die mit der reinen Umstellungsarbeit nur am Rande zu tun haben. Logistik und Urheberrecht seien hier nur als Beispiel genannt.

( Die Wahl des richtigen Zeitpunktes: Nur wenige Händler aus dem Klein- bis Mittelstand können sich finanziell erlauben, Kapazitäten für die Datumsumstellung jetzt schon aufzubauen und dann monatelang, im schlimmsten Fall noch über ein Jahr beschäftigungslos vorzuhalten. Frank Sempert befürchtet einen plötzlichen Einstieg: "Die Panik bricht aus, sobald die ersten Systeme Fehler zeigen. Dann schreien alle gleichzeitig nach Spezialisten."

Verständnis für Sachinhalte: Da nicht nur Programme zu korrigieren, sondern auch firmenspezifische Datenbestände zu durchforsten sind, muß seitens des Dienstleisters die Bereitschaft vorhanden sein, sich mit deren Sachinhalten auseinanderzusetzen. Im Zweifelsfall sollte er darauf bestehen, daß der Kunde für die Projektdauer einen entsprechend qualifizierten Mitarbeiter abstellt.

Personelle Ressourcen: Gebraucht werden vor allem Programmierer mit Wissen in Cobol, Assembler, Fortran, RPG, PL/1, 4GL und anderen leicht angestaubten Sprachen. Freie Kapazitäten sind rar beziehungsweise sie wurden vor Jahren abgebaut. Santner stellt klar: "Es besteht allerdings Konsens darüber, daß die verfügbaren Ressourcen nicht ausreichen werden, das erwartetet Arbeitsvolumen rechtzeitig vor der Jahrtausendwende zu erledigen." Händler Christian Haupt ist sehr pessimistisch: "Auch bei Aktivierung aller Reserven können maximal zehn Prozent aller Programme korrigiert werden."

(Software-Urheberrecht: Software ist in allen ihren Bestandteilen geistiges Eigentum und durch das Urheberrecht vor Nachahmung oder Veränderung geschützt. Verstöße dagegen können allein schon durch zivilrechtliche Schadenersatzklagen sehr teuer werden. Der Händler muß deshalb auf jeden Fall vor Abschluß seines eigenen Werksvertrages klären lassen, wer die Urheberrechte am Source-Code der betroffenen Anwendung hat. Der künftige Kunde kann dies im Normalfall problemlos seiner Abmachung mit dem ursprünglichen Implementierer entnehmen. Ein Tip: Läßt sich der Dienstleister vom Kunden schriftlich garantieren, daß dieser Eigentümer - nicht Besitzer! - des Source-Codes ist, läuft er keinesfalls die Gefahr einer langwierigen Auseinandersetzung mit den früheren Programmierern.

(Freie Programmierer und ihre Integrität: Hierfür hat eindeutig der Dienstleister Sorge zu tragen. Immerhin erhalten er und sein Team zwangsläufig Zugriff auf sensibelste Unternehmensdaten. Es gibt genügend Präzedenzfälle (zum Beispiel Burns & Gimble, Siemens Dokumentationszentrum, Autohaus Kranzberger), in deren Rahmen unzuverlässige Freie oder Angestellte geheime Kundenunterlagen kopiert und bei der Konkurrenz zu Geld gemacht haben. Ein Mitarbeitervertrag mit entsprechenden Sanktionsklauseln ist dringend anzuraten.

(Unlauterer Wettbewerb: Je mehr die Zeit drängt, desto stärker werden sich die Anbieter der "magischen Tools zu Dumping-Preisen" im Markt breit machen. Hier ist marketingmäßig eine klare Abgrenzung erforderlich. Ein mögliches Argument für den seriösen Dienstleister: "Wenn die Datumskorrektur mit einem simplen Tool voll automatisiert und derart billig und einfach durchführbar wäre, dann hätte zum Beispiel die Bayrische Hypotheken und Wechselbank nicht an die 100 Millionen Mark ausgeben müssen."

(Überzogene Regressforderungen: Keine Software ist frei von Bugs, jede Programmierarbeit muß bis ins Detail und vor allem im späteren Arbeitsumfeld überprüft werden. Beschneidet der Kunde die Zeit für Nacharbeiten und Eintesten, weil er den Auftrag zu spät erteilt, muß er sich auch auf eine eingeschränkte Garantieleistung einlassen. Dazu Frank Sempert: "Ab einem bestimmten Zeitpunkt werden viele Consulting-Firmen, vor allem die seriösen, aus Selbstschutz entsprechende Aufträge ablehnen, weil sie durch Zeitdruck entstehende Fehler und daraus resultierende immense Schadenersatzansprüche fürchten."

