Dells Erfolg - Mythos oder Realität?

24.04.2003

Laut Definition ist der Mythos (griechisch für Sage, Wort) eine unmöglich erscheinende Geschichte mit einem wahren Hintergrund. Und solchen Geschichten begegnen wir wohl alle unser Leben lang. Wer von uns wurde nicht in der Kindheit mit Märchen verwöhnt und in der Schulzeit mit griechischen Sagen gequält.

Und jetzt im Berufsleben trifft man auch immer wieder auf fantastische Geschichten. So glaubte jeder vor einigen Jahren gern an die Mär von El Dorado, oder einfach ausgedrückt an den immer währenden Boom in der IT. Der Goldrausch ist nun vorbei, geblieben nur der Katzenjammer. Und genau das scheint der ideale Nährboden für Albträume zu sein. Für viele in der IT-Branche spielt in diesem Horrorspektakel der Direktanbieter Michael Dell die Rolle des Oberschurken.

Aber was hat Dell nur an sich, dass Händler und Hersteller gleichermaßen wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange erstarren? Was macht Dell so erschreckend erfolgreich? Die Qualität der Produkte kann es wohl nicht sein, die doch nicht so niedrigen Preise auch nicht, selbst das Image der aggressiven Upselling-Qualitäten der Telesales-Mitarbeiter steht auf äußerst tönernen Füßen (Artikel dazu auf Seite 10 dieser Ausgabe). Und Michael Dells permanenter Anspruch auf die Weltführerschaft wird dadurch nicht realistischer, je lauter er seine Visionen hinausposaunt.

Es gibt eigentlich nur ein Alleinstellungsmerkmal: und zwar die wirklich optimale Kollokation. Das Unternehmen bestellt erst nach Auftragseingang die notwendigen Komponenten bei den Zulieferern. Diese schaffen die Teile just in Time, also minutengenau zur Produktionsstätte heran. Beides hat zur Folge, dass kaum (teure) Lagerhaltung nötig ist und Dell die Produkte erst ab diesem Zeitpunkt in den Besitz und die Verantwortung übernimmt.

Das Sahnehäubchen obendrauf sind jedoch die genial anmutenden Zahlungsmodalitäten. Erst 64 Tage nachdem Dell das Geld vom Kunden erhalten hat, muss das Unternehmen selbst seinen Verbindlichkeiten nachkommen. Das ist fast so viel Wert wie eine Lizenz zum Gelddrucken! Und das scheint wohl das Quentchen Wahrheit zu sein, das bekanntermaßen hinter allen Sagen und Mythen steckt, auch hinter denen rund um Michael Dells Erfolg.

Alle anderen vermeintlich Dell-exklusiven Vorteile kann der IT-Händler genauso gut bieten - und sogar noch besser! Beispiel Beratung: Wer hat tagtäglich direkten Kontakt zum Käufer? Der Händler! Wer hat den genauesten Einblick in die Denk- und Arbeitsweise des Anwenders? Der Händler! Wer kann demnach genauestens auf die tatsächlichen Bedürfnisse des Kunden eingehen? Der Händler!

Auch bei der Produkt- und Preisgestaltung kann der Fachhandel aus oben genannten Gründen die Nase weit vorn haben. Hier bedarf es jedoch der engen Zusammenarbeit mit den Herstellern. Da hilft kein kollektives Erstarren vor der Schlange, da sind gemeinsame Produkt- und Vertriebsstrategien vonnöten, die auf der Grundlage der Kundenanforderung entstehen.

Der Kunde will nun einmal das Gefühl haben, dass die angebotenen Produkte seinen persönlichen Wünschen entsprechen, er muss sie ja immerhin auch zahlen.

Aber jetzt nur nicht in Panik ausbrechen: Diese Wünsche erschöpfen sich beileibe nicht allein im möglichst günstigen Preis. Vielmehr die optimale Zusammenstellung kompatibler und langlebiger Komponenten, die Rundum-Beratung und nicht zuletzt der qualifzierte Aftersales-Service machen die Sache erst rund. Werden diese Tatsachen jedoch geschaffen, entsteht mehr als nur ein neuer Mythos, und zwar der vom zufriedenen und damit treuen Kunden des Fachhandels.

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