Der gute Draht zum Kunden - und wie man ihn herstellt

18.11.1999
DILLINGEN: Den guten Kontakt zum Kunden hält man Tag für Tag. Aber hin und wieder gibt es auch die Besonderheiten, zum Beispiel Kundenveranstaltungen. Walter Berchtenbreiter, Geschäftsführender Gesellschafter der Reitzner Bürozentrum GmbH in Dillingen, stellte im Rahmen der 23. Arbeitstagung des "Forum Bürowirtschaft" Anfang September Beispiele aus der Praxis vor. ComputerPartner veröffentlicht seine Rede leicht gekürzt.

Dillingen, meine Geburts- und Heimatstadt, ist eine frühere Bischofs- und Universitätsstadt mit 14.000 Einwohnern, inklusive der Eingemeindungen sind es 18.000. Unser Landkreis zählt etwa 80.000 Bürger, die Nachbarlandkreise Donau-Ries und Günzburg, die von uns bearbeitet werden, sind etwa gleich groß.

Alle drei Landkreise sind von ländlicher Struktur - von Handwerk, Freiberuflern und kleinen mittelständischen Betrieben geprägt. Größere Unternehmen sind an einer Hand abzuzählen.

In diesem Umfeld arbeitet unsere Firma seit nach dem zweiten Weltkrieg. Um unser Wachstum und unsere Zukunft zu sichern, eröffneten wir Mitte der 80er Jahre im etwa 50 Kilometer benachbarten Augsburg eine Niederlassung. Laut GfK haben wir in unserem Arbeitsgebiet eine Branchen-Wettbewerbsdichte, die sich im oberen Bereich des ersten Drittels der Bundesrepublik befindet.

Im Reitzner-Bürozentrum arbeiten etwa 70 Mitarbeiter, davon zur Zeit elf Azubis. Wir legen seit jeher größten Wert auf unseren eigenen Nachwuchs, was zur Konsequenz hat, daß die Mehrzahl unserer Mitarbeiter bei uns ihre berufliche Laufbahn begann.

Organisatorisch ist unsere Firma in vier Teams aufgeteilt, nämlich ITK, Kopie, Büroeinrichtung und Bürobedarf, was in dieser Reihenfolge auch den erzielten Umsätzen entspricht. Im vergangenen Geschäftsjahr (30.6.) konnten wir etwa 26 Millionen Mark umsetzen. Unser Dienstleistungsanteil beträgt 25 Prozent. Des weiteren betreiben wir seit Jahrzehnten eine eigene Miet- und Leasing GmbH, über die wir alle Mietgeschäfte abwickeln. Die Berchtenbreiter und Pausewang Grundstücks- und Verwaltungs GbR schließt unser System der Betriebsaufspaltung ab.

MAN KENNT SICH

Jeder Standort hat sicherlich seine Vor- und Nachteile. Die ländlichen Gebiete besitzen den Vorteil der Überschaubarkeit, des Familiencharakters. "Man kennt sich." Von der Schule, den Sportvereinen, vom Rotaryclub, den Gremien wie IHK, Wirtschaftsvereinigung, der Werbegemeinschaft, aber auch vom Schulbeirat, der Kirchengemeinde oder von Festausschüssen, die Veranstaltungen für die Öffentlichkeit durchführen.

Bei all diesen Gruppierungen sind wir direkt - also selbst - oder indirekt über unsere Mitarbeiter vertreten. Natürlich ist das bei den anderen Unternehmen aus unserer Region genauso gegeben - also bei unseren Kunden - mit dem Ergebnis, daß man häufig Kontakte außerhalb der normalen Geschäftsbeziehung unterhält. "Man kennt sich eben."

Das Beziehungsgeflecht zu unseren Kunden oder möglichen Kunden kann und darf nicht beschränkt sein auf "Waren gegen Geld". Wir brauchen eine Beziehung der Unternehmer zueinander sowie der Mitarbeiter der jeweiligen Unternehmen zueinander. Wir wollen Freunde! Das ist unsere Philosophie seit jeher.

Da unsere Mitarbeiter in diese Philosophie und deren Umsetzung immer eingebunden waren und sind und, wie bereits eingangs erwähnt, der Löwenanteil unserer Mitarbeiter in sehr jungem Alter zu uns kam und bei uns blieb, wird diese Reitzner-Philosophie quasi mit der "Muttermilch" verabreicht. Wir haben wenig Probleme, unseren Mitarbeitern bewußt zu machen, wie wichtig der Kunde für uns ist und daß neben maximaler Leistung, die wir zu bringen haben, der zwischenmenschliche Kontakt gleichrangig umzusetzen ist.

