Der Kampf um die Floppy-Nachfolge ist voll entbrannt: Wenn drei sich streiten...

04.11.1997
MÜNCHEN: Jahrelang haben die Hersteller von Speicherprodukten die Notwendigkeit der Weiterentwicklung des Diskettenlaufwerkes ignoriert. Der Überraschungserfolg von Iomega mit seinen ZIP-Produkten hat zu einer Kehrtwende und zu hektischer Betriebsamkeit geführt. Aktuell kämpfen Iomega, Masushita Kotobuki Electronics (MKE) und Mitsumi um die Akzeptanz ihrer Produkte als Floppy-Nachfolger.Judith Brenke, ehemals als Produktmanager bei 3M für Disketten und optische Speichermedien zuständig, bringt es auf den Punkt. Als Anachronismus bezeichnete sie kurz und treffend die Situation des Diskettenlaufwerks. Die Speicherkapazität wurde seit seiner Markteinführung 1984 von 360 Kilobyte gerade einmal um den Faktor vier auf heute 1,44 Megabyte gesteigert.

MÜNCHEN: Jahrelang haben die Hersteller von Speicherprodukten die Notwendigkeit der Weiterentwicklung des Diskettenlaufwerkes ignoriert. Der Überraschungserfolg von Iomega mit seinen ZIP-Produkten hat zu einer Kehrtwende und zu hektischer Betriebsamkeit geführt. Aktuell kämpfen Iomega, Masushita Kotobuki Electronics (MKE) und Mitsumi um die Akzeptanz ihrer Produkte als Floppy-Nachfolger.Judith Brenke, ehemals als Produktmanager bei 3M für Disketten und optische Speichermedien zuständig, bringt es auf den Punkt. Als Anachronismus bezeichnete sie kurz und treffend die Situation des Diskettenlaufwerks. Die Speicherkapazität wurde seit seiner Markteinführung 1984 von 360 Kilobyte gerade einmal um den Faktor vier auf heute 1,44 Megabyte gesteigert.

Ruft man sich in Erinnerung, daß zum damaligen Zeitpunkt die Festplattenkapazität sagenhafte 20 Megabyte betrug und aktuelle Festplatten mit der hundertfachen Kapazität, sprich zwei Gigabyte, heute fast schon zur Grundausstattung eines Home-PCs gehören, erscheint Iomegas Überraschungserfolg mit seinen ZIP-Produkten nicht mehr ganz so überraschend.

Egal ob zur Datensicherung, zur Datendistribution oder zur Auslagerung selten genutzter Daten von der Festplatte. Der Bedarf an einem einfachen, preiswerten Wechselmedium mit einer Kapazität von mindestens 100 Megabyte ist da. Mehr als fünf Millionen weltweit verkaufte ZIP-Laufwerke in weniger als zwei Jahren sind ein deutlicher Nachweis dafür. "Aufgrund der großen Nachfrage sowohl von Geschäfts- als auch von Privatkunden bieten nahezu alle führenden Desktop-PC-Hersteller unser ZIP-Laufwerk an", konnte Kim B. Edwards, Präsident und CEO der Iomega Corporation, stolz anläßlich der diesjährigen CeBIT vermelden. Apple, AST, Compaq, Dell, Gateway, Hewlett-Packard, IBM, Micron, Packard Bell/NEC, Power Computing oder Unisys, alle haben das Laufwerk in einigen ihrer Rechnermodelle standardmäßig oder zumindest optional integriert.

Das selbst fünf Millionen verkaufter Geräte nur einen Bruchteil des tatsächlichen Marktpotentials abdecken, haben inzwischen auch andere Hersteller erkannt. Zwei ernsthafte Konkurrenten kristallisieren sich heraus. Während Matsushita Kotobuki Electronics (MKE) auf die Kraft strategischer Allianzen setzt und sich mit 3M/Imation und Compaq potente Partner gesucht hat liegt Mitsumis Strategie noch weitgehend im Dunkeln.

