Defizite bei der Datensicherung eröffnen Chancen für den Handel

28.11.1997
MÜNCHEN: Schlecht vorbereitet trifft der Fall eines kompletten oder zumindest partiellen Datenverlustes nach wie vor viele Unternehmen. Backup- und Recovery-Konzepte existieren nur in den seltensten Fällen. Ein großes Marktpotential für kompetente Fachhändler mit Consulting-Ambitionen, meint Thomas Madsen Regional Manager Central Europe bei der Legato Systems GmbH. Das Gespräch führte CP-Mitarbeiter Siegfried Dannehl.

MÜNCHEN: Schlecht vorbereitet trifft der Fall eines kompletten oder zumindest partiellen Datenverlustes nach wie vor viele Unternehmen. Backup- und Recovery-Konzepte existieren nur in den seltensten Fällen. Ein großes Marktpotential für kompetente Fachhändler mit Consulting-Ambitionen, meint Thomas Madsen Regional Manager Central Europe bei der Legato Systems GmbH. Das Gespräch führte CP-Mitarbeiter Siegfried Dannehl.

? Nicht nur das Datenvolumen, auch die Bedeutung von Datenbeständen und damit ihr Wert wächst. Spiegelt sich diese Tatsache in verstärkten Datenschutzmaßnahmen innerhalb der Unternehmen wieder?

MADSEN: Wir sehen deutlich, daß mittlere und größere Unternehmen das Backup-Thema verstärkt ernst nehmen. Das Problem ist, viele Anwender machen heute nur ein sporadisches Backup und legen es in die Schublade. Viele Unternehmen denken, sie sind so für den Ernstfall gerüstet, aber das sind sie in den meisten Fällen nicht.

? Sie meinen, viele Unternehmen wissen gar nicht, ob ihr Backup im Ernstfall überhaupt funktioniert?

MADSEN: Richtig. Der Desasterfall wird niemals durchgespielt, es gibt keine Koordination, und wenn beispielsweise ein Teil der Firma abbrennt, dann brennen die Bänder gleich mit ab.

? Was müßte sich ändern?

MADSEN: Man muß Backup und Restore ernster nehmen. Viele Anbieter verkaufen ein "shrink wraped"-Backup, das nur minimale Funktionen, oft basierend auf Teilen den Betriebssystems, enthält. Das ist zumindest als Enterprise-Lösung völlig unzureichend. Der Systemverantwortliche kann heute bei distribuierten Systemen nicht mehr mit Patentlösungen leben. Er braucht ein echtes Backup-Management-Konzept.

? Das bedeutet, es gibt keine Backup-Lösung "von der Stange". Jede Umgebung benötigt ein speziell zugeschnittenes Konzept?

MADSEN: Ja und nein. Das ist sicher von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Man hat Mail, man hat Datenbanken, die sind wichtig, die muß man zuerst zurückspielen. Da kann man die gleichen Muster, daß heißt Standard-Module verwenden. Aber man muß sie immer den jeweiligen Anforderungen anpassen. Eine Firma hat beispielsweise ein Online-Produktion-System mit SAP. Das heißt wenn SAP steht, steht die gesamte Fabrik. Deshalb müssen zum einen Prioritäten festgelegt werden, zum anderen müssen auch innerhalb dieser festgelegten Schritte die Daten in einer sinnvollen Reihenfolge zurückgespielt werden.

? In 100prozentigen Enterprise-Systemen ist es relativ überschaubar, da macht man das Backup- Management in den meisten Fällen zentral. Sind es nicht gerade die heterogenen Systeme, wo es immer schwieriger ist derartige Daten-Management-Konzepte zu realisieren?

MADSEN: Genau. Zum einen hat man die Heterogenität der verschiedenen Plattformen, aber auch die Heterogenität verschiedener Datenbanken. Beispielsweise einer SQL-Datenbank, SAP, Oracle und so weiter. Alles muß man abdecken. Man kann nicht nur sagen, wir sichern das Betriebssystem. Da gibt es Mail-Server, die man nicht herunterfahren kann und online sichern muß. Das gilt auch für SAP und Oracle. Es wird immer komplexer und deshalb ist es wichtig, daß die Leute das ernst nehmen.

? Haben die Unternehmen heutzutage überhaupt noch die personellen Ressourcen, um diese Aufgaben konsequent wahrzunehmen?

