Der Dell-Mythos - und was tatsächlich dahinter steckt

24.04.2003
Direktversender Dell ist vielen IT-Herstellern und Fachhändlern ein Dorn im Auge. In der Branche kursieren die unterschiedlichsten Gerüchte und Mythen. ComputerPartner klopfte diese auf ihren Wahrheitsgehalt ab.

Selten hat ein anderes Unternehmen so die Branche irritiert wie Direktanbieter Dell. Für viele, vor allem für Verfechter des indirekten Vertriebs, ist das Unternehmen die "Inkarnation des Bösen". Wie jeder weiß, wirbt Dell damit, dem Kunden beste Preise anbieten zu können, da man den teuren Fachhandel außen vor lasse. Und wenn sich dennoch Systemhäuser für bestimmte Projekte als Servicedienstleister mit Dell einlassen, geht ein Aufschrei durch die Branche, das Unternehmen wolle doch nur den Kundenkontakt und dränge früher oder später den Kooperationspartner aus dem Geschäft. Der permanente Anspruch von Michael Dell sowie Deutschland-Geschäftsführer Mathias Schädel, die Marktführerschaft überall in der Welt, auch in Deutschland, schon bald zu erringen, steigert zusätzlich das Gefühl der Bedrohung.

Nicht-ITler hingegen halten aus rein wirtschaftlicher Sicht die Unternehmensphilosophie für die perfekte Geldmaschine und den aggressiven Vertrieb für die reinste Offenbarung.

Diese Mischung aus Angst und Faszination war Anlass genug für ComputerPartner, die verschiedenen Dell-Vorurteile einmal unter die Lupe zu nehmen.

Mythos 1: Dell-Produkte sind billig und minderwertig

Immer wieder berichten IT-Händler von Kunden, die "fremdgegangen" seien, also Dell-Produkte kauften, um dann kleinlaut zurückzukommen, da die günstigen Geräte im Betrieb und Service zu hohe Kosten verursachten. Die-ses Vorurteil kann nicht jeder bestätigen. Die IDG Communications Verlag AG beispielsweise ist seit zwei Jahren Dell-Kunde und sehr zufrieden. Wie Mitarbeiter der EDV-Abteilung berichten, sind die Desktops qualitativ in Ordnung und waren bislang äußerst selten defekt. Als ein Netzteil ausfiel, wurde es innerhalb der vertraglich festgelegten Zeit von 48 Stunden ausgetauscht.

Auch bei einem Garantiefall habe man schnelleren und besseren Service erhalten als bei jedem bisherigen Vertragspartner. Die Redakteure der PC-Welt blasen ins gleiche Horn. Manch einer besitzt auch privat seit Jahren einen Dell-Rechner und ist sehr zufrieden damit. Der Leserservice rät seinen Lesern sogar zum Kauf eines Dell-Rechners, "obwohl die nicht die günstigsten" seien.

Zumindest mit dem "nicht günstig" haben die Kollegen von der PC-Welt unbestritten Recht. Schaut man sich die Schnäppchenangebote von Dell einmal genau an, sieht man Rechner mit mageren 128 MB Arbeitsspeicher, einer Minifestplatte mit gerade einmal 30 GB, und auch die Softwareausstattung ist oftmals äußerst knapp bemessen.

Da ist in den meisten Fällen teures Upgrading vonnöten. Und zu guter Letzt kommt noch der 75-Euro-Aufschlag für Verpackung und Lieferung. Da wird schnell aus einem Schnäppchen ein Teuerchen.

Mythos 2: Dell-Kunden sind extrem markentreu

Nicht nur die hohe Beliebtheit bei den Kollegen von der PC-Welt, auch eine Studie von TNS Emnid bescheinigt Dells Privatkunden eine hohe Markentreue. Laut Studie würde jeder dritte Dell-Kunde beim Neukauf unbedingt die gleiche Marke kaufen, auch wenn sie teurer als andere sei. 48 Prozent würden bei gleichem Preis auf jeden Fall zur bekannten Marke greifen. Selbst IBM kommt in diesem Vergleich nur auf 20 Prozent (49 Prozent), Toshiba auf 17 (und 61) Prozent und FSC auf 15 respektive 54 Prozent. Doch diese Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen. Das Institut befragte insgesamt 1.662 Privatkunden, von denen aber nur 42 Dell-Kunden waren. Auf der anderen Seite hatten 287 der Befragten einen FSC-Rechner. Stellt man nun die tatsächliche Zahl der Dell- und FSC-Getreuen gegeneinander, sprechen sich 34 für Dell und 198 (also sechs Mal so viele) für FSC aus.

Mythos 3: Dells Telesales betreibt aggressives Upselling

In den Köpfen der deutschen IT-Fachhändler und Hersteller hat sich ein Schreckensbild eingefräst: Hundertschaften von Telesales-Mitarbeitern motivieren potenzielle Dell-Kunden nicht nur zum Kauf, nein sie überreden sie auch, deutlich teurere Geräte zu kaufen.

Etablierte Business-Kunden wie etwa die EDV-Abteilung der IDG Communications Verlag AG bestätigen wohl den Versuch des Telefonverkäufers, höherwertige und damit auch teurere Geräte anzubieten. Doch das sei erst nach einer längeren Geschäftsbeziehung aufgetreten.

