Der deutsche PC-Markt tritt auf die Bremse

18.05.2000
Y2K, Windows 2000, die vorgezogene Cebit und sinkende Margen machen den PC-Herstellern schwer zu schaffen und haben dem deutschen PC-Markt im ersten Quartal 2000 den niedrigsten Zuwachs seit Jahren beschert.

Nachdem der deutsche PC-Markt 1999 insgesamt um satte 21,6 Prozent gewachsen ist, startete das neue Jahr eher lau. Mit 1,7 Millionen verkauften PCs, Notebooks und PC-Servern ist der Markt im ersten Quartal 2000 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres gerade mal um 5,3 Prozent gewachsen. So die jüngsten Zahlen von Marktforscher Dataquest, der für das erste Quartal 1999 noch ein Wachstum von 34,7 Prozent ausgewiesen hatte. Für Analyst Thomas Reuner ist das nach zwei Jahren eines hohen Wachstumsniveaus ein deutliches Zeichen: "Man tritt auf die Bremse." Dies treffe vor allem auf das Großkundengeschäft zu, wo bereits eine gewisse Sättigung zu beobachten sei. Denn der Corporate-Sektor habe besonders unter den Nachwehen des Y2K-Problems und der Abwartehaltung im Hinblick auf den NT-Nachfolger Windows 2000 zu leiden. Das sieht auch Alexander Brantl, Productline-Manager PC-Systems bei Ingram Macrotron, so: "Die Einbrüche im Großkundengeschäft berühren den klassischen PC-Handel nur wenig. Wir hatten trotz leichter Startschwierigkeiten ein erfolgreiches erstes Quartal. Und ich gehe davon aus, dass der PC-Markt in nächster Zukunft auf einem hohen Niveau weiterwachsen wird."

Das magische Wort "Replacement" ist der Hoffnungsträger aller. Vor dem Hintergrund der beginnenden Übersättigung im Firmenkundenmarkt ist allerdings schwer abzusehen, ob Windows 2000, wie von vielen Branchenkennern suggeriert, den PC-Karren in der zweiten Jahreshälfte wirklich wieder aus dem Dreck ziehen wird.

Manche Probleme sind laut Reuner aber auch selbst verschuldet. IBMs Schwierigkeiten im Retail-Geschäft, dem Apple seinen Aufstieg unter die Top-Ten verdankt, sind demnach zum Teil auf einen häufigen Wechsel der Account-Manager zurückzuführen. Hinzu kommen ein veraltetes Supply-Chain-Management und rechtlich bindende Verträge mit Partnern wie Comtech, die Reuner zufolge "von Anfang an wenig Sinn machten". Nicht umsonst hat Big Blue mit minus 22,5 Prozent im ersten Quartal 2000 unter den Top-Herstellern den größten Einbruch erlitten. Bei Fujitsu Siemens zog das laue Volumengeschäft den Q1-Absatz, wenn auch nur leicht, ebenfalls ins Minus. Der Einbruch von 4,8 Prozent wiegt aber umso schwerer, wenn man bedenkt, dass das japanisch-deutsche Joint-Venture 1999 mit vereinter Kraft noch ein fettes Plus von 36,4 Prozent vorweisen konnte. Ungewiss ist, wie sich der Führungswechsel im deutschen Management auf das Kundenverhalten auswirkt. Dass mit Paul Stodden ein Mister Nobody aus den eigenen Reihen die Wogen aus unterschiedlichen Unternehmenskulturen glätten und Missgunst zwischen den beiden Fusionspartnern aus dem Weg räumen sollte, damit hat sicherlich niemand gerechnet (siehe ComputerPartner 14/00, Seite 10). Auch Compaq musste, nachdem Eckhard Pfeifer weggelobt wurde (siehe ComputerPartner 7/00, Seite 30), Federn lassen, ist aber mit seinem CIA-Programm für Channel Assembly "auf dem richtigen Weg", wie Reuner es ausdrückte. Und auch vor Acer macht das Personalkarussell nicht Halt. Mit dem Weggang von Europachef Klaus Muuß und Deutschlandchef Andresen ist auch dort die Führungsspitze komplett ausgewechselt worden (siehe ComputerPartner 18/00, Seite 11). Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen hat der PC-Hersteller aus Taiwan zwar einen guten Stand, doch im Corporate-Sektor muss er laut Reuner noch einiges nachlegen, wenn er sein Ziel erreichen will, bis 2002 zur Nummer fünf in Europa aufzusteigen. Denn in Deutschland reicht es gerade mal für die Nummer sieben. Hewlett-Packard, europaweit Nummer vier, muss sich in Deutschland mit dem sechsten Platz begnügen, was Reuner darauf zurückführt, dass die Böblinger in Deutschland "nicht so aggressiv" sind.

Nicht nur der Margendruck macht den PC-Herstellern zu schaffen. Hinzu kommt auch die Konkurrenz durch andere Internet-fähige Produkte, angefangen von Information Appliances, WAP-Handys und Settop-Boxen bis hin zu neuen Spielekonsolen. Auf eindeutige Prognosen, wie der PC-Markt sich in der so genannten "Post-PC-Ära" entwickeln wird, will Reuner sich nicht festnageln lassen: "Wenn ich das wüsste, dann könnte ich mich wie ein Lottomillionär bald zur Ruhe setzen." Doch eines ist für den Analysten klar: "Der Markt wird fragmentiert werden, die Zentraleinheit wird aber bleiben. Fraglich ist nur, wie diese Zentraleinheit der Zukunft aussehen wird."

Auf den klassischen PC-Handel sieht Reuner schwierige Zeiten zukommen, wenn sich die Händler nicht nach neuen Geschäftsfeldern umsehen. Denn das Direktvertriebsmodell à la Dell wird von immer mehr Herstellern offen kommuniziert. "Der Retail-Handel wird überleben", dessen ist sich Reuner sicher. Im Hinblick auf die Vobis-Gruppe, die 1999 über 75 Prozent ihres Absatzes einbüßte, nennt Reuner den Erfolg von Aldi "ein Armutszeugnis für den deutschen IT-Handel." Kleineren PC-Händlern gibt er nur eine Überlebenschance, wenn sie sich mehr als Dienstleister aufstellen. Fraglich sei nur, wie viel der Kunde bereit ist, für Services zu bezahlen. (kh)

www.dataquest.com

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