MADSEN: Oft scheitert es bereits daran. Wir haben Fälle erlebt, da hatten IT-Manager einfach keine Zeit mehr. Sie waren überlastet mit dem Management verschiedener Betriebssysteme und Netzwerke. Zum anderen sind gute Techniker schwer zu bekommen. Der Markt ist dicht.

Hier gibt es Möglichkeiten für kompetente Berater. Die Unternehmen brauchen Consulting. Sie brachen jemand, der mit ihnen eine richtige Strategie ausarbeitet. Man kann nicht nur 100 GByte vor- und zurücksichern, man braucht auch einen Plan, welche Daten zuerst auf welchen Server zurückgesichert werden müssen. Das ist so komplex und kompliziert.

Beispielsweise wenn wir eine Multi-Domain-NT-Umgebung haben. Wer dann glaubt, er brauche im Desasterfall nur einfach zurücksichern und dann läuft aller wieder, ist auf dem Holzweg. Da braucht nur ein Security-ID-Problem auftreten, der nächste Domain-Server hängt sich auf, und schon hängt das gesamte Netzwerk. Die Leute brauchen Hilfe und sie sind durchaus bereit dafür Geld auszugeben.

? Das heißt, nach ihren Erfahrungen sollten sich Fachhändler hier deutlich mehr als bisher engagieren?

MADSEN: Ja. Sie müssen sich spezialisieren, Leute ausbilden. Alle Unternehmen haben wichtige Daten, die gesichert werden müssen. In allen Branchen. Das Datenvolumen wächst ständig. Der Markt ist da. Wir als Legato können das allein gar nicht handhaben. Unsere Techniker sind zu 120 Prozent ausgelastet. Wir suchen ständig neue Leute.

? In wieweit sind Unternehmen überhaupt bereit, die Sicherung kritischer, eventuell sogar vertraulicher Datenbestände in die Hände von externen Spezialisten zu geben?

MADSEN: Meiner Erfahrung nach haben gerade mittelständische Unternehmen kein Problem mit externen Spezialisten. Es wird jedoch in absehbarer Zeit kein Remote-Backup geben, daß heißt das Backup-Equipment wird auch zukünftig im Unternehmen stehen.

Das ist natürlich auch ein Problem der Datenübertragungsraten. Hat man beispielsweise 250 GByte Daten, kann man über ein ATM-Netzwerk gerade einmal 10-20 GByte pro Stunde übertragen. Da dauert das Ganze 10 oder 15 Stunden und vielleicht die doppelte Zeit zum Zurücksichern. Das ist für die meisten Unternehmen nicht akzeptabel. Ein Outsourcing ist also durchaus denkbar, aber das Hardware-Equipment muß in der Firma sein.

? Was sind die Zielgruppen, die mit Dienstleistungen rund um die Datensicherung angesprochen werden können?

MADSEN: Man muß zwei Fälle unterscheiden. Da gibt es große Enterprise-Lösungen wie Banken, die beispielsweise über 2000 Filialen verfügen. Wenn die eine Sicherungs-Strategie haben wollen, dann müssen das PSO-Leute, das heißt Professional Service Organisation-Leute von uns oder von den Hardware-Herstellern übernehmen. Das ist monatelange Arbeit und hat eine Projektgröße. Es gibt allerdings nicht nur den Banken- und Versicherungssektor. Auch der gesamte Handels- und Dienstleistungsbereich braucht Backup-Lösungen. Das Marktpotential ist gewaltig.

?Über welches Know-how muß ein Unternehmen, das in diesem Sektor aktiv werden will, verfügen?

MADSEN: Man muß generell Backup verstehen und darüber hinaus fähig sein, Consulting anzubieten. Da reichen gute Novell- oder NT-Kenntnisse einfach nicht aus. Man muß in der Lage sein abzufragen, was für diese Firma notwendig ist. Wir brauchen Leute, die die betrieblichen Abläufe überblicken und in der Lage sind festzustellen, ob Änderungen an der Netzwerkstruktur notwendig sind. Wo liegen zum Beispiel die wichtigsten Daten?

Man muß herauszufinden, wie viele Stunden man im Desasterfall zur Verfügung hat. Ob man zwei Tage oder zwei Stunden Zeit hat macht einen riesigen Unterschied. Wohin geht die Entwicklung? Wieviel Daten haben wir in einem Jahr? Es muß ein richtiges Drehbuch erstellt werden. Unsere Legato-Backup-Software ist eigentlich nur ein kleiner Teil in dieser komplexen Thematik. Die Konzeptausarbeitung, die Hardware und die Software gehören zusammen in einer Lösung.