Zwei Tatsachen sind allen Beteiligten klar. Eile ist geboten. Aufgrund der schnellen Weiterentwicklung bei Festplatten, CD-ROM-Laufwerken und anderen optischen Speichern wird das Zeitfenster für die erfolgreiche Markteinführung eines Floppy-Nachfolgers immer kleiner. Und, als global eingesetztes Wechselmedium, kann es für den Floppy-Nachfolger nur einen einzigen weltweit verbindlich festgelegten Standard geben. "The winner takes it all," lautet also das Motto.

Iomega baut Vertriebskanäle aus

Führende Marktposition festigen und Vertriebskanäle erweitern heißt die Taktik von Iomega. Dabei verfolgt Iomega eine Doppelstrategie. Neben dem traditionellen Fachhandelskanal soll auch der OEM-Vertrieb massiv ausgebaut werden. Im Fachhandelsbereich steht der Ausbau des europäischen Marktes im Vordergrund. "Europa, mit der steigenden Nachfrage der Kunden nach unseren Desktop-Speicherlösungen, stellt für Iomega einen dynamischen Markt dar", sagt Ajay Berman, Iomegas Sales Manager für pan-europäische Vertriebsaktivitäten. Anläßlich der CeBIT verkündete Iomega ein offizielles Abkommen mit nicht weniger als fünf pan-europäischen Vertriebspartnern. Computer 2000, Ingram Micro, CHS, Actebis und Karma werden die Iomega-Speicherprodukte europaweit vermarkten.

Iomegas erklärtes Ziel, Zip als "Super-Floppy"-Standard zu etablieren, soll durch ein neues, internes ATAPI- Zip-Laufwerk weiter forciert werden. Das ATAPI-Laufwerk paßt in alle konventionellen PC-Einschübe und kann, ähnlich einem CD-ROM-Laufwerk, über die ATAPI-Schnittstelle betrieben werden. Ab dem zweiten Quartal 97 verstärkt Iomega damit massiv seine Chancen im OEM-Bereich, bei VARs (Value Added Reseller) und Systemintegratoren. Dieser Meinung ist auch Phil Devin, Vizepräsident des Marktforschungsinstitutes Dataquest. "Mit der BIOS-Unterstützung des neuen ATAPI-Zip-Laufwerks wird Iomegas Gleichung, mit dem Ergebnis der Standardisierung von Zip, aufgehen. Das neue Produkt entspricht genau den Bedürfnissen der OEMs und Systemintegratoren."

Iomega gibt sich nicht mehr so optimistisch

Deutlich zurückhaltender gibt sich Iomega selbst. Ungewöhnlich sind Anmerkungen in den offiziellen Iomega-Pressemitteilungen zur CeBIT. Dort weist Iomega ausdrücklich darauf hin, daß die Bezeichnung des Zip-Laufwerks als neuer "Super-Floppy"-Standard sowie die gemachten zeitlichen Angaben zur Vefügbarkeit interner Zip-ATAPI-Laufwerke optimistische Einschätzungen sind. Wörtlich heißt es dort: "Es gibt eine Reihe wichtiger Faktoren, die dazu führen können, daß die tatsächliche Entwicklung völlig anders verläuft als derzeit voraussehbar. Hierzu gehören die Marktakzeptanz sowie die Nachfrage nach den Laufwerken und Disketten des Unternehmens, Produktions- und Entwicklungsfragen, Preisstellung, Wettbewerb, und andere Risiken."

