Geiz ist geil

Der Handel digitalisiert auf Sparflamme

22.06.2017
Drei Viertel der deutschen Groß- und Einzelhändler sehen sich als Nachzügler in Sachen Digitalisierung, so eine Umfrage des ITK-Branchenverbands Bitkom. Mit Cloud Computing und modernen Analytics-Tools hat demnach nur eine Minderheit zu tun.
 
  • Quelle und Wöhrl zeigen, was passiert, wenn die Digitalisierung verschlafen wird
  • Künstliche Intelligenz, Drohnen, Virtual Reality - Fehlanzeige!
  • Same Day Delivery wird schon oft umgesetzt

Der Bitkom hat in einer repräsentativen Umfrage 530 Händler - davon 343 sowohl im stationären als auch im Online-Handel aktiv - befragt. Das Ergebnis ist ernüchternd. 77 Prozent der Groß- und Einzelhändler bezeichnen sich demnach als "Nachzügler" in der digitalen Transformation, elf Prozent haben noch nicht einmal eine eigene Homepage. Von den 187 Unternehmen, die nur im Offline-Handel unterwegs sind, hat ein Drittel keinen eigenen Internet-Auftritt.

Viele Händler sehen sich als digitale Nachzügler
Viele Händler sehen sich als digitale Nachzügler
Foto: Bitkom

Gut zwei Drittel der Händler, die sowohl online als auch im Laden verkaufen, bieten über beide Kanäle exakt das gleich an. Nur sechs Prozent haben im Netz ein größeres Angebot präsent. Jeder zehnte Händler bietet seine Waren im Internet günstiger an als im Laden. Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Bitkom, warnt: "Dass auch vermeintlich erfolgreiche und etablierte Unternehmen ohne echte Digitalstrategie schnell ins Schlingern geraten können, dafür gibt es in Deutschland immer wieder Beispiele wie etwa Wöhrl und Quelle."

Wer neben einem stationären Geschäft auch einen Online-Shop betreibt, macht mehr Umsatz. Die Hälfte der Befragten erzielen bis zu 30 Prozent ihrer Einnahmen im Web, weitere 27 Prozent sagen, sie erzielen bereits 30 bis 50 Prozent ihrer Erlöse im Netz. Mehr als die Hälfte der Umsätze erzielt immerhin schon jeder zehnte Händler (elf Prozent) im Web.

Cloud und Big Data - in Ansätzen

Geht es um die Unterstützung der Geschäftstätigkeit mit Software, ergibt sich ein gemischtes Bild. Rechnungen werden heute überwiegend elektronisch verschickt (66 Prozent) und jeweils 49 Prozent haben ein Warenwirtschaftssystem in Echtzeit im Einsatz und können Sendungen digital verfolgen. Überraschend gering ist das Interesse an Cloud-Lösungen, die nur von gut einem Drittel genutzt werden, und an Big Data/Analytics (22 Prozent). Potenziell disruptive Technologien wie Virtual Reality, Drohnen, Roboter oder Künstliche Intelligenz sind bei 90 Prozent der Händler und mehr noch nicht angekommen.

Schnelle Lieferfähigkeit ist wichtig

Angesichts der digitalen Zurückhaltung überrascht es, wie ambitioniert die Händler sind, wenn es darum geht, konkrete digitale Services für die Kunden zu erbringen. Diejenigen, die sowohl stationär als auch online aktiv sind, bieten zu immerhin 52 Prozent die Möglichkeit, Waren noch am Tag der Bestellung zu liefern (Same Day Delivery). Elf Prozent schaffen das sogar innerhalb einer Stunde, wenn es denn die Entfernung zum Kunden zulässt. Die meisten Händler, die derzeit noch nicht so weit sind, planen entsprechende Services. Waren im Internet bestellen und dann versandkostenfrei in den Läden abholen (Click & Collect) können Kunden sogar schon bei 54 Prozent der Händler, weitere 17 Prozent stecken in entsprechenden Vorbereitungen.

E-Mail (96 Prozent) und Telefon (84 Prozent) bestimmen indes ganz klassisch die Kommunikation mit den Kunden. An Video- und Text-Chats oder Messaging-App-Services hat der Handel kaum Interesse. Umso überraschender die Aussage von 83 Prozent der Befragten, dass sie die einfachere Kommunikation mit dem Kunden sowie mit den Geschäftspartnern (65 Prozent) als großen Vorteil der Digitalisierung sehen. Auch die digitalen Bestellmöglichkeiten bei Lieferanten werden als Vorteile gesehen, die das Alltagsgeschäft im Handel vereinfachen. Als abschreckend empfinden viele Händler den hohen Aufwand für Datenschutz (86 Prozent) und die hohen Investitionskosten (81 Prozent).

Die Kassen werden verschwinden

Die Umfrageteilnehmer wurden gebeten, in das Jahr 2030 vorauszuschauen. Rund zwei Drittel glauben, dass dann das Bezahlen in einem Laden oder Supermarkt nicht mehr an der Kasse, sondern automatisch beim Verlassen des Geschäfts erfolgen wird. Außerdem erwarten 53 Prozent, dass Waren bis dahin im stationären Handel auch über Virtual Reality erlebbar sein werden. Den Laden als "Showroom". Indem Produkte getestet und anschließend online im Shop des Händlers erworben werden können, sehen 61 Prozent. (hv)

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