Der Dominoeffekt: KCPs Fall bringt die IT-Branche ins Stolpern

19.09.2002
Der Wagnis-Kapitalgeber Knorr Capital Partner (KCP) hat sich auf die Finanzierung von IT-Unternehmen spezialisiert. Nun meldete KCP Insolvenz an. ComputerPartner fragte Finanznehmer aus der IT-Branche, welchen Einfluss der Fall des Anteilseigners auf ihr Geschäft und ihre Zukunft hat.

Nach Aussagen der Creditreform wird es dieses Jahr mindestens 40.000 Insolvenzen in Deutschland geben. Eine davon betrifft besonders die IT-Branche: Am 5. September stellte die Münchener Wagnis-Kapitalgesellschaft Knorr Capital Partner wegen drohender Zahlungsunfähigkeit Antrag auf Insolvenz. Das war das vorläufige Ende eines langen Siechtums. Die Aktieneinbrüche und das Massensterben visionärer Startups im Jahr 2001 hatten das Beteiligungsunternehmen schon lange finanziell ausgeblutet. Seit Anfang des Jahres reduzierte das Unternehmen sein Portfolio von 50 auf 30 Beteiligungen, verkaufte teilweise die Unternehmen, die zum Teil selbst insolvent geworden waren. Zuletzt saß die KCP auf mindestens 20 Millionen Euro Bankschulden.

Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite sind eben diese Beteiligungsgesellschaften. Die Aufgabe einer Kapitalgesellschaft ist es ja, Anteile von aufstrebenden Firmen zu kaufen, ihnen beim Aufbau und eventuell beim Börsengang zu helfen und die Anteile dann Gewinn bringend wieder zu verkaufen. ComputerPartner sprach mit ihnen über den Einfluss der KCP und deren Pleite auf ihr Unternehmen.

"Wir brauchten Ende 1999 nur Geld für das Branding, die Produkte waren schon da", berichtet Jürgen Lange, Gründer und Vorstand von Eccplus, Anbieter von CRM/EDM-Software für Energieversorgungs- und Industrieunternehmen in Europa. KCP hält 15 Prozent an dem Unternehmen. "Damals konnte man sich die Investoren noch aussuchen, und die Zusammenarbeit lief auch gut. Wir lieferten unsere monatlichen Reports ab und wurden ansonsten in Ruhe gelassen." Als jedoch 2001 ein großer Kunde insolvent wurde und seine Verbindlichkeiten nicht mehr zahlen konnte, war die Kooperation mit KCP schon gefährlich ruhig. "Das waren die ersten Signale, dass KCP uns in einer wirklich ernsten Situation nicht mehr helfen konnte", so Lange. Das Unternehmen überstand die Krise mit eigenen Mitteln. Die Vorstände verzichteten zeitweilig auf ihre Gehälter, und alle Mitarbeiter bauten das Kundennetz weiter aus. So umschiffte Eccplus die Klippe. Seitens KCP wurden keinerlei Gespräche geführt, selbst als die Situation immer kritischer wurde. Jetzt wartet man bei Eccplus auf die Entscheidung des Insolvenzverwalters. Die Gesellschafter haben Vorkaufsrecht und sind am möglichen Rückkauf interessiert.

Ähnlich gelassen reagieren auch Klaus Frese, Geschäftsführer der Münchener Vipcom GmbH, und Oliver Niedermayer, CEO der Münchener Pepper Technologies AG. Beide Unternehmen sind schon länger im Markt und können aus eigener Kraft überleben und sogar profitabel wachsen.

Pepper Technologies bestand beispielsweise bereits zwei Jahre, bevor für den Ausbau des Services Extrakapital benötigt wurde. KCP beteiligte sich mit 19,2 Prozent. Der Cash Flow wurde jedoch ganz altmodisch durch die Kunden und die eigene Leistung finanziert, wie Niedermayer erklärt. "Alle Firmen, die allein für Venture Capital geboren werden, sind tot - und die meisten zu Recht."

Viele Wachstumsunternehmen haben sich in seinen Augen viel zu früh um Finanzmärkte gekümmert, statt um Produktmärkte. Und die VCs haben nur an den profitablen Börsengang gedacht. Und er zitiert Helmut Thoma, Ex-RTL-Chef und Aufsichtsrat der Pepper Technologies: "Umsatz- und Mitarbeiterzahlen dienen der Eitelkeit, der Gewinn dient der Vernunft."