Ob Iomegas Zurückhaltung mit ihrer neuesten Entwicklung, der "nhand-Technologie" (siehe auch ComputerPartner Nr. 5/97 Seite 17) zusammenhängt, bleibt offen. Dabei handelt es sich um eine Miniaturdiskette, halb so groß wie eine Visitenkarte, mit einer Speicherkapazität von 20 Megabyte. Eingesetzt werden könnte sie in portablen Geräten wie digitalen Kameras, Mobiltelephonen, PDAs (Personal Digital Assistant) oder Computerspielen. Bei der rasanten Entwicklung, die im Bereich dieser mobilen elektronischen Produkte zu erwarten ist, hat Iomega hiermit ein zweites Eisen im Feuer. Erste Geräte, die "nhand" unterstützen, sollen bereits im zweiten Halbjahr 1997 erhältlich sein.

MKE setzt auf Abwärtskompatibilität zu bisherigen Floppy-Standards

Iomegas Vorsprung hinsichtlich bestehender Marktpräsenz setzt Konkurrent MKE zwei Argumente entgegen. Erstens ist das LS-120 mit 120 Megabyte dem Zip-Laufwerk im Hinblick auf die Speicherkapazität überlegen, zweitens setzt MKE im Gegensatz zu Iomega auf eine 100prozentige Abwärtskompatibilität zu bestehenden Floppy-Standards.

Nach Schätzungen wurden 1996 weltweit mehr als 80 Millionen Diskettenlaufwerke und etwa vier Milliarden Disketten verkauft. Das Argument "Abwärtskompatibilität" könnt sich bei der Diskussion um einen neuen Floppy-Standard als Knackpunkt erweisen. Die LS-120-Technologie ist eine Gemeinschaftsentwicklung von vier Unternehmen. Neben MKE zählen dazu 3M/Imation, Compaq und das US-Unternehmen O.R. Technology. Offiziell im Frühjahr 1996 vorgestellt und eines der CeBIT-Highlight des letzten Jahres, blieb dem Produkt bisher der große Durchbruch versagt. Weiterentwicklungen und der Ausbau strategischer Partnerschaften sollen dem LS-120 auf die Sprünge helfen. Eine treibende Kraft ist dabei O.R.Technology, die ihrem LS-120 Laufwerk, dem FD3120A - a:drive, zur diesjährigen CeBIT das erste

LS-120-Slim-Line-Laufwerk folgen ließen. Das neue Laufwerk mit der Bezeichnung FD-2120A - a:drive erfüllt hinsichtlich Formfaktor, Betriebstemperatur und Stromverbrauch alle Industrieanforderungen für den Notebook-Einsatz. Partner bei der Herstellung der Laufwerke von O.R. Technology sind Kaifa Group, Mitsubishi Electric Corp. und Maxell.

Mit Mitsubishi hat die LS-120 Allianz einen neuen wichtigen Kooperationspartner. Seit dem 1. Oktober produziert Mitsubishi Electric die neuen Laufwerke in seinem Werk Koriyama in Japan, ab 1. April wird auch das Mitsubishi-Werk in Thailand, wo derzeit noch 800.000 herkömmliche Diskettenlaufwerke hergestellt werden, die Produktion der neuen 120-Megabyte-Laufwerke übernehmen.

"Das neue Slim-Line LS-120-Diskettenlaufwerk ermöglicht OEM-Herstellern, ihren Kunden die große Speicherkapazität der LS-120-Disketten durchgehend auf allen PC-Plattformen - vom Notebook über den Desktop bis hin zum Netzwerkserver - anzubieten," erklärte Tadashi Hasegawa, Leiter der Entwicklung und Herstellung für Diskettenlaufwerke der Mitsubishi Electric Corporation. Optimismus verbreitet auch H.A. van Dam, zuständig für das Peripheral Marketing bei Mitsubishi Electric Europe B.V. "Bisherige Versuche, die traditionellen Diskettenlaufwerke abzulösen, scheiterten in der Regel daran, daß sich Hersteller zu proprietären und inkompatiblen Lösungen entschlossen hatten. Die neuen LS-120-Disketten haben sich aber heute schon bei vielen Herstellern als neuer Standard etabliert."