Natürlich schulen wir unsere Mitarbeiter intern. Natürlich kommunizieren wir intern. Über Lotus Notes sind nahezu alle Mitarbeiter intern miteinander verbunden. Einmal pro Quartal trifft sich jedes Team zur Besprechung. Neben allgemeinen und aktuellen Themen stehen zwei Themenbereiche als Pflicht auf jeder Agenda.

- Kundenbeziehung der jüngsten Vergangenheit (gute/schlechte Beispiele)

- Qualitätsmanagement nach DIN ISO (Verbesserung/Weiterentwicklung)

Jährlich laden wir zu einer oder zwei Betriebsversammlungen ein. Neben der

- Berichterstattung über Vergangenes,

- der Analyse des gesamten Zahlenmaterials,

- der Information und Diskussion über geplante Aktionen sowie

- Ausbildungsmaßnahmen

nehmen einen Schwerpunkt die bekannten Themen Kundenbeziehung und Qualitätsverbesserung ein.

IMMER WIEDER NEU: DIE EIGENE HAUSMESSE

Nun zum eigentlichen Thema: "Kundennnetzwerke: Chanchen im regionalen Markt."

Mit dem Begriff Kundennetzwerke ist nicht der Aufbau eines klassischen Netzwerkes bestehend aus Hard- und Software und Verkabelung gemeint, sondern ein zwischenmenschliches Netzwerk zu unseren Kunden. Beispielhaft werde ich Ihnen einige Events vorstellen, die wir in der Vergangenheit durchführten. Veranstal- tungen, die Wiederholungscharakter haben und solche, die in ihrer Art einmalig sind und auf den jeweiligen Anlaß abgestimmt werden, mit welchen Zielsetzungen und mit welchen Ergebnissen wir planen.

Die wichtigste Jahresveranstaltung - und das seit über 25 Jahren - ist unsere Hausmesse/Cebit-News/Zukunft Büro, wie immer man dazu sagen will. Ziel ist, uns dem Besucher als kompetenten Partner und Problemlöser zu präsentieren, Vertrauen zu wecken und die Entscheidungsebene zu einem Teil von Kopf auf den Bauch zu transferieren.

Um Kunden und Interessenten überhaupt in unser Haus zu bekommen, suchten wir vor über zwei Jahrzehnten sehr aufwendig Adressen, selektierten sie und machten die richten Ansprechpartner ausfindig. Das Einladungsschreiben in ein weißes A4-Kuvert gesteckt, die Adressen mit Hand geschrieben und mit Briefmarken versehen. Über solch immens aufwendige Vorgehensweisen hatten wir bis heute kein Problem mit der Besucheranzahl. Natürlich praktizieren wir das aufwendige Adreßschreiben von Hand seit Jahren nicht mehr. Zu Anschub in den Anfangsjahren war dies jedoch eine optimale Vorgehensweise.

An drei Tagen können wir maximal 280 bis 300 Firmen mit etwa 500 bis 600 Besuchern bewältigen. Seit Jahren ist dies auch die erreichte Quote.

Jede Hausmesse hat ein Thema, so zum Beispiel 1998 "Formel Eins" also modern, im Trend, High-Tech, jung, Zukunft! Vom Text der Einladung über die Dekoration, Bezeichnung bestimmter Stände oder Produktgruppen, Wege zur Cafeteria (Boxengasse) bis zu einem Gewinnspiel muß sich das Messethema durchziehen. Über einen riesigen Bildschirm wurde eine Formel-Eins-Strecke eingespielt. Lenkrad, Gas und Bremse waren aufgebaut.

DAS A UND O: DIE GUTE VORBEREITUNG

Der Kunde durfte eine Proberunde fahren, und die folgenden zwei Runden wurden gewertet, die schnellste Zeit pro Runde festgehalten. Nach drei Tagen standen die drei Sieger fest. Zur Übergabe der Preise wurden die Gewinner nochmals eingeladen und die Preise im Beisein der Presse übergeben. Der Spieltrieb von Erwachsenen ist nicht zu unterschätzen!

