Der Channel bleibt gelassen - viele hoffen sogar auf positive Impulse

06.06.2002
Die Fusion von HP und Compaq ist über die Bühne gegangen, und alles bleibt beim Alten. Wirklich? Global Touch befragte zertifizierte Channel-Partner in den USA und Europa nach ihrer Einschätzung der Lage.ComputerPartner hakte bei den deutschen Handelspartnern nach.

Mitte Mai untersuchte Global Touch die Stimmung bei autorisierten Channel-Partnern der Fusionspartner Hewlett-Packard und Compaq. Insgesamt nahmen 392 US- und 271 EMEA-Partner (Distributoren, Systemintegratoren, VARs und Wiederverkäufer) an der Umfrage teil.

"Kaum überraschend ist, dass Dell von allen Befragten als der Hauptnutznießer der Fusion gilt", konstatiert Denise Sangster, Präsident und CEO von Global Touch. Während fast die Hälfte der US-Partner (47 Prozent) den Direktvermarkter nennen, ist es in Europa nur gut ein Drittel (34 Prozent). Im EMEA-Markt spielt eben auch Fujitsu Siemens eine wichtige Wettbewerbsrolle. Die Bad Homburger wurden hier von 22 Prozent genannt. Mit 28 Prozent (USA) und 29 Prozent (EMEA) scheint auch IBM in den Augen des Channels begünstigt zu sein.

Für sich als Partner befürchten auch relativ viele der Befragten mögliche Nachteile durch Einsparungen dank der Fusion. So glauben 35 Prozent der Europäer, dass eine mögliche Kürzung der finanziellen Mittel für den Marktausbau den negativsten Einfluss auf ihre Geschäftsentwicklung haben werde. Weitere 31 Prozent sehen sich in Zukunft wachsender Konkurrenz eines geballten Direktverkaufsteams ausgesetzt. Dadurch könnte auch die bisherige Channel-Ausrichtung aufweichen (21 Prozent).

Im Vorfeld der Fusion spielte man in der Branche täglich neue Horrorszenarien durch. Da wurde öffentlich philosophiert, welche Produkte wohl vom Markt verschwinden, welche Serviceleistungen eingespart und Handelprogramme eingestampft werden. Nun, nur wenige Tage nach der tatsächlichen Fusion und nach Veröffentlichung der Roadmap für die nächsten drei Jahre, sieht die Situation schon ganz anders aus. So hat mit 57 Prozent die Mehrzahl der befragten Europäer sogar mehr Vertrauen in den zukünftigen Erfolg des neuen Unternehmens als zuvor. Nur 28 Prozent geben sich pessimistischer, 6 Prozent sehen die Erfolgschancen für die nächsten drei Jahre eher neutral, und 9 Prozent haben sich überhaupt noch keine Meinung gebildet. Da geben sich die Amerikaner deutlich zurückhaltender. Nur 41 Prozent sind zuversichtlicher, während immerhin 37 Prozent keine Veränderung sehen.

Für ihr eigenes Geschäft sehen viele Europäer sogar noch rosiger in die Zukunft. Knapp zwei Drittel (61 Prozent) der Europäer sind sich sicher, dass der Merger keinen negativen Einfluss auf ihr Geschäft haben wird. Nur gut ein Drittel (37 Prozent) glaubt an einen negativen Effekt. In den USA erwarten 41 Prozent eine negative Entwicklung für ihr Geschäft, und gerade einmal die Hälfte (52 Prozent) gibt sich optimistisch.

Im deutschen Channel zeigt sich ein ähnliches Bild, wobei Wiederverkäufer und Fachhändler mit Schwerpunkt SMB-Kunden gelassener reagieren als Systemhäuser und VARs. Axel Keller, Geschäftsführer der Also ABC Distribution, berichtet, seine Kunden würden regelrecht nach Infos rund um den Merger gieren. Die Fachhändler fragen vor allem nach, welche Bausteine in den neuen Produkten verbaut werden und nach der Laufzeit des Supports. Wir bedienen viele Systemhäuser, die größere Kunden bedienen. Diese sorgen sich um ihre IT-Infrastruktur, da diese schon bei der kleinsten Veränderung oder Variation Schwierigkeiten machen kann", erklärt Keller. Ansonsten sehen sie die Situation derzeit aber eher ruhig. Wenn es Abwanderungen gab, dann in der Hochzeit der Schlammschlacht Fiorina/Hewlett jr. Nach Ansicht von Keller sind damals, wenn überhaupt, HP-Partner zu IBM abgewandert und Compaq-Partner zu Dell. Da Also ABC bis dato neben FSC und IBM vor allem Compaq-Partner war, ist Keller sich sicher, dass die Fusion seinem Unternehmen sogar Zuwachs beschert.

Bei den Wettbewerbern sieht die Situation schon anders aus. Der Vertriebsdirektor von Tech Data, Mario Luna Stollmeier, gibt zu, dass die Fusion auch Nachteile mit sich bringt: "Früher erhielten wir und unsere Kunden von zwei Anbietern Messeunterstützung und WKZ, heute ist es nur noch einer." Auch intern hat sich bei Tech Data einiges getan. Früher gab es zwei getrennte Business-Units. Daraus wurde nun eine Gemeinsame. Noch bietet diese Unit ausreichend Arbeit für alle Mitarbeiter. Sollte sich jedoch das Produktangebot der HPQ mit der Zeit reduzieren, dann werde wohl der eine oder andere Mitarbeiter ein neues Aufgabengebiet erhalten.

Auch Gerhard Schultz, Sprecher der Geschäftsleitung bei Ingram Macrotron, ist sich sicher, dass es zu Veränderungen kommt. Da jedoch Handelsanfragen bei der speziellen Hotline nur sporadisch kommen und sich ausschließlich um Fragen des Produktportfolios drehen, erkennt Schulz darin ein Zeichen,"dass keine unnötigen Ängste bei den Fachhändlern aufgekommen sind". Auch beim Disti selbst ist alles ruhig, da die Geschäftsleitung den Mitarbeitern zusagte, "dass bei internen Umstrukturierungen aufgrund des Mergers in der deutschen Distribution keine Stellen abgebaut werden."

www.globaltouch.com

ComputerPartner-Meinung:

Die Aktion der neuen HP, alles quasi beim Alten zu belassen, hat den Pessimisten erst einmal den Wind aus den Segeln genommen. Dennoch wird sich der Merger in den kommenden Jahren auf jeden Channel-Partner auswirken. Jetzt ist aber Zeit genug, sich auf die veränderte Situation einzustellen. Dann gibt es auch keine böse Überraschung. (go)

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