Nun wartet Niedermayer erst einmal auf die Verfügung des Insolvenzverwalters. Er hätte gern Kontrolle über die Auswahl des potenziellen Aktionärs, denn es sollte schon ein sinnvoller Aktionär sein. Aber man hätte nichts zu verlieren, da das Unternehmen auch so wächst und Gewinne abwirft.

Schluss, Aus, Ende

So gut geht es aber nicht allen. Einige der KCP-Beteiligungsunternehmen kämpfen ums nackte Überleben, manche versuchen, den Schaden für ihre Geschäftspartner so gering wie möglich zu halten. Und andere sind schon längst Geschichte.

Im Frühjahr war es für die Plan + Design Netcare AG vorbei. Hier hielt KCP 14 Prozent. Ende Mai musste auch die Mobizz International GmbH in Stuttgart Insolvenz anmelden. Auch die Inforvision AG, an der KCP über die 100-prozentige Tochter IT-Adventure AG mit 30,7 Prozent beteiligt war, gibt es nicht mehr. Einige wenige Mitarbeiter und der Gründer Alexander Möller versuchen, mit einer Spin-off-Gesellschaft weiterzumachen beziehungsweise noch einmal neu zu starten. Die AG wurde liquidiert, der Source-Code verkauft, um die Schulden zu zahlen. "Wir haben es geschafft und wollen nun den Source-Code zurückkaufen und als Gesellschaft für Softwarebetreuung weitermachen", berichtet Möller.

Bei anderen ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Am 22. August war es für die Egeo GmbH vorbei. KCP war mit stattlichen 45,6 Prozent an dem Startup (gegründet April 2001) beteiligt. Egeo entwickelte ein Kommunikations- und Navigationsgerät für den Handspring Visor. "Nur einen Monat vor Produktstart haben wir Insolvenz beantragen müssen", berichtet Marion Friedl, Geschäftsführerin der Egeo und der Elito Electronic, die ebenfalls mit 28 Prozent an dem Joint Venture beteiligt war. "Wir versuchten alles, neue Investoren zu finden, aber vergeblich. Und da die Gelder von KCP teilweise verspätet oder nur in kleinen Raten kamen, haben wir sicherheitshalber frühzeitig Insolvenz angemeldet, um keinem Geschäftspartner zu schaden."

Gertraud Hielscher von KCP gibt den schwarzen Peter an Egeo zurück. Der Kapitalgeber hätte eben nicht alle Firmen am Leben halten können, und Egeo hätte die vereinbarten Meilensteine nicht erfüllt. Das bestätigt Egeo-Geschäftsführerin Friedl: "Es gab die eine oder andere Schwierigkeit bei der Produktion oder mit einem Zulieferer. Also kam es zu Verzögerungen. Andererseits erhielten wir die zugesagten Geldmittel nur teilweise oder zu einem späteren Zeitpunkt, und wieder kam es zu Verzögerungen."

Glücklicherweise können alle Egeo-Mitarbeiter von Elito Electronic übernommen werden. Das Peg-nitzer Unternehmen hat die Insolvenzwelle überstanden, aber mit einem dunkelblauen Auge. "Der gesamte Jahresgewinn 2001 von Elito Electronic ist draufgegangen", so Friedl. "Aber trotz der Ausbuchung schreiben wir noch schwarze Zahlen."

www.kcp.de

ComputerPartner-Meinung:

Es ist ein Trauerspiel: In den Boom-Zeiten von 1999 wurde so viel Geld in Startups investiert, in der Hoffnung, durch den Börsengang in kurzer Zeit noch mehr Geld zu verdienen. Doch gerade jetzt, wo sich Partnerschaften in schlechten Zeiten bewähren müss-ten, werden Mängel wie fehlendes kaufmännisches Know-how, fehlende Liquidität und fehlendes Vertrauen offenbart. Laut Creditreform besaßen die Firmen, die in diesem Jahr bereits Insolvenz beantragen muss-ten, durchschnittlich gerade einmal sieben Prozent Eigenmittel. Da bedeutet schon der kleinste Schnupfen des Geldgebers Lebensgefahr für den Geldnehmer.

Worauf man sonst noch bei der Wahl des Partners achten sollte, erfahren Sie im Gastkommentar auf Seite 10. (go)

Zur Startseite