Die gesamte Vorbereitung läuft exakt nach Terminplan. Etwa sechs Monate vor Veranstaltung wird der Messetermin festgelegt und an alle Mitarbeiter publiziert (Urlaubssperre). Knapp vier Wochen vor Veranstaltung (an einem Montag oder Dienstag) werden die Einladungen verschickt. Alle Einladungen sind persönlich adressiert. Zwei Wochen hat der Kunde nun Zeit, die beiliegende Antwort/Anmeldung an uns zurückzufaxen/schicken.

Etwa 100 Rückantworten mit fest eingetragenen Terminen erhalten wir innerhalb der ersten beiden Wochen nach Einladungsversand. Acht Tage vor und bis zu Beginn der Messe telefonieren alle Verkäufer sowie einige Sachbearbeiter mit Kunden und Interessenten, nach Prioritätenliste. Ziel ist, daß sich der Kunde auf Tag und Uhrzeit festlegt.

Die täglich ergänzte Liste mit allen festen Terminen wird an die Telefonierer verteilt. Tageszeiten, die nach und nach überbesetzt sind (10 bis 12 und 14 bis 16 Uhr) müssen dann gemieden werden. Den Kunden wird erklärt: "Wir wollen Zeit für sie haben, kommen Sie doch bitte um 9 oder um 13 Uhr." Jeder Kunde, der einen Termin zugesagt hat, erhält einen Tag vor seinem Besuch eine Terminbestätigung, die ihn nochmals erinnern, aber auch moralischen Druck ausüben soll.

Von den festen Terminzusagen fallen etwa 20 Prozent entschuldigt, wenige unentschuldigt aus. Etwa die gleiche Anzahl von Besuchern kommen unangemeldet. Im Vorfeld laufen keine Presseberichte (geschlossene Veranstaltung). Das erforderliche Personal für Beratung, Empfang mit Gästebuch, Verabschiedung, Giveaways, Geschenke, als Springer, der Service in der Cafeteria kann somit exakt festgelegt und geplant werden. Die Verpflegung - zum Beispiel Weißwürste vormittags und Buffet bis zum Kuchen nachmittags - kann entsprechend koordiniert werden. Mehrmalige frische Anlieferung pro Tag ist notwendig.

Jeder Mitarbeiter muß jedes geführte Kundengespräch auf einem Messebericht festhalten. Somit können über einen Besucher bis zu sechs Besucherberichte von unterschiedlichen Mitarbeitern vorliegen. Am Tag nach der Messe sitzen alle während der Hausmesse eingesetzten Mitarbeiter zur Auswertung jedes einzelnen Kundengespräches und Festlegung der weiteren Vorgehensweise zusammen.

IDENTIFIKATION MIT DER VERANSTALTUNG

Die gesamte Veranstaltung und ihre Durchführung wird von eigenen Mitarbeitern geplant und umgesetzt. Wir arbeiten grundsätzlich nicht mit externen Anbietern. Das notwendige Herzblut, die richtige Einstellung und vor allen Dingen unsere Denke muß beim Kunden ankommen. Die Identifikation unserer Mitarbeiter mit der jeweiligen Veranstaltung bis hin zum maximalen Erfolgserlebnis ist damit gewährleistet. Selbst bei den Mitarbeitern unserer Lieferantenfirmen haben wir etwas Probleme mit deren Einstellung und Arbeitswillen. Aus diesem Grunde bitten wir nur bestimmte Personen um Unterstützung während unserer Messe.

Wir haben in der Zwischenzeit nicht nur eine Informationsmesse, sondern auch eine Kommunikationsplattform für unsere Kunden untereinander geschaffen. So verabreden sich zum Beispiel Kunden nach Erhalt unserer Einladung untereinander. Irgendwann lernten sie sich auf einer unserer Veranstaltungen kennen und nehmen unsere Messe als Gedanken- austausch bei einem gemütlichen Drink in unserer Cafeteria zum Anlaß.

Für uns ist das ein maximaler Erfolg. Man trifft sich eben - zumindest einmal im Jahr im Reitzner-Bürozentrum.

Weitere Reitzner-Veranstaltungen schildere ich nun nicht mehr so ausführlich, weil diese nach dem gleichen aufwendigen Strickmuster ablaufen.

FUSSBALL MIT FRANZ BECKENBAUER

Zur Eröffnung unseres Bürozentrums 1984 hatten wir drei Tage eingeplant. Am ersten Tag kamen Ehrengäste, Honoratioren, Kunden, Lieferanten und Banker. 500 Gäste im eigens dafür errichteten Festzelt waren anwesend. Festredner war der damalige Bundesaußenminister, Vizekanzler und Parteivorsitzender der FDP, Hans Dietrich Genscher.