Deutlicher als Iomegas Zip-Laufwerk zielt das LS-120 auf den Markt der OEMs, VARs und Systemintegratoren. Einen großen Erfolg konnten die Verantwortlichen auf der CeBIT bekanntgeben. Nach Siemens-Nixdorf wird auch die Vobis AG, führende europäische PC-Handelskette und Marktführer in Deutschland LS-120- Laufwerke in ihren PCs anbieten.

"Daß ab heute auch Vobis auf der Liste der führenden Unternehmen steht, die die LS-120-Diskette unterstützen, ist ein deutliches Zeichen dafür, daß sich dieser Diskettenstandard mehr und mehr durchsetzt. Für die nahe Zukunft erwarten wir weitere bedeutende Ankündigungen von Computer-Unternehmen," ließ Frank Hill, Direktor für Datenspeicherprodukte bei Imation Europa, auf der CeBIT verlauten.

Mitsumi gibt sich zurückhaltend

Mitsumi, mit 17 Millionen produzierten Diskettenlaufwerken allein in 1996, weltweit führender Floppy-Hersteller gibt sich zurückhaltend. Auf der CeBIT zeigte Mitsumi den Prototyp eines 130 Megabyte UHC (Ultra High Capacity) Floppy Laufwerks, das ebenfalls abwärtskompatibel zu herkömmlichen Diskettenlaufwerken ist, war darüber hinaus allerdings zu keiner Stellungnahme bereit. Auf der Comdex im November letzten Jahres gab sich das Management noch offener. "Obwohl OEMs und auch Kunden im Massenmarkt die Vorteile der High Capacity Floppy faszinieren, sind viele doch durch die fehlende Zuverlässigkeit und Kompatibilität und nicht zuletzt durch die hohen Preise abgeschreckt worden. Aufgrund unser Erfahrung, unser Fachkenntnis und unser wirtschaftlichen Möglichkeiten sind wir in der Lage zuverlässige, kompatible Laufwerke zu einem erschwinglichen Preis zu entwickeln," sagte damals Jim McCaffrey, Vizepräsident Vertrieb und Marketing bei Mitsumi.

Betrachtet man die Rolle, die Mitsumi bei der Einführung der CD-ROM Technologie gespielt hat, darf der Markt gespannt sein. Auch damals hatte Mitsumi es nicht eilig, stieg dann allerdings massiv in den Markt ein und avancierte mit aggressiven Preisen in kürzester Zeit zum Marktführer.

Preis entscheidet über die Akzeptanz

Obwohl das Zip-Laufwerk mit Preisen um die 300 Mark erfolgreich verkauft wurde, wird sich dieses Preisniveau nicht halten lassen. So inkonsequent es klingen mag, ist der Kunde zwar bereit, diesen Preis für eine einfache, komfortable Backup-Lösung zu zahlen, jedoch nicht für ein Floppy-Nachfolgeprodukt. Wollen High-Capacity-Produkte als echtes Floppy-Replacement anerkannt werden, müssen sie sich auch preislich vergleichen lassen. Ein Blick auf die aktuellen Preise beider Produktgruppen macht die Situation deutlich.

Während Diskettenlaufwerke herkömmlicher Bauart in OEM-Kreisen zu Preisen zwischen zehn und 15 Dollar gehandelt werden, liegt der OEM-Preis der High-Capacity-Produkte, egal ob von Iomega, MKE oder Mitsumi derzeit bei knapp über 100 Dollar. Mit etwa 40 Dollar beziffert Phil Devin, Vizepräsident von Dataquest, den Preis, bei dem OEM-Kunden auf breiter Front auf die neue High-Capacity-Technologie umsteigen würden. Einschätzungen von

O.R. Technology, wonach bereits 1999 die LS-120 stückzahlmäßig zwei Drittel der weltweit gesamten Produktion an Floppy Disk-Produkten ausmachen könnte, erscheinen unter diesem Blickwinkel recht op-

timistisch. (sd)

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