? Letztlich muß das erstellte Backup-Konzept dem Kunden auch noch verkauft werden.

MADSEN: Richtig. Der Berater muß in der Lage sein, das ausgearbeitete Backup-Konzept gegenüber der Firmenführung zu argumentieren. Es kommt darauf an, dem Vorstand vorzurechnen, daß sich eine Backup-Lösung für 20.000 Mark bei einem Systemstillstand in einem Unternehmen mit 100 Leuten, bei angenommenen Lohnkosten von 100 Mark pro Person pro Stunde, bereits nach zwei Stunden amortisiert hat. Aber es ist nicht nur der Arbeitslohn, es ist auch der Umsatzverlust und der Vertrauensverlust seiner Kunden, der ein Unternehmen überzeugen sollte in eine vernünftige Backup-Lösung zu investieren.

? Welche Möglichkeiten bietet Ihr Unternehmen interessierten Händlern?

MADSEN: Ab Jahresanfang 1998 verweisen wir Kundenanfragen nur noch an Partner, die bei uns eine entsprechende Autorisierung erworben haben. Die Thematik ist so komplex! Man braucht Wissen über Netzwerke, Server, Datenbanken, es ist gar nicht die Legato-Software, es ist die gesamte Rechnerumgebung. Interessierte Händler haben die Möglichkeit einen "Authorized Legato-Reseller"-Status zu bekommen.

Wir unterstützen die Händler, bieten Ausbildungen an sowohl für Techniker als auch für Vertriebsleute. Wichtig sind kontinuierliche Nachschulungen. Händler, die sich diesem Programm anschließen bekommen Kundenanfragen, bekommen Testinstallationen, bekommen Support, Software und so weiter. Solche Leistungen können wir allerdings nur einer begrenzten Anzahl von etwa 25 bis 30 Händlern anbieten.

? Wie wirkt sich dieses neue Konzept auf ihre bestehenden Distributoren aus?

MADSEN: Gar nicht. Unsere Distributoren haben nach wie vor die Möglichkeit, an jedermann zu verkaufen. Das ist auch gesetzlich nicht zu verhindern. Wenn der Kunde unsere Software an der nächsten Ecke bei einem nicht autorisierten Händler kauft, ist das letztlich sein Problem. Wenn sich der Kunde dagegen per Anfrage an uns wendet, werden wir ihn ausschließlich an autorisierte Partner verweisen, die darüber hinaus auch auf unser Web-Seite genannt werden.

Unsere Distributoren helfen uns dabei diese Partner auszubilden, die Prüfung wird allerdings dann von Legato durchgeführt. Diese Prüfung dauert für Techniker einen halben Tag. Man muß Produktkenntnisse, Netzwerkkenntnisse und praktische Erfahrungen nachweisen. Das ist ziemlich heftig. Bei einem internen Test haben am Anfang nur 25 bis 30 Prozent unser eigenen Leute den Test bestanden.

? Wie stellen sie sicher, daß Händler immer auf dem neuesten Stand bleiben?

MADSEN: Bei jeder neuen Software-Generation gibt es neue Schulungen. Darüber hinaus läuft unsere Zertifizierung immer nur für ein Jahr. Das heißt im Januar gehen wir zu jedem Händler und fragen, ob der ausgebildete Techniker, sein Vertreter und der zuständige Vertriebsmann noch dort tätig sind. Falls nicht, erhält das Unternehmen einen Zeitrahmen um Nachfolger ausbilden zu lassen, falls das nicht passiert, ist die Autorisierung weg.

? Die Anforderungen an das Wissen und an das Engagement eines Händlers, der in dieses Marktsegment einsteigen möchte, sind extrem hoch. Rechnet sich der damit verbundene Aufwand?

MADSEN: Ja, auf jeden Fall. Händler, die letztlich über dieses Know-how verfügen, haben gegenüber Mitbewerbern und gegenüber dem Kunden eine deutlich bessere Position. Sie können sich Beratungshonorare für die Ausarbeitung von Sicherungskonzepten vergüten lassen. Das wird von den Unternehmen auch akzeptiert.

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