Der zweite Tag war für die Öffentlichkeit bestimmt. Wir hatten rund 3.000 Besucher, Würstchen und Bier gab es für eine Mark. Das Highlight am dritten Tag war ein Fußballspiel mit der WM-Mannschaft von 1974. Und die war mit den Herren Beckenbauer, Hoeness, Netzer, Overath, Sepp Maier, Hölzenbein und so weiter komplett angetreten. Unsere dagegengestellte Mannschaft bestand aus Männern unseres gesamten Kunden- und Einzugsbereiches, die früher regionale Bedeutung beim Fußball hatten und die zum Ver- anstaltungszeitpunkt in für uns wichtigen Positionen waren (Entscheider). Für diese Herren war dies der Höhepunkt ihrer Sportkarriere, und sie erzählen noch heute mit leuchtenden Augen davon, daß sie mal gegen Franz Beckenbauer gespielt haben.

Wir hatten rund 8.000 Besucher, der Erlös von 40.000 Mark ging an die Franz-Beckenbauer-Stiftung.

Selbstverständlich war die regionale Presse in diese Aktivitäten mit eingebunden. Wir hatten vor und nach der Veranstaltung rund 60 Presseberichte - inklusive eines Interviews mit Franz Beckenbauer, der sich bei dieser Gelegenheit auch gleich in das Goldene Buch der Stadt Dillingen eintrug.

KULTUR - WARUM NICHT?

Über die Büro Actuell konnten wir Minoru Tominaga verpflichten. Erstmalig führten wir ein Reitzner-Forum durch und hatten bis dorthin keinerlei Erfahrung. Insbesondere hatten wir keine Vorstellung davon, mit wie vielen Besuchern wir rechnen sollten. Wir hatten die Möglichkeit zwischen der Stadthalle mit rund 650 Plätzen oder einem kleinen Saal mit 150 Plätzen. Wir entschieden uns für die Stadthalle.

Und unser Mut wurde belohnt. Von den 3.000 eingeladenen Personen meldeten sich 746 Personen an, am Abend waren wir dann knapp 600.

Die Resonanz unserer Gäste nach der Veranstaltung, die durch einen kleinen Imbiß abgerundet wurde, war enorm. Es war für uns ein großer Imagegewinn, zumal auch die Presse sehr positiv berichtete.

WEIHNACHTSBAUMAKTION DEZEMBER 1998

Im vergangenen Jahr luden wir ausgewählte Kunden mit Familie dazu ein, sich in Ruhe einen Weihnachtsbaum auszusuchen. Dazu hatten wir in unserem Innenhof drei Marktstände aufgebaut, wo Glühwein, Kaffee, Punsch, Tee, Weihnachtsgebäck und Grillwürste serviert wurden. Zudem gab es Nikolausgeschenke für Kinder.

Es waren rund 100 Besucher anwesend, die Veranstaltung dauerte von 17 bis 20 Uhr. Die Weihnachtsbäume wurden eine Woche vor Weihnachten von uns jeweils nach Hause angeliefert.

Das war ein kleiner Querschnitt unserer Aktivitäten zum Thema "Kundennetzwerke - Chancen im regionalen Markt".

Die meisten Veranstaltungen kosten nicht viel Geld (zum Teil gibt es auch einen Zuschuß von Lieferanten), sind jedoch sehr aufwendig an Zeit für unsere Mitarbeiter. Solche Aktivitäten muß man machen wollen, man muß Spaß dabei haben, den der Besucher auch spüren kann und wird.

Bei keiner Veranstaltung, auch nicht bei unserer Jahresmesse, darf der Kunde das Gefühl haben, daß er kaufen muß. Vorbereitete Geschäfte werden sehr wohl abgeschlossen, aber in der Euphorie der Gesamtstimmung wird kein Auftrag erzwungen. Unser Besucher soll gerne kommen, vor allen Dingen wiederkommen, auch wenn er keinen aktuellen Bedarf hat.

Auf Grund des weitläufigen Gebietes nimmt so mancher Kunde eine bis anderthalb Stunden Anfahrt in Kauf. Es ist nicht außergewöhnlich, wenn ein halber bis ein ganzer Arbeitstag dafür geopfert wird. Dafür müssen wir ihm diese Zeit mehr als angenehm und informativ gestalten.

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