Der Aktienkurs in den USA fällt ins Bodenlose

16.09.1999

SANTA ANA, KALIFORNIEN: Nach der dritten Gewinnwarnung in vier Quartalen muß Ingram-CEO Jerre Stead die Konsequenzen ziehen. Die massive Kritik der Wall Street läßt ihm nicht mehr viel Spielraum: Er sucht einen Nachfolger für seine Aufgaben im Tagesgeschäft, bleibt aber als Chairman Chef des Verwaltungsrates.In Ingrams Chefetage brodelt es. Nachdem gerade erst President Phil Ellett - der Ex-Europa-Chef - das Handtuch werfen mußte, räumt derzeit auch CEO Jerre Stead seine Siebensachen im Manager-Büro. Er mußte das dritte Mal innerhalb von vier Quartalen an die Börse berichten, daß die erwarteten Gewinne bei weitem nicht so hoch ausfallen würden, wie ursprünglich geplant. In der Wall Street herrschte Empörung, als Stead bekanntgab, daß der erwartete Gewinn pro Aktie im dritten Quartal statt 41 Cent nur zehn Cent betragen werde. Stead, der 1996 an die Spitze des Unternehmens kam, nennt als Grund für die schlechte Figur, die der größte Computergroßhändler der Welt derzeit abgibt, "die schwierige Marktsitutation, vor allem in den USA." Die dortigen Marktanalysten halten aber eher "schwere Managementfehler" für ausschlaggebend. Firmenkenner berichten, daß beispielsweise die Umsetzung seines Steckenpferdes "PIE" (Partners in Excellence) die Firma Zeit, Geld und die Mitarbeiter Nerven gekostet hat. Das Programm für das erfolgreiche Miteinander von Lieferanten, Distributor und Kunde hat im Unternehmen eher für Verwirrung gesorgt, sicher aber nichts erleichtert. Stead wird eigenen Aussagen zufolge noch so lange im Amt bleiben, bis ein geeigneter Nachfolger gefunden ist.

Durch Rigide Entlassungen Feinde gemacht

Der Neue hat dann sicherlich einen leichteren Stand im Unternehmen: An Stead und Ellett blieb die undankbare Aufgabe hängen, die im Frühjahr angekündigten Restrukturierungsmaßnahmen - und dabei vor allem die Einsparung von 1.400 Jobs - durchzudrücken. Der federführende Ellett hat es dabei, wie man hört, oft an dem nötigen Feingefühl mangeln lassen. "Das ging von heute auf morgen, auch Mitarbeiter in leitenden Positionen erfuhren, daß sie quasi noch am selben Tag ihr Büro räumen müssen", heißt es von einem Brancheninsider, den es nicht wundern würde, "wenn Ellett niemand eine Träne nachweint". Überhaupt scheinen es die Ingram-Manager derzeit darauf anzulegen, die Börsianer zu verunsichern: Im Juni beispielsweise verkaufte Rod Jeffrey, seines Zeichens Divisional Officer im Unternehmen, fast 48.000 Aktien - das stimmt schon nachdenklich. Im Juli folgten ihm einige Kollegen nach, allerdings in geringeren Mengen.

Für das Deutschland-Geschäft sind noch keine Konsequenzen durch den Wechsel in der Chefetage abzusehen. "Das hängt davon ab, ob das neue Spitzenmanagement den Kurs beibehält oder ganz andere Strategien fährt", spekuliert ein Unternehmenskenner. Wie es heißt, läuft das Geschäft hierzulande von der Auftragslage her sehr gut - "schon weil der Konkurrent CHS derzeit in einigen Bereichen Lieferengpässe hat", wie ein Händler verrät. Andererseits aber stärkt die Unsicherheit bei der amerikanischen Mutter auch nicht gerade die Motivation der deutschen Mannschaft. "Eine gute Nachricht wäre jetzt wirklich mal eine Abwechslung", frotzelt denn auch ein Sales-Mitarbeiter in München. (du)

Ingram-President Phil Ellett ging schon vor Jerre Stead. Ihm weint keiner eine Träne nach.

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