Umsatz-Anschub im Abverkauf

Es ist nicht zuviel gewagt, dem DV-Handel für die nächsten Jahre eine deutliche Umsatzsteigerung sowohl bei Hard- als auch bei Software zu prognostizieren - als Sekundärwirkung verursacht von der Datumsumstellung. Im Grunde wird hier nur der Trend der letzten Jahre fortgeschrieben - das Zauberwort heißt Downsourcing. Die niederbayerische Bezirksstadt Freising zeigt ein anschauliches Beispiel. Hier arbeitete die Stadtverwaltung über 20 Jahre hinweg mit einem Mainframe unter einer damals selbstgestrickten und naturgemäß immer schwerfälliger arbeitenden Software. Eine Risikoanalyse bewies, daß die Anlage nach erfolgter Umstellung auf die korrekte Datumsverarbeitung zusammenbrechen würde. Die Konsequenz: Vor wenigen Tagen ging die Ausschreibungsphase für ein PC-basiertes Netz (über 80 Rechner plus Peripherie) unter Novell zu Ende. Auch der bayerische Sparkassenverband oder die Nürnberger Datev (über 30.000 angeschlossene Steuerkanzleien) stellen zur Zeit aus ähnlichen Gründen auf vernetzte NT-Lösungen um. Händler Christian Haupt: "Natürlich stellen etliche betroffene Unternehmen eine Kosten-Nutzen-Analyse an, ob sich die Umstellung auszahlt. Und keineswegs selten fällt dann die Entscheidung für einen kompletten Neukauf: austauschbare Rechner von der Stange und zukunftssichere, leistungsfähige Standard-Software, die relativ leicht an die firmenspezifischen Belange angepaßt werden kann. Hier sehe ich mittelfristig einen Umsatzanstieg, der zwar nicht die finanzielle Größenordnung der Korrekturmaßnahmen erreichen, aber trotzdem den DV-Handel aus der Margen-Misere der letzten Jahre holen wird."

Auf der Basis dieser Aussage lassen sich jetzt endgültig drei Zielgruppen definieren, von denen zwei dem DV-Handel in den nächsten Jahren ein deutliches Plus bescheren werden.

- Aufwärts - die Korrigierer: Sie sind sich des Jahr-2000-Problems bewußt und leiten Maßnahmen ein. Doch selbst wenn hier inhouse ein Kompetenz-Pool vorgehalten wird, müssen für die zu bewältigende Arbeit zusätzliche Kräfte beschäftigt und/ oder Tools beziehungsweise Hardware gekauft werden.

- Aufwärts - die Austauscher: Sie stellen sich auf die sichere Seite und setzen auf komplett neue, zukunftssichere Lösungen. Was die Entscheidung erleichtert: Hier arbeitet man meist mit Budgets, die ohnehin bereits für die Modernisierung der DV-Basis eingeplant waren - auch ohne das anstehende Problem. In vielen Fällen (etwa Bayerisches Landeskriminalamt, Datev, Dresdner Bank) erreichen die kompletten Maßnahmen für Hard- und Software mehrstellige Millionenhöhen.

- Abwärts - die Ignoranten: Sie schieben die Umstellung vor sich her oder sehen hier einfach kein Problem. Einige von ihnen werden in letzter Minute noch Aufträge erteilen wollen und vielleicht sogar einen Consultant finden, der sich auf das Risikospiel einläßt. Als Wirtschaftsfaktor sind die Ignoranten jedoch vernachlässigbar beziehungsweise nur dann von Bedeutung, wenn ihr absehbarer Konkurs das Gesamtbild des Wirtschaftsstandorts Deutschland tangiert - im Prinzip eine Marktbereinigung. Wie obenstehender Text beweist, muß erst das eigene Angebot strukturiert werden, bevor man als Dienstleister in die Datumsumstellung einsteigt. Dann allerdings sieht zum Beispiel Michael Vogelberg, Leiter der Software-Entwicklung bei Software-Anbieter KHK, durchaus Chancen für gute Verdienste. "Wer sich als Fachhändler mit einem Software-Lieferanten zusammentut, dessen Kompetenz und Leistungsfähigkeit für die Umstellung ausreicht, wird zuerst ein gutes Geschäft mit den fast immer und zwangsläufig fälligen Updates/Upgrades machen.

Wer genau überlegt, verdient - aber nur der!

Darüber hinaus ist jeder auf der Gewinnerseite, der Programmierkompetenz und -kapazität für diese beiden Situationen vorhält: Insbesondere Cobol- und Assembler-Programmierer werden in der MDT-Welt gesucht sein. Ein weiteres Geschäftsfeld tut sich für den Fachhandel hier in der Ablösung solcher proprietärer MDT-Installationen durch moderne offene PC-Netz-Standardlösungen auf. Wer sich bereits jetzt die Kompetenz erarbeitet, Stamm- und Bewegungsdaten von solchen MDT-Installationen in aktuelle PC-Standardlösungen zu übernehmen, wird dann in der ersten Reihe sitzen."

*) Reinhold Scheu ist freier Journalist in Ebersbach.

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