Dell-Deal erzeugt Missmut bei HP-Partnern

21.10.1999

BÖBLINGEN: Hewlett-Packard hat mit Dell ein europaweites Abkommen für den direkten Internet-Vertrieb von Druckern und Scannern abgeschlossen. Das sorgt für Mißmut bei Händlern und Distis - sofern sie überhaupt informiert sind."Davon weiß ich nichts. Das finde ich auch nicht gut. Schließlich machen wir vieles mit Hewlett-Packard gemeinsam", entrüstete sich Martin Reil, Geschäftsführer des Münchner Systemhauses Microstaxx. Der Grund: Dell hat verkündet, ab sofort für den Direktvertrieb von Hewlett-Packards Druckern und Scannern autorisiert zu sein. Ähnlich wie Michael Zwerger, Inhaber des Augsburger Systemhauses Computer Zwerger, dürften viele Fachhändler diese Kooperation beurteilen: "Das bedeutet nichts Gutes. Wenn das stimmt, kann ich keine HP-Drucker mehr verkaufen. Ich mußte bei diesen Produkten bisher ohnehin schon niedrig kalkulieren."

Offenkundig hat Hewlett-Packard seine Partner über die Kooperation nicht informiert.

Selbst Distis überrascht

Auch die großen Distributoren waren überrascht. "Dell und HP? Die wollen also Hardcopy-Produkte in Deutschland direkt vertreiben? Das könnten wir zu spüren bekommen, es handelt sich ja um einen weiteren Mitbewerber", ist sich Michael Heckner, Division-Leiter für HP bei Also, sicher. Mehrere Distributoren geben hinter vorgehaltener Hand zu, gar nicht über den Deal informiert worden zu sein. Die Hewlett-Packard-Koordination von Macroton versicherte ComputerPartner ebenfalls, von diesem Schritt bis dato nichts gehört zu haben. Der große HP-Disti Computer 2000 hält sich bedeckt. Man wolle kein Statement abgeben, bevor eine Entscheidung für die Umsetzung gefällt sei. Eine Mitarbeiterin des Distributors Peacock fällt indes fast vom Stuhl: "Diese Schlitzohren - unglaublich!"

Laut Aussagen von Dell handelt es sich keineswegs um ein lockeres Versuchsprojekt. In England kooperieren beide Unternehmen bereits seit Juni miteinander. Der Absatz von HP-Produkten ist dort seit Beginn des Abkommens laut Dell um rund 70 Prozent gestiegen. Nun will der Direktanbieter auch im übrigen Europa richtig Gas geben. Die Produktmanagerin des paneuropäischen Dell-ware-Programms, Petra Täubel, formuliert das ehrgeizige Ziel gegenüber ComputerPartner so: "In drei Jahren wollen wir der größte Partner von Hewlett-Packard sein." John Legere, President Dell Emea, will den Direktvertrieb für HP-Drucker und -Scanner in Deutschland, Frankreich, den Beneluxländern, Österreich, der Schweiz und im skandinavischen Raum einführen.

Hewlett-Packard war trotz mehrmaliger Nachfragen von ComputerPartner nicht in der Lage, eine Stellungnahme zur Vertriebskooperation abzugeben. Man verwies lediglich darauf, daß es sich hier um ein völlig neues Segment handle, das noch nicht überschaubar sei. Laut Dell hat HP aber bereits einen zweiten lokalen Versorgungs- und Fullfillment-Stützpunkt in Irland geschaffen, um seine Produkte in den Dell-Produktionsprozeß zu integrieren.

Unmut bei Vertriebspartnern

Wirkliche Probleme durch diesen Deal prophezeit Harald Lindlar, Pressesprecher des Systemintegrators GE Compunet, den klassischen Händlern. "Wir reihen uns nicht in die Menge ein, die vor dem Damokles-Schwert Dell warnt. Heutzutage muß jeder lernen, den Vertrieb über das Internet zu organisieren, wenn er zu den Gewinnern gehören will."

Den HP-Vertriebspartnern paßt die Kooperation jedoch nicht in den Kram. Ein Fachhändler versichert:

"Wenn große Unternehmen kooperieren, müssen immer Abstriche gemacht werden. In diesem Fall wird der Retailkanal leiden." Viele Händler beschweren sich darüber, daß sich der Kunde Billig-PCs oder

-Drucker bei den Direktanbietern kauft, im Servicefall dann aber doch wieder zum Fachhandel zurückkommt. (gg)

John Legere, President Dell Emea, will europaweit HP-Produkte verkaufen.

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