Meinungsfreiheit

"Der Arbeitgeber betrügt und bescheißt"

30.10.2012
Die Richter des LAG Düsseldorf zeigten sich milde und entschieden, dass während eines Arbeitskampfes auch zugespitzte Äußerungen gegenüber dem Arbeitgeber zulässig sein können.
Bei Streiks fallen oft harsche Worte. Nicht immer stellen diese Beleidigungen dar.
Bei Streiks fallen oft harsche Worte. Nicht immer stellen diese Beleidigungen dar.

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass im Einzelfall während eines Arbeitskampfes auch zugespitzte Äußerungen zulässig sein können. Darauf verweist der Kölner Fachanwalt für Arbeitsrecht Frhr. Fenimore von Bredow, Vizepräsident des VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hinweis auf die Mitteilung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf vom 17.08.2012 zu seinen Urteil vom selben Tage, Az.: 8 SaGa 14/12.

Die Verfügungsklägerin, ein Unternehmen der Ernährungsindustrie (im Folgenden Arbeitgeberin), wird von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) bestreikt. Am 13.07.2009 schloss sie mit der NGG einen Tarifvertrag zur Zukunftssicherung, der Einbußen der Arbeitnehmer u.a. betreffend Urlaubsgeld, Urlaubstage, Jahreszuwendung und Entgelterhöhung vorsah. Gemäß § 3 des Tarifvertrags sollten ab dem 01.01.2012 die Entgelte des Flächentarifvertrags gelten. Während der Laufzeit des Tarifvertrags wechselte die Arbeitgeberin ihre Vollmitgliedschaft im Arbeitgeberverband in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft). Im Rahmen der Tarifauseinandersetzung im Jahre 2012 skandierten die streikenden Arbeitnehmer Sprechchöre in Reimform, in denen es u.a. hieß, dass die Arbeitgeberin sie "betrüge" bzw. "bescheiße". Hierbei waren Gewerkschaftssekretäre der NGG anwesend und schritten nicht ein. Teile der Parolen wurden von einem Gewerkschaftssekretär per Megafon gesprochen. Die Arbeitgeberin verlangt von der NGG sowie ihren drei Vorstandsmitgliedern und zwei Gewerkschaftssekretären Unterlassung der näher bezeichneten Äußerungen bzw. die Einwirkung auf die Streikenden, solche Äußerungen zu unterlassen.

Die Anträge hatten wie bereits vor dem Arbeitsgericht keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die beanstandeten Äußerungen aufgrund des Gesamtzusammenhangs nicht als Tatsachenbehauptungen im strafrechtlichen Sinne gewertet. Es handelte sich um zugespitzte Äußerungen, mit denen die Arbeitnehmer zum Ausdruck brachten, dass sie sich angesichts des Wechsels der Arbeitgeberin in eine OT-Mitgliedschaft "betrogen" gefühlt hätten. So verstanden waren die zugespitzen Äußerungen von der Meinungsfreiheit, die im Arbeitskampf auch der Gewerkschaft zusteht, noch gedeckt.

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