DCI AG erfindet sich neu

28.03.2002
Der Starnberger New-Economy-Anbieter DCI hat in in den letzten beiden Jahren als Handelsplatzbetreiber auf das falsche Pferd gesetzt. Nun fand ein radikaler Kurswechsel statt: DCI hat sich neu erfunden.

Was fängt man mit belastenden Trümmern an? Man wirft sie weg. Handelt es sich dabei um Software (und Zeitschriften), gibt es einen ebenso einfachen Weg: Man stellt deren Entwicklung beziehungsweise Publikation ein.

So ist es gekommen bei der Starnberger DCI AG. Und wäre da nicht eine neue Software - ein Browser für das Bestellmanagement von elektronischen Katalogen - und die kluge Beteiligung an dem Berliner Datenlogistiker MuK GmbH, müssten die Starnberger mit dem Schlimmsten rechnen.

"Ich fange jetzt erst richtig an", sagt Vorstand Michael Mohr zur Neuaufstellung des Softwerkers. Die ist erfolgt. Denn nach zwei äußerst schmerzvollen Jahren, in denen das Unternehmen trotz des "größten europäischen Internet-Marktplatzes" nahezu sein gesamtes Portfolio ausrangierte oder auf Halde legte, hat DCI neue Geschäftsfelder gefunden.

Da ist zum einen der Browser "Trade Manager", der von Versandhäusern benutzt werden soll. Immer dann, wenn ein Versender seinen neuen Katalog unter die Menschheit bringt, ist der Browser mit dabei. Mit diesem kann der Kunde in dem elektronischen Katalog blättern und in einer Art "Mini E-Procurement" (Mohr) bestellen. Sollten sich mehrere Versender zu einem gemeinsamen Katalog entschließen - Mohr benutzt hier die Marketingbegriffe "Cross-Selling-Vermarktung", Komplementäreffekte" und "Clusterbildung" bei "affinen Zielgruppen" - umso besser.

Die Menge der verteilten Kataloge entscheidet über die Browser-Lizenzeinnahmen für DCI. "Zehn namhafte Versender" hat er ausgemacht - "in den nächsten Wochen" werde er über Verhandlungsergebnisse sprechen können. Einen CD-Katalog, den von Conrad Electronic, hat er mit seinem Browser schon bestückt. Conrad ist eigenen Angaben zufolge der größte Elektronikversender Europas.

Einstieg bei MuK

Man wäre aber blind, würde man im Beteiligungsportfolio DCIs die Berliner MuK GmbH übersehen. Diese Firma, die Mohr im Juni 2001 für lediglich eine Millionen Euro zu 60 Prozent erworben hat, stellt handfeste Produkte her. Sie produziert zum Beispiel für den Deutschen Bundestag beziehungsweise für Abgeordnete, Minister, Staatssekretäre et cetera sämtliche Papierunterlagen - täglich, tonnenweise. Dieser Auftrag läuft bis zum Jahr 2004 und macht 40 Prozent des Umsatzes der profitablen Berliner aus.

Das Besondere der 113 Mitarbeiter zählenden Berliner ist: Sie beherrschen den kompletten Pre-Press-Ablauf inklusive elektronischer Datenanalyse und deren Management. Und sie haben einen Namen.

Die Geschäftsidee Mohrs lautet: Wenn die DCI ihren Produkt- und Adress-Datenpool mit mittlerweile rund 200.000 Produkten und 50.000 Adressen hinzusteuert, können "viele Unternehmen zielgruppengenau" diese für Marketing- und andere Zwecke einsetzten, erklärt Mohr. Das Fulfilment, das wirkliche Datenhandling, macht die MuK.

Mohr weiß, dass er DCI mit der Berliner Beteiligung gerettet hat. Er bezeichnet sie als "Door Opener". Den brauchte er dringend. Denn DCI machte im Jahr 2001 mit eigenen Produkten kaum mehr Umsätze. Konsolidierte 16,1 Millionen Euro stehen einem Ebit-Minus (inklusive 21, 5 Millionen Abschreibungen von DCI-Vermögens- werten wie der Bonitrust AG und dem englischen E-Marktplatzanbieter Acequote) von 48,2 Millionen Euro gegenüber. Liquide Mittel wurden aufgezehrt: Am Ende des Jahres 2001 waren statt 39,2 nur noch 13,9 Millionen Euro verfügbar. Er musste jeden Umsatzeuro mit vier Euro bezahlen. Dass der DCI-Kurs genau den vorhandenen liquiden Mitteln entspricht, kann nicht verwundern.

"Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen", sagt Mohr. (wl)

www.dci.de

ComputerPartner-Meinung:

Es wäre verfehlt, jetzt schon von einem Turnaround bei DCI zu sprechen. Noch sind nicht genügend Verträge für den Browser und die Lizenzen geschlossen.

Doch zwei Dinge hat DCI geschafft: Erstens lässt es das erkennbar ruinöse Geschäft mit Handelsplattformen ruhen. Zweitens hat es sich mit dem Einstieg bei der Berliner MuK ein Standbein erworben, das so schnell nicht wackeln wird. Das heißt: DCI hat wieder eine neue Chance. (wl)

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