Der Aufstand der Lizenzabhängigen

18.07.2002

Diesmal streiten sie wirklich: Microsoft, Unternehmen und sogar Behörden. Niemand lässt die Software-Lizenzpolitik kalt (unter den Stichwörtern "Volume Licensing 6.0" und "Software Assurance" gehandelt, ab Anfang August werden sie Programm; siehe Artikel Seite 18). Doch wer glaubt, bei diesem Streit gehe es allein um viel Geld, um Kapitalbindung in Millionenhöhe bei der Softwareanschaffung, irrt. Es geht um etwas Grundsätzlicheres. Darum nämlich, ob sich Microsoft-Kunden aus ihrer Abhängigkeit von der Gates-Company befreien können - weshalb das Thema Lizenzpolitik kaum in den nächsten Wochen erschöpfend abgehandelt sein wird.

Der Tatbestand ist bekannt: Der neue, aber eigentlich schon seit Mai 2001 bekannte Lizenzeinfall der Gates-Company soll Unternehmen ab ungefähr 250 PCs dazu zwingen, freudig die neuesten Softwareeinfälle der Redmonder Bastelstube als Updates auf ihre Rechner aufzuspielen. Nur dann kommen sie weiterhin in den Genuss verbilligter Lizenzen - ein Deal, der den Microsoft-Hunger nach einem permanenten Lizenzgelderstrom befriedigen soll und zudem, als keineswegs unwesentliches Beiwerk, der Gates-Company ermöglichen würde, die nach wie vor ebenso unklare wie monolithische "Dotnet"-Strategie zu finanzieren.

Vor allem dagegen, aber auch gegen die Zumutung, künftig Programme mieten zu müssen, deren Nutzen unklar ist, wehrt sich die neuerdings aufrichtig empörte "Gemeinschaft der Abhängigen" (Axa-Colonia-Einkaufschef Ulrich Hörster). "Das Fass ist voll", sagt sie und läuft Sturm gegen den einst nahezu einhellig begrüßten Softwerker und dessen Windows-Einbahnstraße.

Der aber, nach gründlicher Betrachtung seiner bisher so willigen Klientel, denkt nicht daran, sie aus der Abhängigkeit zu entlassen. Geduldig rechnet Microsoft ihr die Entwöhnungskosten vor und fasst - in der Tonart schon schärfer - in deutlichen Sätzen die Tricks zusammen, womit die Abhängigen ihre Windows-Dosis auf Servern und Desktops zu strecken versuchten: "Viele Kunden haben nach dem alten Modell viel mehr gezahlt, weil sie (...) kein Lizenz-Management betrieben haben" (Steve Ballmer). Das hört die Schar der derart zurechtgewiesenen Abhängigen nicht gern.

In dieser Situation bleibt den Windows-Abhängigen nur zweierlei übrig: Entweder sie versuchen, aus ihrer Abhängigkeit weiterhin das Beste zu machen. Das heißt, sie schließen sich zusammen, wie es das "The Infrastructure Forum" (TIF) getan hat - die größte IT-Interessensgruppe in Großbritannien mit 98 großen Unternehmen als Hauptmitglieder - um mit Microsoft neue Lizenzkonditionen auszuhandeln.

Oder aber sie machen sich daran, den mühsamen Weg des Windows-Entzugs auf sich zu nehmen. Beides kostet - aber das ist nach der langen Geschichte der Abhängigkeit unvermeidlich. Wie im echten Leben.

Wolfgang Leierseder

wleierseder@computerpartner.de

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