Der Abgezockte hat mehr Rechte, als immer behauptet wird

21.11.2002
Vorbeugung ist gut. Auch im Internet - nicht zuletzt durch so genannte 0190Warner. Doch wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen beziehungsweise der Dialer auf dem Rechner installiert ist und stattliche Kosten verursacht hat, gibt es Möglichkeiten, sich juristisch zur Wehr zu setzen. Jürgen Klass* weiß Genaueres.

Internet-User werden immer dreister mit Hilfe so genannter Dialer-Programme ausgenommen. Das funktioniert so: Beim Surfen wird unbemerkt ein kleines Einwahlprogramm (Dialer) auf den Rechner heruntergeladen. Dieser Dialer ändert den Webzugang des Computers so ab, dass er sich über kostspielige 0190-Nummern einwählt. Die jüngste Programmgeneration arbeitet völlig unbemerkt. Andere Dialer sind hinter "Gratis-Tools" zum Runterladen versteckt. Wer draufklickt, wird sie meist nicht mehr los. Das böse Erwachen kommt dann mit der Telefonrechnung, hohe vier- oder gar fünfstellige Rechnungsbeträge sind keine Seltenheit.

Viele Geprellte fragen sich, ob aus juristischer Sicht Chancen bestehen, derart hohe Telefonrechnungen nicht bezahlen zu müssen. Noch herrscht große Rechtsunsicherheit auf Seiten der Geschädigten. Die Rechtsprechung gibt kein klares Bild. Gerichtsurteile, die sich mit der Thematik der 0190-Dialer befassen, liegen kaum vor.

Darlegungs -und Beweislast

Wirft man einen Blick auf die Rechtsprechung zur ähnlich gelagerten Problematik überhöhter 0190-Telefonrechnungen, erkennt man, dass die Lage der Verbraucher nicht so schlecht ist, wie immer behauptet wird. Die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit ihrer Rechnungen trägt nämlich die Telefongesellschaft. Der Anscheinsbeweis für die Richtigkeit einer auf technischen Aufzeichnungen beruhenden Telekommunikationsrechnung bezieht sich immer nur auf die technische Aufzeichnung über die geführten Einzelverbindungen. Im Streitfall hat das Unternehmen eine derartige detaillierte Zusammenstellung der Einzelgespräche vorzulegen (AG Paderborn, Urt. v. 10.4.2002, Az.: 54 C 572/01; OLG Stuttgart, Urt. v. 27.10.1999, Az.: 9 U 96/99; LG Memmingen, Urt. v. 27.6.2001, Az.: 1 S 297/01).

Der erwähnte Anscheinsbeweis ist im Übrigen dann erschüttert, wenn eine Telefonrechnung Gebühren ausweist, die um ein Vielfaches höher sind als die durchschnittlich anfallenden monatlichen Gebühren (Landgericht Oldenburg, Urt. v. 27.06.1997, Az.: 6 O 3627/94; AG Berlin, Urt. v. 20.3.2002, Az.: 8 b C 290/01). Grundsätzlich gilt: Wer eine - seiner Meinung nach - überhöhte Telefonrechnung bekommt, muss nachprüfen können, ob und wie diese Kosten entstanden sind. Sperrt etwa die Telekom wegen nicht bezahlter Rechnung einen Telefonanschluss, so ist dies unzulässig, wenn das Unternehmen weder die gesamte angerufene Servicenummer noch den Namen des angeblich angerufenen Teilnehmers mitteilen kann (Landgericht München I v. 23.5.2000, Az.: 15 T 9232/00)

Eine ähnliche Rechtsauffassung vertritt auch das Oberlandesgericht Dresden: Bestreitet der Kunde, bestimmte Gespräche geführt zu haben, muss die Telefongesellschaft beweisen, dass die Telekommunikationsleistungen tatsächlich in dem behaupteten Umfang in Anspruch genommen wurden. Bestreitet der Kunde, die Gespräche tatsächlich geführt zu haben, muss die Telefongesellschaft grundsätzlich die einzelnen zugrunde liegenden Verbindungsdaten vorlegen. Der Kunde kann zwar mit Einwendungen gegen die Rechnung ausgeschlossen werden, wenn er innerhalb einer bestimmten Frist keinen Einspruch hiergegen erhebt. In diesem Fall ist das Löschen der Einzelverbindungsnachweise für das Unternehmen unschädlich. Dies gilt aber nur, wenn dem Kunden die jeweiligen Rechnungen auch tatsächlich zugegangen sind, was wiederum das Telefonunternehmen zu beweisen hat (Urt. v. 25.1.2001, Az.: 9 U 2729/00).

Die obigen Grundsätze dürften auf die 0190-Dialer-Problematik analog anzuwenden sein. Viele Punkte sind allerdings nach wie vor strittig. Stets wird es auch auf die besonderen Umstände des Einzelfalls ankommen.

Das Amtsgericht Freiburg (Urteil v. 11.6.2002, Az.: 11 C 4381/01) hat jüngst klargestellt: Gebühren, die durch ungewolltes Anwählen einer 0190-Nummer mittels eines selbstinstallierenden Dialers entstehen, müssen nicht bezahlt werden. Dies gelte umso mehr dann, wenn sich das heruntergeladene Einwählprogramm zu den Mehrwertdiensten im DFÜ-Register des Betriebsprogrammes so einträgt, dass es als Standardverbindung bei jeder neuen Einwahl ins Internet zur Einwahl über eine 0190-Nummer führt beziehungsweise als Eintrag im DFÜ-Register so stehen bleibt, dass eine solche neue Einwahl ungewollt möglich ist. Fazit: Der Telefonnetzbetreiber scheiterte mit seiner Zahlungsklage.

Anders aber das Amtsgericht München (Urt. v. 4.9.2001, Az.: 155 C 14416/01): Zur Sorgfaltspflicht eines Internetbenutzers gehöre es, den Verbindungsaufbau zu überwachen und Verbindungen nur bei ausdrücklicher Freigabe aufbauen zu lassen. Dies erfordere schon die Vorsicht vor Hacker- und Trojaner-Angriffen. Auch das Amtsgericht Wiesbaden (Urt. v. 29.8.2000, Az.: 92 C 1328/00) rechnet die Anwahl von Telefonnummern durch ein Computerprogramm dem PC-Nutzer zu. Dieser habe dafür Sorge zu tragen, dass derartige Programme nicht installiert werden. Diese Rechtsprechung verkennt allerdings, dass es - vor allem für Laien - leichter gesagt als getan ist, entsprechende Schutzvorkehrungen zu treffen, zumal die Dialer-Installationen immer raffinierter vonstatten gehen.

Rechnung sofortschriftlich reklamieren

Falls man Opfer der 0190-Gauner geworden ist, sollte man die Telefonrechnung unverzüglich und schriftlich beim Telekommunikationsanbieter und beim eigentlichen Rechnungssteller reklamieren. Zugleich sollte ein Einzelverbindungsnachweis vom Anbieter und unter Umständen ein technisches Prüfungsprotokoll angefordert wer- den, insbesondere dann, wenn der Verdacht auf Manipulation am Netz durch Dritte besteht. Gegebenenfalls ist die Angelegenheit einem Rechtsanwalt zu übergeben, dem die Dialer-Thematik in rechtlicher wie technischer Hinsicht geläufig ist.

www.dialerschutz.de

www.dialerundrecht.de

www.polizei.bayern.de/ppmuc/schutz/text10.htm

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