Und wenn ein Kunde wie der Einkäufer des Verlages bestimmt erklärt, er wolle genau das Produkt, das er bestellt habe, würde auch nicht mehr nachtarockt. Aber wie sieht es bei Neukunden aus? ComputerPartner machte die Probe aufs Exempel (siehe Kasten) - und dabei erstaunliche Erfahrungen.

Erfahrung 1: Egal, welche Rufnummer (privat oder geschäftlich) man wählte, man landete immer erst in der automatischen Vermittlungsanlage und musste sich per Tastendruck (1 für Privatkunde, 2 für gewerblicher Kunde) durchhangeln. Danach musste man per Tastendruck entscheiden, ob man Informationen zum Kauf, zur Konfiguration oder Allgemeines benötigt. Trotz dieser Vorauswahl landete man oft bei der Zentrale, dieses Mal jedoch bei einem Menschen, der nach nochmaliger Frage an den Telefonverkäufer vermittelte.

Erfahrung 2: Alle Verkäufer sprechen Deutsch (viele jedoch mit osteuropäischem Einschlag) - aber nicht alle verfügen über die gleichen Informationen, das gleiche technische Know-how und die gleiche Motivation.

So kannte nicht jeder der Telefonverkäufer sofort die Anzeige, auf die sich das Redaktionsteam berief. Einige erklärten auch, der angebebene Preis von 579 Euro (Online-Bestellung) gelte überhaupt nicht für den Allround-PC mit Intel-P4-CPU, sondern für den Celeron 1,8 GHz. Hier läge ein Druckfehler vor, und das gewünschte System mit dem P4 koste demnach 662 Euro.

Bei Überprüfung anhand des Internet-Konfigurators war der Preis von 579 Euro aber sehr wohl korrekt. Fast unwillig informierten die meisten Berater über Upgrade-Möglichkeiten. Einige Kollegen fragten, ob sie mit dem PC DVDs ansehen und kopieren könnten. Die Antwort fiel bei allen gleich aus: Nein, das ginge nicht, der PC verfüge nur über ein CD-ROM-Laufwerk. Einige Verkäufer erklärten auch noch, dazu benötige man auch eine Grafikkarte. Erst auf intensive Nachfrage erhielten die Anrufer die Bestätigung, man könne zur Not gegen Aufpreis den PC entsprechend aufrüsten. Ein Verkäufer stutzte bei der Nennung des Preises und nannte dieses Upgrade aber sehr teuer.

Selbst, als ein Kollege sich als Architekt vorstellte, der vier PCs für sein Büro kaufen wolle, kam der Berater nicht auf die Idee, ihm ein besseres System anzubieten. Wie bei den meisten anderen leierte er mehr oder weniger lustlos die eingeforderten Infos herunter.

Nur ein einziges Mal wurde einem Redaktionsmitglied ein besser ausgestatteter und deutlich teurerer PC (für 1.099 Euro) dringend empfohlen. Die Anruferin gab sich als technisch überforderte Mutter eines 16-Jährigen aus, der sich einen Spiele-PC wünschte. Der Berater riet ihr dringend von dem Allround-PC ab und gab selbst für einen blutigen Laien nachvollziehbare Gründe dafür an (Grafikleistung, RAM). Ohne diese Beratung hätte sich die fiktive Mutter bei ihrem Sohn gewaltig in die Nesseln gesetzt.

Eine andere "Laien"-Darstellerin wurde sogar vom Telefonverkäufer vor dem Kaufrausch bewahrt. Er fragte genau nach, was sie mit dem PC machen wolle. Als sie über den Monitor sprachen, riet er ihr zu einem günstigen CRT-Monitor, da die TFTs noch zu teuer seien. Den könne man ja immer noch später kaufen, wenn der Preis angemessener sei.

Alles in allem fühlte sich keiner der Redakteure über den Tisch gezogen, viele lobten vielmehr die entspannte Gesprächsführung ohne jeglichen Kaufdruck. Nur die teils schwammigen bis falschen Erklärungen wurden von den Redakteuren bemängelt, die auch im Verkaufsgespräch ihre technische Versiertheit deutlich gezeigt hatten. (go)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar auf Seite 8.

Facts and Figures

Um die "Überzeugungskraft" des Telefonservices von Dell zu testen, riefen die ComputerPartner-Redakteure anonym an und erfragten Details zu dem Dimension 2350 Allround-PC. Dieser war auf der Titelseite des achtseitigen Flyers Dell Direkt beworben worden, der unter anderem der "Welt am Sonntag" beigelegt war.

Die bekannten Facts: Intel-Pentium4-Prozessor 2A GHz, 128 MB DDR-SDRAM, 30-GB-Festplatte, Intel-Extreme-Grafik mit bis zu 48 MB. Weitere technische Infos, etwa zum Sound, zu den Laufwerken oder zur Software, fehlten.

Der Preis: 637 Euro bei Telefonbestellung, 579 Euro bei Online-Bestellung. Beide Preise zuzüglich 75 Euro Versand. Wer weitere Details benötige, könne laut Werbung kostenlos anrufen.

Auf dem Flyer wurde je eine Nummer für Privatkunden und eine für Businesskunden angegeben. Einige Redakteure gaben sich als Geschäftskunden aus, die anderen als Privatinteressenten. (go)

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